GRUNDRISS DER GOTISCHEN ETYMOLOGIE. SAMMLUNG INDOGERMANISCHER WÖRTERBÜCHER, II.

GRUNDRISS DER GOTISCHEN ETYMOLOGIE. SAMMLUNG INDOGERMANISCHER WÖRTERBÜCHER, II. G R U N D R I S S DER GOTISCHEN ETYMOLOGIE VON DR- SIGMUND FEIST. STRA8SBURGK V E R L A G V O N K A R L J. 1888. T K Ü B N E E . O. O t l o ' » Hof-Buch<irucker«¡ in Darmfttadt. HERRN PROFESSOR H. HÜBSCHMANN Z U G E E I G N E T . VORWORT. Bei der hohen Altertümlichkeit, die der Sprache der Goten den Vorzug vor den übrigen germanischen Mundarten verleiht, ist es begreiflich, dass Sprachforscher wie Germa- nisten sich alsbald nach Begründung der indogermanischen Sprachwissenschaft der etymologischen Durchforschung der uns erhaltenen Reste dieser Sprache zugewandt und dauernd gewidmet haben. Infolge davon erlangte die gotische Ety- mologie sehr rasch eine bedeutende Ausdehnung, und es musste von Zeit zu Zeit an die Gelehrten die Forderung herantreten, festzustellen, was die Forschung an sicheren Er- gebnissen auf diesem Gebiet gewonnen zu haben schien. Dies unternahm zuerst nach einem weit angelegten Plane Lorenz Diefenbach in seinem Vergleichenden Wörterbuch der gotischen Sprache, 1861, dann auf beschränkterer Basis Leo Meyer in seinem Werk: Die gotische Sprache, ihre Lautgestaltung insbesondere im Verhältnis zum Altindischen, Griechischen und Lateinischen, 1869, und endlich Fick im VII. Teil seines Vergleichenden Wörterbuchs der indoger- manischen Sprachen, wo er den Wortschatz der germanischen Spracheinheit zusammenfassend behandelte (3. Aufl. 1874). Seitdem ist kein neuer Versuch gemacht worden, den ge- samten Wortschatz der gotischen Sprache in etymologischer Beziehung zu durchforschen, obwohl nach dem Erscheinen des letztgenannten Werkes die vergleichende Sprachwissenschaft manche Fortschritte gemacht und grosse Umwälzungen er- litten hat. Vieles alte Material ist als unbrauchbar be- seitigt worden und neues dafür ans Tageslicht getreten, so — VIII — dass es sich wohl verlohnen dürfte, vom heutigen Stand- punkt der Wissenschaft aus, die Grundlinien der gotischen Etymologie aufs Neue zu ziehen, ihre Ergebnisse wieder einmal zusammenfassend darzustellen. Dieser Versuch soll in dem vorliegenden Buche gemacht werden. Die Aufgabe war also, das an den allerverschiedensten Orten, in den genannten Werken wie in Zeitschriften und Abhandlungen, zerstreute Material zu sammeln, das Ge- sammelte zu sichten und der strengsten Kritik zu unter- werfen. Auf diesen letzteren Punkt richtete der Verfasser sein besonderes Augenmerk, nicht kam es ihm darauf an Neues zu schaffen; es galt das mit Sicherheit als richtig erkannte in knapper und übersichtlicher Darstellung zu einem Ganzen zu vereinigen. Oft sind falsche Ansichten, die sich keiner Verbreitung zu erfreuen hatten, einfach über- gangen worden; stets sind Bedenken, die sich gegen die Richtigkeit einer Etymologie erheben konnten, durch einen kurzen Wink angedeutet. Alle weitgehenden Spekulationen sind absichtlich vermieden worden. Gleiche Sorgfalt ist der lautlichen Seite wie der Be- deutung der Worte gewidmet worden. Dass auf letzterem Gebiete viel grössere Schwierigkeiten der sicheren Ent- scheidung entgegenstehen, als bei der lautlichen Beurteilung, wird niemand in Abrede stellen. Es muss zugegeben werden, dass wir noch nicht imstande sind, ebenso sichere Gesetze für den Bedeutungswandel aufzustellen wie für den Laut- wandel. Aber ein gewisses Kriterium in zweifelhäften Fällen haben wir immerhin, wenn wir einen ähnlichen Bedeutungswandel, wie wir ihn für die Urzeit in An- spruch