Phonetik klassifiziert Faktoren und Komponenten sprachlicher Laute Die Phonetik

Phonetik klassifiziert Faktoren und Komponenten sprachlicher Laute Die Phonetik (gr. φωνητικός phōnētikós „zum Tönen, Sprechen gehörig“, von φωνή phōnḗ „Stimme“)[1] ist eine Disziplin, die Sprachlaute unter den folgenden Aspekten untersucht: Lautproduktion in Kehlkopf, Rachen-, Mund- und Nasenbereich, die akustischen Eigenschaften der Laute und die Lautwahrnehmung und -verarbeitung durch Ohr und menschliches Gehirn. Die Phonetik ist ein eigenständiges interdisziplinäres Fachgebiet zwischen Linguistik, Biologie, Akustik, Neurowissenschaften und Medizin.[2] Der Gegenstandsbereich der Phonetik ist die gesprochene Sprache in all ihren Realisierungen. Die Phonetik untersucht ebenso wie die Phonologie die gesprochene Sprache, jedoch unter einem anderen Aspekt. Die Phonologie als Teilgebiet der Sprachwissenschaft klassifiziert Laute in einzelnen Sprachen aufgrund ihrer bedeutungsunterscheidenden Funktion. Die Phonetik dagegen befasst sich mit den physikalischen, neurologischen und physiologischen Aspekten, die bei der Lautproduktion und -wahrnehmung relevant sind, und bedient sich dabei naturwissenschaftlicher Methoden. Die sprachwissenschaftliche Disziplin der Phonologie ist mit der Phonetik eng verwandt. Die Phonologie klassifiziert Angrenzende Fächer und verwandte Fachdisziplinen Laute aufgrund ihrer Verteilung und Funktion in einer spezifischen Sprache. Aufgrund von Minimalpaaren wie z. B. rot und tot identifiziert die Phonologie die kleinsten bedeutungsunterscheidenden Laute einer Sprache, die Phoneme (hier: / ʀ/ und /t/). Im Gegensatz zur Phonologie untersucht die Phonetik die konkreten artikulatorischen und akustischen Merkmale der Laute aller Sprachen, d. h. sie beschäftigt sich damit, wie sprachliche Laute gebildet werden, wie sie durch das menschliche Ohr und Gehirn aufgenommen und weiterverarbeitet werden und wie man sprachliche Laute akustisch messen und beschreiben kann. Die Phonetik ist ein interdisziplinäres Fachgebiet, das Ergebnisse und Methoden aus den Fächern Anatomie, Physiologie, Neurologie, Physik und Mathematik nutzt. Für die Beschreibung der Lautbildung mit Lunge, Kehlkopf sowie Mund- und Nasenraum nutzt die Phonetik Erkenntnisse aus der Anatomie und der Physiologie, für die Beschreibung der Lautverarbeitung durch das menschliche Gehirn Ergebnisse der Neurologie. Die Physik, speziell das Teilgebiet der Akustik, ist relevant für die Beschreibung der Schallübertragung der sprachlichen Laute, ebenso wie einige Erkenntnisse aus der Mathematik, die das mathematische Gerüst zur Beschreibung von Schallwellen bietet (z. B. Fourier-Analysis). Die Phonetik wird in vielen Publikationen als interdisziplinäres naturwissenschaftliches Fachgebiet gesehen;[2] viele Einführungen in die Sprachwissenschaft führen sie aber auch als Teilbereich der Sprachwissenschaft und behandeln sie gemeinsam mit den sprachwissenschaftlichen Disziplinen Phonologie, Morphologie und Syntax.[3] Neben der Phonetik und Phonologie haben u. a. auch die Fächer Sprechwissenschaft, Sprecherziehung, Rhetorik, Sprechkunst, Klinische Linguistik, Logopädie und Sprachheilpädagogik gesprochene Sprache zum Inhalt. Geschichte der Phonetik Die Ursprünge der Phonetik gehen zurück bis in eine Periode zwischen 800 und 150 v. Chr. auf dem indischen Subkontinent, wo indische Linguisten die Phonetik des Sanskrit beschreiben.[4] In der europäischen Antike und in der Renaissance wurden die Grundlagen für eine systematische Beschreibung der Jean-Pierre Rousselot gehörte zu den Pionieren der Sprachaufzeichnung für wissenschaftliche Zwecke. Sein zentrales Werk dazu war Principes de Phonétique Expérimentale von 1897. Es beeinflusste viele Forscher nach ihm. Im Bild sein Apparat zur Sprachaufzeichnung (um 1900). Artikulationsorgane gelegt. So hat sich bereits in der Antike der Arzt Galenus mit dem Aufbau des Kehlkopfs beschäftigt, und auch der Arzt und Naturwissenschaftler Avicenna[5][6] befasste sich im 11. Jahrhundert wissenschaftlich mit der Phonetik, was allerdings im 12. Jahrhundert schon wieder in Vergessenheit geraten war. Dadurch blieben die Erkenntnisse und Vorstellungen im Mittelalter zur sprachlichen Lautproduktion und - rezeption sehr rudimentär, was sich erst in der Renaissance wieder änderte. Sogar Leonardo da Vinci kann als Vorläufer der Phonetiker genannt werden, denn seine Studien an sezierten Leichen trugen zum Wissen über den Aufbau des Kehlkopfes bei.