Berufliche Frauenbezeichnungen oder weibliche Berufsbezeichnungen? 355 Paweł Bą

Berufliche Frauenbezeichnungen oder weibliche Berufsbezeichnungen? 355 Paweł Bąk - preprint - Rzeszów Berufliche Frauenbezeichnungen oder weibliche Berufsbezeichnun- gen? Möglichkeiten und Grenzen der Erfassung von Äquivalenzen im Bereich der Politischen Korrektheit am Beispiel des Polnischen und Deutschen Im Folgenden werden ausgewählte Probleme der Äquivalenzverhältnisse in der Domäne der Politischen Korrektheit, insbesondere die Möglichkeiten und Gren- zen der Realisierung eines nichtsexistischen Sprachgebrauchs1 aus kontrastiver Sicht am Beispiel der Relation Deutsch-Polnisch angesprochen. Die Betrachtung von Äquivalenzrelationen lässt die Politische Korrektheit als einen besonderen Bereich der interlingualen Untersuchung von Sprachen er- scheinen. Im allgemeinen Bewusstsein der Sprachbenutzer gilt die Politische Korrektheit als das Synonym der Political Correctness, die üblicherweise fol- gendermaßen erklärt wird: Einstellung, die alle Ausdrucksweisen und Handlungen ablehnt, durch die jemand aufgrund seiner ethnischen Herkunft, seines Geschlechts, seiner Zugehörigkeit zu ei- ner bestimmten sozialen Schicht, seiner körperlichen oder geistigen Behinderung oder sexuellen Neigung diskriminiert wird. (Duden – Deutsches Universalwörter- buch 2003) Diese Sichtweise deckt sich mit den Erkenntnissen der sprachtheoretischen Re- flexion (auch der polnischsprachigen, s. Awdiejew 2006). Im Rahmen der PC2 wird in verschiedenen Kreisen auch das antidiskriminierende Sichtbarmachen des Geschlechts in der Sprache zu einem wichtigen Prinzip der Sensibilisierung erhoben. Dies wird in Kürze nachstehend besprochen. Probleme bei der kontrastiven Betrachtung dieses Phänomens und – diesbezüg- lich – der Bestimmung der Äquivalenz sind u.a. mit der Mehrdeutigkeit des hier angesprochenen Terminus verbunden: Mit dem Signifikanten politisch korrekt3 kann auf verschiedene Erscheinungsformen der Politischen Korrektheit als Sig- 1 Unter dem Begriff der Politischen Korrektheit wird auch die Beseitigung der Diskriminie- rung von Frauen in der Rechtssprechung und im Sprachgebrauch diskutiert (s. Wierlemann 2002:59). 2 Zu Etymologie und Import der Politischen Korrektheit (Political Correctness = PC) aus den USA s. Wierlemann 2002:55. Wierlemann zeigt, dass der Gebrauch des Akronyms PC zusätzlich zur Unverständlichkeit des Terminus beiträgt (s. ebenda:10). 3 Signifikant, d.h. das Bezeichnende oder der Wortkörper des sprachlichen Zeichens. Wierlemann zeigt Differenzen zwischen dem Begriff PC und seiner adjektivischen Form political correct auf (Wierlemann 2002:47). Paweł Bąk 356 nifikate verwiesen werden, die in einer anderen Kultur in vielerlei Formen exis- tieren. Importierte Erscheinungen und Verhaltensweisen, die man mit dem Ter- minus Political Correctness bezeichnet, können des Öfteren kulturell fremd und unnatürlich wirken. Sie werden nämlich oft auf eine künstlich-erzwungene Wei- se in die andere Kultur übertragen. Es ist daher möglich, dass diese Art und Weise, sprachlich korrekt zu agieren, zur Entstehung eines affektierten sprachli- chen Stils bzw. eines politisch korrekten Unstils4 führt. In diesem Sinne ent- spricht die Problematik des Beitrags der Thematik des vorliegenden Bandes. Bei vergleichender Perspektive bzw. paralleler Betrachtung der Politischen Kor- rektheit in zwei verschiedenen Kulturräumen können zwischen den Erschei- nungsformen der PC sowohl im außersprachlichen Bereich, d.h. in sozialen und öffentlich-medialen Zusammenhängen, als auch auf der sprachlichen Ebene (als verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten) bestimmte Divergenzen verzeichnet werden. Zweifelsohne können hierbei bestimmte Differenzen zwischen der Empathie in verschiedenen Gesellschaften, ihren Anzeichen sowie Ausdrucksformen beste- hen.5 Etwaige Unterschiede in der Realisierung der Idee der Politischen Korrektheit in der