1 In der Welt von Murmelmenschen, Waldschraten und Werratten. Eine Analyse der

1 In der Welt von Murmelmenschen, Waldschraten und Werratten. Eine Analyse der deutschen Übersetzung der Erzählsammlungen Ostatnie życzenie und Miecz przeznaczenia von Andrzej Sapkowski hinsichtlich der Eigennamen und der Namen von mythologischen Kreaturen Konrad Łyjak Als im Jahre 1954 John Ronald Reuel Tolkien den ersten Band seiner heute weltberühmten Trilogie veröffentlichte, begann eine neue Epoche in der Rezeption der Fantasy-Literatur. Im ganzen Zyklus über die Abenteuer der Fellowship of the Ring knüpfte der Autor an die altnordische und angelsächsische Mythologie an, schöpfte die Inspiration aus diversen Sagen, Legenden und biblischen Motiven. Er erschuf eine neue Welt mit einzigartigen Wesen, Landschaften, ja sogar Sprachen (wie z. B. das Elbische oder die Sprache von Mordor). Da diese Welt so ideal gebaut, so minutiös geplant war, wurden auch die Übersetzer einer äußerst schwierigen Aufgabe ausgesetzt. Im Falle der Fantasy-Literatur ist es besonders kompliziert, ein fehlerfreies und sinngemäßes Translat zu erzeugen, ohne dass die kleinsten Feinheiten des Originals außer Acht gelassen werden. Am Beispiel der Übersetzung von Tolkiens Trilogie ins Polnische sieht man, wie stark sich die Übersetzungsvorschläge voneinander unterscheiden können1. Es gibt jedoch Abertausende Abhandlungen, Dissertationen, Artikel und Essays, die sich mit Übersetzungen der Tolkienschen Werke auseinandersetzen. In diesem Artikel will ich mich jedoch mit einem anderen Schriftsteller des Genres Fantasy beschäftigen. Den Gegenstand meiner Erwägungen bildet nämlich das Werk von Andrzej Sapkowski – dem bekanntesten polnischen Fantasy-Schriftsteller. Sapkowski und Tolkien unterscheiden sich zwar in ihrer Schreibweise, sie weisen jedoch viele Gemeinsamkeiten auf. Die beiden greifen zu anderen Mythologien und Legenden, die beiden schaffen eigene Welten mit zahlreichen geografischen Orten und literarischen Gestalten, die beiden präsentieren dem Leser eine Vielfalt von mythischen Wesen, die entweder selbst erfunden oder anderen mythologischen Systemen entlehnt worden sind. Und eben dieses Element, die selbst erfundenen Kreaturen, Gestalten und Orte, die am häufigsten Träger konkreter Bedeutungen sind, stellen die schwierigste Aufgabe für die Übersetzer dar. In diesem Artikel will ich darstellen, welche translatorischen Strategien Erik Simon bei der Übersetzung der Eigennamen und der Namen von mythischen Wesen in den zwei Erzählbänden von Andrzej Sapkowski nutzte2. Die von Sapkowski erschaffene Welt ist mit der ihr eigenen Topografie einzigartig. Der Autor präsentiert dem Leser eine Vielfalt von fabelhaften Wesen, die diese Welt bewohnen. Ähnlich wie der Professor aus Oxford knüpft der polnische Schriftsteller in seinen Werken an diverse mythologische Systeme an, nimmt Bezug auf zahlreiche Sagen und Legenden, bereichert die fiktiven Motive mit Elementen, die aus der polnischen Geschichte oder Literatur bekannt sind. All diese Einzelheiten bilden ein Werk, das für einen Übersetzer eine enorme Herausforderung darstellt. In dieser Welt wimmelt es von außergewöhnlichen Kreaturen, die der Leser beziehungsweise der Übersetzer schon aus anderen Mythologien und Legenden kennt, die jedoch nicht selten die Erzeugnisse der Vorstellungskraft des Autors sind. Außerdem entwirft der Verfasser seine eigene geografische Welt, geteilt in Länder und Landschaften, mit erfundenen Gebirgsketten, Städten und Dörfern, bewohnt durch verschiedene Rassen, deren Repräsentanten auch Namen haben, die wiederum Träger konkreter Bedeutungen sind. Es stellt