[7][8] Mit dem Aufstieg der Naturwissenschaften in der Neuzeit entstanden erst die Voraussetzungen für die Phonetik als naturwissenschaftliche Disziplin, z. B. die akustische Schwingungslehre des Mathematikers Leonhard Euler, mit der die akustischen Eigenschaften von Vokalen genauer beschrieben werden konnten.[8] Beispielsweise veröffentlichte Alexander Melville Bell mit seiner Schrift Visible Speech 1867 eine phonetische Schrift, mit der er versucht, Vokale präzise zu beschreiben. Ludimar Hermann gelang es 1889 und 1890 mit Hilfe mathematischer Prinzipien Stimm- und Lautkurven zu analysieren; er prägte auch den Begriff Formant.[9] Einen Aufbruch erlebte die Phonetik im 19. Jahrhundert, als technische Apparate wie der Phonograph zur Verfügung standen, mit denen erstmals sprachliche Laute aufgezeichnet und analysiert werden konnten. Gleichzeitig entwickelte sich um diese Zeit auch die Erkenntnis unter den artikulatorischen Phonetikern, dass „Sprachlaute“ ein eigenes Beschreibungssystem benötigen, weil in den meisten Sprachen keine eindeutige Beziehung zwischen Buchstaben und Lauten mehr besteht und damit die gängigen Alphabete zur Beschreibung der Laute einer Sprache nicht ausreichen. Diese Aktivitäten kulminierten in der Gründung der International Phonetics Association 1884 und der Veröffentlichung des ersten Internationalen Phonetischen Alphabets (IPA) 1888.[10][11] Im deutschsprachigen Raum wurde die Phonetik erstmals 1919 als eigenständige Disziplin anerkannt, als sie als Haupt- und Nebenfach bei Promotionen an der Philosophischen Fakultät der Universität Hamburg zugelassen wurde. Eine erste planmäßige außerordentliche Professur für Phonetik in Deutschland wurde 1922 an der Hansischen Universität Hamburg eingerichtet.[12] Weitere wichtige technische Entwicklungen für die Phonetik waren z. B. die Röntgenbildgebung und die Sonografie Anfang des 20. Jahrhunderts. Weitere Fortschritte in der Phonetik sind durch technische Entwicklungen zu erwarten. So sind in den letzten Jahren z. B. große Fortschritte in Echtzeit-MRTs gemacht worden. Hauptarbeitsgebiete Teilbereiche der Phonetik Die allgemeine Phonetik beschäftigt sich mit den bei konkreten Sprechakten physikalisch ablaufenden Prozessen sowie deren messtechnischer Erfassung. Sie hat die folgenden Teilgebiete: Die artikulatorische Phonetik ist die Lehre des Aufbaus und der Funktion des Sprechapparats sowie dessen Einsatz bei der Produktion von Sprache. Die akustische Phonetik untersucht die physikalische Struktur der Schallwellen als Träger der sprachlichen Laute. Die auditive oder perzeptive Phonetik befasst sich mit der Wahrnehmung der sprachlichen Laute durch den Hörer und der jeweiligen Rolle des Gehörs und des Gehirns Ferner gibt es das Arbeitsgebiet der systematischen Phonetik, die sich um die systematische Beschreibung der Laute (Phone) der Sprachen der Welt bemüht, einschließlich der Beschreibung der Konsonanten und Vokale aller menschlichen Sprachen und deren Transkription. Zur systematischen Phonetik zählt auch die Beschreibung der suprasegmentale Phonetik (Prosodie), d. h. die Beschreibung einzelner Laute und deren Verwendung in der Silbe bzw. im Wort. Artikulatorische Phonetik → Hauptartikel: Artikulatorische Phonetik Mediendatei abspielen Die artikulatorische Phonetik befasst sich mit dem Zusammenspiel von Atmung (Erzeugung des notwendigen Luftdrucks in der Lunge), der Phonation im Kehlkopf und der Artikulation im Rachen-, Mund- und Nasenraum. Durch die Atmung wird in der Lunge der für den Schall notwendige Luftdruck erzeugt. Im Kehlkopf sitzen die Stimmlippen, die die Schwingungen in der Luft erzeugen, die für den Klang verantwortlich sind. Schließlich wirkt der Rachen-, Mund- und Nasenraum (der Darstellung des Sprechvorgangs in Echtzeit- Magnetresonanztomographie Vokaltrakt) je nach Stellung von z. B. Gaumen oder Zunge als Filter, der den Klang weiter modifiziert.