Sprache in zwei Kulturräumen sind nicht ausschließlich auf die unterschied- liche Mentalität, Denkweise oder Weltanschauung von Völkern zurückzuführen. Der Vergleich von sprachlichen Formen im Deutschen und Polnischen sowie die Überprüfung der Übereinstimmung von Ausdrucksmöglichkeiten in zwei Spra- chen nur im Hinblick auf die formale (morphologische) Ähnlichkeit bzw. Identi- tät zeigen, dass diesbezüglich zwischen dem Polnischen und Deutschen offen- sichtliche Unterschiede bestehen. Das betrifft nicht ausschließlich den Bereich des politisch korrekten sprachlichen Handelns, sondern auch andere Kommuni- kationsbereiche. Wird beispielsweise im Deutschen und Polnischen nach dem Beruf einer Person gefragt, so könnte man bei einer rein formalen Betrachtung der jeweiligen Fragen in den beiden Sprachen den trügerischen Eindruck gewin- nen, dass man im Polnischen mit dem Interrogativum kto (‘wer’)6 stärker die Persönlichkeit (1), den Menschen samt seiner ausgeprägten individuellen Eigen- art anspricht, während im Deutschen (1’) primär die Professionalität (was) „in Person“ erfragt wird: 4 Dieser Begriff wurde von Zdzisław Wawrzyniak am 15. Oktober 2009 auf der Konferenz „Text und Stil“ im Beitrag „Texte und Stile“ diskutiert. 5 Dies wird in einem anderen Zusammenhang thematisiert. 6 Kim ist die Lokativform von kto (‘wer’). Berufliche Frauenbezeichnungen oder weibliche Berufsbezeichnungen? 357 (1) Kim7 jest Pan/Pani z zawodu? / (1’) Was sind Sie von Beruf? Ähnlich könnte man anhand der deutschen Ausdrücke Schadenfreude und scha- denfroh weitere oberflächliche Urteile über die Mentalität der Sprachbenutzer fällen. Allein die Tatsache, dass im Polnischen für die deutschen Lexeme Scha- denfreude und schadenfroh keine direkten Entsprechungen vorliegen, müssen keine hinreichende Berechtigung für die Behauptung sein, dass ausschließlich Deutsche das Gefühl der Schadenfreude kennen.8 In den folgenden und weiteren Überlegungen wird davon ausgegangen, dass als Ursachen für eventuelle ähnliche Unterschiede im verbalen Bereich nicht nur ei- ne jeweils abweichende Mentalität und – im Falle der PC – eine andere Sensibi- lität in puncto Diskriminierung, sondern in erster Linie auch zwischen den Spra- chen bestehende sprachtypologische Unterschiede (s. Humboldt 1963 [1836]) und daraus resultierende unterschiedliche Konventionen angesehen werden kön- nen.9 Es wird versucht, pauschale Urteile bei der Beschreibung von sprachlichen Strukturen als imaginären, abstrakten Konstrukten zu vermeiden. Im Folgenden wird diese Problematik in kurzen Zügen u.a. anhand konkreter Ergebnisse einer Umfrage10 diskutiert, wobei zwischen dem Polnischen und Deutschen gewisse Asymmetrien belegt werden, die Kontroversen um den Begriff der Äquivalenz rechtfertigen können. Dies stellt den Ausgangspunkt zu weiteren Untersuchungen zur Äquivalenz am besagten Korpus dar, d.h. den Anlass zur Betrachtung im Rahmen von umfang- reicheren Zusammenhängen. Nachstehend kommen einige Belege zu Möglich- keiten der Bildung und Verwendung der Movierung im Deutschen und Polni- schen als prototypische Fälle der hier thematisierten Erscheinungen der auf die Geschlechter bezogenen PC zur Sprache. Die nachfolgenden und weiteren Überlegungen sollen Beispiele dafür liefern, dass interlinguale Konvergenzen sowie sprachliche Nichtübereinstimmungen Ursachen für Missverständnisse oder oberflächliche Urteile in der sprachenbe- zogenen nichtwissenschaftlichen Reflexion sind. Die Versprachlichung dersel- 7 Polnisches Interrogativpronomen wer im Instrumental. 8 Davon, dass es im allgemeinen Bewusstsein der Polen existiert, zeugt das Sprichwort Nie śmiej się bratku z cudzego przypadku (‘Lache nicht über den Fall des Anderen’). Auf der Grundlage des Sprichwortes können eventuelle kontextabhängige Äquivalente für Scha- denfreude bzw. schadenfroh gebildet werden. 9 Zu einer ähnlichen Feststellung in Bezug auf den geschlechtereinbeziehenden Sprachge- brauch in der Relation Englisch-Deutsch s. Freese 1999:21. 