sich die Frage, wie diese mannigfaltige Welt übersetzt werden sollte. Zur Beantwortung soll dargestellt werden, wie Erik Simon mit diesem Problem fertig wurde. Die von Erik Simon entworfenen Übersetzungsvorschläge lassen sich im Allgemeinen in vier Gruppen teilen. Die erste Gruppe bilden solche Wörter, die als Systemäquivalente betrachtet werden können. Zur zweiten Gruppe gehören Wörter, die gar nicht übersetzt, sondern nur großgeschrieben und eventuell ans phonologische System des Deutschen angepasst wurden. In die dritte Gruppe kann man Wörter einstufen, die ihrer Etymologie nach übersetzt worden sind. Die vierte und zugleich letzte Gruppe umfasst alle Übersetzungsvorschläge von Erik Simon, die meines Erachtens sehr umstritten sind, was ganz und gar nicht bedeutet, dass sie unbedingt als Fehler angesehen werden müssen. Zur ersten Gruppe zählen Systemäquivalente, die seit längerer Zeit in den semantischen Systemen des Polnischen und des Deutschen verwurzelt sind. Somit fällt es relativ leicht, die Begriffe aus einer Sprache in die andere zu übertragen. Als Beispiele mögen folgende Substantive dienen: ‚Nixe‘ (poln. rusałka), ‚Drache‘ (smok), ‚Werwolf‘ (wilkołak) oder ‚Einhorn‘ (jednorożec). Zu dieser Gruppe gehören auch Wörter, die ihrer Aussprache wegen viele Ähnlichkeiten aufweisen, was sich daraus ergibt, dass die Etymologie dieser Wörter auf das Griechische, Lateinische oder eine andere Sprache zurückzuführen ist. Beispiele dafür sind die Substantive ‚Vampir‘ (wampir - von serbisch вампир/vampir), ‚Nymphe‘ (nimfa – griechisch nýmphē, lateinisch nymphae), ‚Phönix‘ (feniks – gr. foinix, lat. phoenix) oder ‚Basilisk‘ (bazyliszek – gr. basiliskos). Dieser Gruppe gehören noch zwei Wörter an, die eine besondere Beachtung verdienen, nämlich ‚Zwerg‘ (krasnolud) und ‚Halbling‘ (niziołek). Das zweite Wort verdanken wir J.R.R.Tolkien. 1 Der Herr der Ringe wurde dreimal ins Polnische übersetzt: von Maria Skibiniewska, Jerzy Łoziński und Maria und Cezary Frąc. 2 Es handelt sich um die Erzählsammlungen Der letzte Wunsch (poln. Ostatnie życzenie) und Das Schwert der Vorsehung (poln. Miecz przeznaczenia): Sapkowski Andrzej: Der letzte Wunsch. Deutscher Taschenbuch Verlag. München 2007, Sapkowski Andrzej: Das Schwert der Vorsehung. Deutscher Taschenbuch Verlag. München 2008, Sapkowski Andrzej, Ostatnie życzenie. Miecz przeznaczenia. Supernowa. Warszawa 2001. 2 Diese Bezeichnung ist zu einem Synonym der von ihm erfundenen Rasse der Hobbits geworden. Es handelt sich dabei um ein Wesen, das halb so groß wie ein Mensch ist (engl. halfling). Das polnische Wort ‚niziołek‘ ist ein Neologismus von Maria Skibiniewska, der ersten polnischen Übersetzerin des Herrn der Ringe. Sapkowski schreibt dazu: Die erste polnische Übersetzerin des „Herrn der Ringe“, Maria Skibiniewska, hat das Tolkiensche Wort ‚halfling‘ (‚niziołek‘) so übersetzt, wie es der Meister selbst zu wollen schien: als einen Halbling, d.h. ein kleines Wesen, einen Wichtel, „kleiner von uns um eine Hälfte“. Der Halbling (niziołek) hat nämlich solche und nur solche Bedeutung im Polnischen.3 In diesem Falle hat Erik Simon ein relativ neues polnisches Wort ‚niziołek‘ in ein auch nicht allzu altes deutsches Wort ‚Halbling‘ übersetzt. Im Falle des polnischen Wortes ‚krasnolud‘ ist die Sache viel komplizierter. Dieses Wort ist auch ein Neologismus von Maria Skibiniewska (engl. dwarf). Sapkowski behauptet, die Gestalt eines Zwergs sei in der Fantasy- Literatur dank Tolkien erschienen und sein Muster habe in den skandinavischen Sagen gelegen. Denn die Zwerge aus Edda seien hervorragende Schmiede und Waffenhersteller.4 Maria Skibiniewska fand ein