nehmen, in historischer Zeit so zu sagen unter unseren Augen sich vollziehen sehen. Das subjektive Ge- fühl der Möglichkeit eines Bedeutungsübergangs ist sehr oft irreführend, die vorhandene Thatsache dagegen bürgt, bei analogen Nebenbedingungen, für die Richtigkeit einer Annahme. Daneben muss allerdings, wie es bei der Dehn- barkeit der Bedeutung unvermeidlich ist, der Wahrschein- lichkeit ein grosses Feld eingeräumt werden. Aber können wir ähnliches nicht auch auf dem Gebiete des Lautwandels — IX — bemerken ? Gerade die grosse Anzahl und die Feinheit der uns zu Gebote stehenden Lautgesetze verleitet oft zu recht unwahrscheinlichen Verknüpfungen und Konstruktionen, die sich auf dem Papier sehr gut ausnehmen, denen aber eine nüchterne Betrachtung jede Berechtigung absprechen muss. Es giebt auch hier eine Grenze, die wir nicht überschreiten sollten. Um ein Beispiel anzuführen, so wird jetzt aller- seits die Möglichkeit zugegeben, dass die auslautende Tenuis einer indogermanischen Wurzel unter gewissen Bedingungen zur Media herabsinken konnte, und dass die letztere dann über das ihr ursprünglich zukommende Gebiet hinaus aus- gedehnt werden, ja sogar die Tenuis ganz verdrängen konnte (vgl. die Anmerkung auf S. 19 dieses Buches). Das heisst also im Prinzip die Möglichkeit zulassen, dass neben jeder Wurzel auf Tenuis eine solche auf Media ausgehend ange- nommen werden kann. Dennoch sollten wir nur auf sichere Thatsachen gestützt zu diesem Mittel unsere Zuflucht nehmen: stimmen alle übrigen Laute wie auch die Bedeutung überein, liegt womöglich in einer oder mehreren Sprachen tönender und tonloser Auslaut nebeneinander vor, so sind wir be- rechtigt, eine Doppelwurzel von der oben geschilderten Art anzunehmen (vgl. z. B. Nr. 99, Nr. 144, Nr. 145, Nr. 569 neben Nr. 575 etc. etc.). Fehlt ein Teil dieser Voraus- setzungen, so hat die Annahme höchstens als wahrschein- lich zu gelten. Sehr wünschenswert wäre es, für die sichern Fälle ausführliche Materialsammlungen zu besitzen, um die Verbreitung jener Lauterscheinung übersehen zu können. Was die in diesem Buche vorkommenden Fälle der er- wähnten Art betrifft, so bietet mir eine später auszu- arbeitende Lautlehre des Gotischen vielleicht Gelegenheit näher darauf einzugehen. Nach diesen Auseinandersetzungen wird es leicht sein, die Richtschnur zu finden, die mich bei der Bearbeitung dieses „Grundrisses" geleitet hat. Ich sehe eine Etymologie nur dann als sicher an, wenn Laute und Bedeutung sich gesetzmässig aus der Grundform und Grundbedeutung, die durch den Vergleich der verwandten Worte erschlossen werden, ableiten lassen. Selbstverständlich ist dem, neben — X — der Bedeutungsentwickelung, wichtigsten psychischen Faktor, der Analogiewirkung, die ihr gebührende Stellung angewiesen worden. Aber. Vorsicht in ihrer Anwendung ist stets ge- boten, da uns gar leicht die Kriterien ihrer Berechtigung abgehen. Möge man mir es nachsehen, wenn ich in diesem Buche etwas mehr Skeptizismus anwende, als mancher für nötig finden wird. Es ist besser, eine vielleicht richtige Etymologie nur als wahrscheinlich gelten zu lassen, eine mögliche Zusammenstellung als unberechtigt darzustellen, als allzu weitherzig die Unsicherheit auf einem so schwierigen Gebiet der Sprachwissenschaft, wie die Etymologie es ist, noch zu vermehren. "Was die äussere Einrichtung des »Grundrisses" an- geht, so sind die untersuchten Wörter in alphabetischer Reihenfolge angeführt. Von Ableitungen sind nur die- jenigen erwähnt, die für die Erschliessung der Urform und Wurzel oder der Bedeutung