[13] Die artikulatorische Phonetik interessiert sich insbesondere für die Rolle und Position der beweglichen Teile in Kehlkopf und Mundraum, also Zunge, Lippen, Unterkiefer, Gaumensegel (Velum) mit dem Zäpfchen (Uvula), Rachen und Glottis. Je nach Position dieser Artikulationsorgane werden unterschiedliche sprachliche Laute erzeugt. Die Phonetik spricht von verschiedenen Artikulationsstellen oder - orten, wenn sie die Orte beschreibt, an denen (Teile der) Zunge und/oder die Lippen sich befinden, wenn Konsonanten erzeugt werden. So spricht man z. B. bei den Lauten [b] oder [m] von bilabialen Lauten, weil hier die Ober- und Unterlippe bei der Lautbildung hauptsächlich beteiligt sind. Bei anderen Konsonanten wie z. B. [d] oder [g] spielt die Position der Zunge eine Rolle (dental, hinter den Oberkieferzähnen, oder velar, beim Gaumensegel). Die artikulatorische Phonetik verfügt über verschiedene experimentelle Untersuchungstechniken, um das Kehlkopfverhalten und das Verhalten der Artikulatoren zu erfassen. Für den Kehlkopf verwendet man Kehlkopfspiegel (Laryngoskop), Laryngographen und Photoelektroglottographie. Zur Erfassung der artikulatorischen Geometrie verwendet man die Palatographie, Röntgenbilder, elektromagnetische Artikulographie, Ultraschallvermessung (Sonografie) und Magnetresonanztomographie bzw. Echtzeit-Magnetresonanztomographie.[14] Akustische Phonetik → Hauptartikel: Akustische Phonetik Die Grundlagen der akustische Phonetik stammen aus einem Teilbereich der Physik, der Akustik. Die akustische Phonetik beschreibt die Erzeugung und Übertragung der Schallschwingungen, die durch sprachliche Laute erzeugt werden. Spektrogramm der Laute [i, u, ɑ] in amerikanischem Englisch, Formanten sind deutlich sichtbar Unter Schall versteht man minimale Luftdruckschwankungen, die hörbar sind. Sprachliche Laute gehören zu einem spezieller Typ von Schallschwingungen, nämlich den Klängen. Im Gegensatz zu reinen Tönen (z. B. aus der Musik) sind Klänge zusammengesetzte Schallschwingungen. Im Gegensatz zu Geräuschen, deren Amplitudenwerte rein zufällig sind, sind Klänge periodische Schallschwingungen. In der Akustik werden Klänge (also auch sprachliche Laute) als Sinoidalschwingungen beschrieben.[15] Die Ergebnisse der Akustik sind für die Phonetik relevant, weil während der Sprachlautproduktion Schallwellen erzeugt werden, die vom Kehlkopf über den Rachen-, Mund- und Nasenraum wandern. Da der Rohschall, der im Kehlkopf entsteht, je nach Position der Artikulatoren weiter gefiltert wird, ändern sich auch die Resonanzen im menschlichen Vokaltrakt. Deshalb entstehen bei sprachlichen Lauten auch keine reinen Resonanzfrequenzen für den Vokalschall, sondern die akustischer Energie konzentriert sich auf verschiedene Frequenzbänder, sogenannte Formanten. Die akustische Phonetik verwendet verschiedene technische Apparaturen, um die Akustik der sprachlichen Äußerungen sichtbar zu machen. Zu den wichtigsten Messgeräten zählt das Oszillogramm, das die Schallschwingungen als Graph entlang einer Zeitachse darstellt. Häufig will man neben den Schallschwingungen auch darstellen, welche Frequenzen in einem sprachlichen Signal enthalten sind, und wie dominant sie sind. Dies gelingt, wenn man die akustische Information der Schallschwingungen mittels der mathematischen Methode der Fourier- Transformation in ein Spektrogramm umwandelt, eine bildliche Darstellung uploads/Geographie/ phonetik.pdf

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