10 Die Umfrage wurde unter Frauen in Deutschland und Polen durchgeführt. Es handelt sich um sprachliche Daten im Fragebogen, die der Überprüfung dienen, inwieweit eine Aus- differenzierung von Geschlechtern in der sprachlichen Praxis im Deutschen und Polni- schen erfolgt bzw. erfolgen kann. Paweł Bąk 358 ben Inhalte wird jedoch in anderen Sprachen keinesfalls vollständig verhindert. Da die Diskussion darüber heutzutage weitgehend dem populärwissenschaftli- chen Diskurs (s. Zimmer 1998:105-180) bzw. unfachlichen Debatten schlechthin überlassen wird, erscheint m.E. das Vorhaben, auf die besagte Problematik ein- zugehen, als hinreichend motiviert. Sprachtheoretische Vorbemerkungen zur Betrachtung der PC Bestimmte semantische Funktionen werden nicht immer mit denselben morpho- logischen Mitteln (in zwei verschiedenen Sprachen oder intralingual betrachtet) expliziert. Bereits innerhalb eines Sprachsystems werden die gleichen Intentio- nen und Bedeutungen unterschiedlich ausgedrückt. Bisher wurde unter Heranziehung verschiedener Kategorien in vielerlei Kontex- ten, u.a. im Rahmen der Sprechakttheorie, der Metaphernforschung oder Phra- seologie, auf den Umstand hingewiesen, dass zwischen der Ausdrucks- und In- haltsseite11 nicht immer das Gleichheitszeichen gesetzt werden kann. In den je- weiligen sprachwissenschaftlichen Bereichen (beispielsweise der Pragmalinguistik, Rhetorik etc.) kann man die einschlägigen Schlussfolgerungen in aller Kürze folgendermaßen zusammenfassen: Bei der Interpretation von Äu- ßerungen in intra- und interlingualer Betrachtung kommt es nicht nur auf die Wörtlichkeit an.12 Oft besteht die Interpretation von Äußerungen in der Suche von impliziten (indirekt vermittelten) Inhalten, die sich zwischen den Zeilen verstecken. Angesichts der bisherigen sprachtheoretischen Erkenntnisse13 mag die folgende Feststellung als Binsenweisheit anmuten, sie bringt allerdings das in diesem Zusammenhang besonders aktuelle Bewusstsein von Grenzen der Er- fassung des Problems im Rahmen solcher Betrachtungen und auch die Ein- schränkungen der folgenden Überlegungen zum Ausdruck: Neben der Betrach- tung von Sprachen als statischen Systemen und Polylekten, können einzelne Phänomene und Sprachsysteme nicht als unveränderliche Konstrukte betrachtet und verabsolutierend kommentiert werden, denn die jeweilige menschliche Sprache ist – wie Franciszek Grucza zeigt – das Eigentum, Werkzeug bzw. Pro- dukt des Handelns von konkreten individuellen Personen. (s. dazu Grucza u.a. 11 Mit Ausdrucksseite ist die im semiotischen Dreieck von Ogden und Richards (1974 [1923]) als Form oder Formativ bezeichnete Komponente des sprachlichen Zeichens ge- meint. Als Inhaltsseite gilt die semantische Komponente (Bewusstseins- bild/Bewusstseinsinhalt oder Image). 12 In der Translation kann die Indirektheit als Merkmal der Formulierung in der Überset- zungsvorlage bezeichnet werden. Als indirekt können jedoch auch bestimmte Überset- zungsmethoden angesehen werden (s. dazu in Bąk 2010a:142-147). 13 Vorwegnehmend wird hierbei auf die Arbeiten zur anthropozentrischen Sprachentheorie, insbesondere von Franciszek Grucza (s. Grucza 1983 oder 1997) hingewiesen. Berufliche Frauenbezeichnungen oder weibliche Berufsbezeichnungen? 359 1983, 1997) Eine linguistisch fundierte und methodologisch abgesicherte Refle- xion soll u.a. im Bewusstsein der Existenz der polylektalen und idiolektalen Ebene erfolgen sowie mit Berücksichtigung der Tatsache, dass sich Polylekte aus konkreten Äußerungen von Individuen zusammensetzen und die Sprache nicht nur ein abstraktes, imaginäres System, sondern ein reales Faktum ist. Die Besprechung solcher (sprachlichen und sozialen) Phänomene wie PC weist eine weitgehende Komplexität auf, die die Diskrepanz zwischen PC als Denotat und PC als uploads/Litterature/ berufliche-frauenbezeichnungen-oder-weib.pdf

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