goldenes Mittel zwischen dem Wort ‚Wichtel‘ (krasnoludek, skrzat), das ein kleines Wesen bezeichnet, und dem Wort ‚Riese‘ (wielkolud). Aus den beiden entstand die polnische Bezeichnung ‚krasnolud‘ und eben dieses Wort wird von Sapkowski als Bezeichnung für die Rasse der bärtigen kämpferischen Bergleute und Schmiede gebraucht. Der andere Übersetzer der Tolkienschen Saga Jerzy Łoziński schlug als Äquivalent das Wort ‚krzat‘ vor, knüpfte also an das deutsche Wort ‚Schrat‘, bzw. das tschechische ‚skret‘ an. Durchgesetzt hat sich jedoch die von Skibiniewska vorgeschlagene Übersetzung und wir können nur vermuten, für welches Wort sich Erik Simon entschieden hätte, wenn sich die Version von Jerzy Łoziński unter den Lesern der Fantasy-Literatur verbreitet hätte. Zu dieser Gruppe gehören auch die Bezeichnungen von weniger bekannten Kreaturen: ‚Ghul‘ (ghul – kommt aus der vormuslimischen Mythologie), ‚Wyvern‘ (wyvern – altsächsisch für vivere – Schlange), ‚Striege‘ (strzyga – von römischem strix, Genitivform strigis: Eule; Hexe), ‚Kikimora‘ (kikimora – von russ. кикимора), ‚Dryade‘ (driada – von griech. Druádes), ‚Sirene‘ (syrena – von griech. Seirēn), ‚Amphisbaena‘ (amfisbena), ‚Greif‘ (gryf) und ‚Alp‘ (alp). Die oben genannten Begriffe sind also in unterschiedlichen Mythologien verankert und lassen sich darum relativ leicht übersetzen. Im Falle von Neologismen oder Eigennamen fällt die Übersetzung jedoch viel schwerer. Der deutsche Übersetzer der Erzählungen über die Abenteuer des Hexers Geralt vollzog das Translat in Anlehnung an zwei Techniken: entweder konzentrierte er sich auf die Etymologie der zu übersetzenden Wörter oder er übernahm die in der polnischen Variante enthaltenen Wörter ins Deutsche. Im zweiten Falle werden die polnischen Namen großgeschrieben und gegebenfalls ans phonologische System des Deutschen angepasst. Somit bleiben die polnischen ‚mula‘ (deutsch Mula) und ‚bruxa‘ (Bruxa) unverändert, ähnlich wie ‚graveir‘ (Graveir), ‚ornitodrakon‘ (Ornithodrako) und ‚wipper‘ (Vipper). Diese Technik hat der Übersetzer interessanterweise auch beim polnischen Wort ‚wij‘5 angewandt, was jedoch als Missverständnis betrachtet werden kann. Während die Wörter ‚Bruxa’ oder ‚Graveir‘ keine eindeutigen etymologischen Hinweise für den deutschen, wie auch den polnischen Leser in sich enthalten, knüpft das Wort ‚wij‘ direkt an die polnische Sprache an. Das Wort wird vom polnischen Leser sofort mit dem Verb ‚wić się‘ (‚winden‘) assoziiert, dasselbe großgeschriebene Wort bleibt für den deutschen Leser unklar. Aus der etymologischen Sicht bedeutet das Wort ‚wij‘ dasselbe wie ‚wijun‘. Der zweite Begriff taucht in der Erzählung Der Rand der Welt (Kraniec świata) auf und dient als mundartliche Bezeichnung des Wortes ‚wij‘. Erik Simon hat das als ‚Winder‘6 übersetzt. Hätte er sich bei der Übersetzung des Wortes ‚wij‘ auch für diese Bezeichnung entschieden, wäre es zweifellos verständlicher für die deutschen Leser. Dasselbe Problem kommt in Bezug auf die Übersetzung des Eigennamens einer Gestalt namens ‚Piżmak‘ vor. Erik Simon ersetzt den polnischen Konsonanten ‚ż‘ lediglich durch ein ‚z‘. Dies ist insofern erstaunlich, als ‚piżmak‘ im Deutschen einfach eine Bisamratte (oder Bisam) bezeichnet. In die dritte Gruppe kann man die Wörter einstufen, die ihrer Etymologie nach übersetzt worden sind. Dies betrifft sowohl die Bezeichnungen von Kreaturen und die Namen der einzelnen Gestalten, als auch die Namen von Städten, Dörfern und Landschaften. Manches wurde sehr konsequent übersetzt, d. h. zwischen dem Original und dem uploads/Litterature/ 9014.pdf

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