eines Wortes von Wichtigkeit sind, oder deren Zugehörigkeit zu dem behandelten Artikel nicht sofort in die Augen springt. Zusammengesetzte Wörter sind in ihre Bestandteile aufgelöst und jeder an seiner alphabetischen Stelle besprochen: so sind alle mit Präfixen versehenen Wörter unter ihrem Stammwort aufzu- suchen, wie auch die Präfixe und Suffixe für sich zu finden sind. Die verwandten Wörter aus den übrigen germanischen Dialekten sind nur soweit angeführt, als sie zur Feststellung der Grundform oder Grundbedeutung eines gotischen Wortes dienen, Vollständigkeit in deren Aufzählung ist keineswegs erstrebt. Was die verglichenen Wörter betrifft, so sind aus den verschiedenen indogermanischen Sprachgebieten (Arisch, Armenisch, Griechisch, Italisch, Keltisch, Baltisch-Slavisch, gelegentlich auch Albanesisch) womöglich die ältesten Be- lege angeführt; mundartliche Differenzen sind nur dann berücksichtigt, wenn sie zum Verständnis der angeführten Lautform beitragen oder zur Kontrole ihrer Ursprünglich- keit dienen. Selbstverständlich werden auch dann dialek- tische Wörter verglichen, wenn sie in der betreffenden Hauptsprache nicht belegt sind. So sind manche Wörter — XI — aus dem Zend angeführt, die im Indischen nicht vorhanden sind, während im allgemeinen die Avestasprache als unter- geordneter Dialekt gegenüber dem Vedischen betrachtet wird. Litteraturangaben habe ich nur in spärlicher Anzahl gegeben; dagegen sind die wichtigsten Quellen am Ende des Vorworts aufgezählt, was dieses Verfahren wohl recht- fertigen wird. Monographien oder Aufsätze in Zeitschriften sind an der einschlägigen Stelle erwähnt. Ein ausführliches Verzeichnis der verglichenen Wörter am Schlüsse des Ganzen nach Sprachgruppen geordnet wird den Benutzern des Buches hoffentlich willkommen sein; auch diejenigen gotischen Wörter, die nicht in einem eignen Artikel behandelt sind und deren Auffindung dem Unkundigen Schwierigkeiten bereiten könnte, sind darin aufgenommen worden. Es ist mir endlich eine angenehme Pflicht, denjenigen Herren, die mir Berichtigungen und Beiträge in freundlichster Weise zur Verfügung gestellt haben, auch an diesem Orte meinen herzlichsten Dank auszusprechen; nämlich meinem verehrten Lehrer Herrn Professor Martin in Strassburg, den Herren Professor Leskien und Professor Windisch in Leipzig. Zum allergrössten Dank aber für die Anregung zu dieser Arbeit, sowie für seine fortdauernde Teilnahme bei ihrer Ausarbeitung und Vollendung bin ich meinem verehrten Lehrer Herrn Professor Hübschmann verpflichtet: möge ihm die Widmung dieses Buches, die er freundlichst annahm, ein geringer Beweis meiner Erkenntlichkeit sein, eine iVoW b'kiyr] vt (piXtj Tf. Strassburg i. E., Juli 1888. Der Verfasser. LITTERATUR. Fick, Vergleichendes Wörterbuch der indogerm. Sprachen, 3. Aufl. 1874; besonders Teil VII: Wortschatz der germ. Spracheinheit. (Fick.) Brogmann, Grundriss der vergleichenden Grammatik der indogerma- nischen Sprachen I, 1886. ( B r u g m a n n , Grdr.) Joh. Schmidt, Zur Geschichte des indogerm. Vokalismus, 2 Bde., 1871—75. (Joli. S c h m i d t , Vocal.) F. de Sanssure, Mémoire sur le système primitif des voyelles dans les langues indo-européennes, 1879. Hiibschniann, Das indogermanische Vocalsystem, 1885. Sanskrit Wörter buch, herausgeg. von d. kaiserl. Akademie d. Wissen- schaften, bearbeitet von 0. B ö h t l i n g k und R. R uploads/s1/ feist-gotische-etymologie-1888.pdf

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  • Publié le Sep 08, 2021
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