in: Estratto da Sensibilita e Razionalita nel Settecento, Florenz 1967, s. 459·
in: Estratto da Sensibilita e Razionalita nel Settecento, Florenz 1967, s. 459· 55 E.T.A. Hoffmann, Prinzessin Brambilla, 5. Kapitel. 56 Friedrich Schlegel, Fragment 668; in: ders., KA XVIII, S. 85. , 57,»In immer weiter potenzierter Reflexion« ist eine Anspielung auf Friedrich Schlegel, Athenäum-Fragment 116; in: ders., KA II, S. 182. 58 Peter Szondi, Friedrich Schlegel und die romantische Ironie; in: ders., Satz und Gegensatz, Frankfurt 1976, S. l7f.; Hervorheb. von mir. 59 Friedrich Schlegel, Athenäum-Fragment II6; in: ders., KA II, S. l82f. 60 Friedrich Schlegel, Über die Unverständlichkeit; in: ders., KA II, S. 369f. 61 Charles Baudelaire, Vom Wesen des Lachens, l.c., S. 293. 62 Ibd., S. 3or. 63 Georges Poulet, Mesure de l'instant, Paris 1968, S. 250. 64 Stephen Gilman, The Tower as Emblem; in: Analecta Romanica, Bd. 22, Frankfurt 1967. Autobiographie als Maskenspiel Die Theorie der Autobiographie wird immer wieder von Frage- stellungen und Betrachtungsweisen heimgesucht, deren Problem nicht einfach darin liegt, daß sie in die Irre führen oder an den Haaren herbeigezogen sind, ihr Manko ist vielmehr, daß sie den Blick von vornherein einengen, da sie von unhinterfragten Annah- men über den autobiographischen Diskurs ausgehen, die in Wirk- lichkeit äußerst problematisch sind. Das hat zur Folge, daß eine solche Theorie stets eine Reihe von hausgemachten Problemen mitschleppt, an denen sie, wie vorherzusehen, scheitern muß. Ei- nes dieser Probleme ist der Versuch, die Autobiographie so zu de- finieren und zu behandeln, als ob sie eine unter vielen literarischen Gattungen wäre. Da der Begriff der Gattung ebenso eine ästheti- sche wie eine historische Funktion bezeichnet, steht dabei nicht nur die Distanz auf dem Spiel, die den Verfasser der Autobiogra- phie vor seinen Erfahrungen schützt, sondern auch die mögliche Konvergenz von Ästhetik und Geschichte. Eine solche Konver- genz erhält beträchtliche Bedeutung, besonders wenn es um die Autobiographie geht. Begreift man die Autobiographie als eine Gattung, dann erhebt man sie über den literarischen Status einer bloßen Reportage, einer Chronik oder von Memoiren und weist ihr einen, wenn auch bescheidenen, Platz in der kanonischen Rangordnung der wesentlichen literarischen Gattungen zu. Dies geht nicht ohne Schwierigkeiten, denn die Autobiographie wirkt im Vergleich zur Tragödie oder zur epischen oder lyrischen Dich- tung stets ein wenig zweitklassig und dünnblütig, was ein Sym- ptom für ihre Unvereinbarkeit mit der monumentalen Würde ästhetischer Werte sein könnte. Zudem scheint sich die Autobio- 'graphie gegen ihre Statuserhöhung zu sträuben. Alle Versuche, sie als literarische Gattung zu definieren, scheinen sich hoffnungslos in Fragen zu verstricken, die ins Leere führen und auf die es keine Antwort gibt. Kann es vor dem r8. Jahrhundert schon eine Auto- biographie gegeben haben, oder ist sie ein spezifisches Phänomen der Vorromantik und der Romantik, wie die Vertreter einer Gat- tungsgeschichte zu glauben geneigt sind? Dann stellt sich aber sofort die Frage nach dem autobiographischen Element in den Be- kenntnissen des Augustinus, die trotz der in letzter Zeit unternom- r3r menen heroischen Anstrengungen bei weitem nicht geklärt ist. Kann eine Autobiographie in Versform geschrieben sein? Sogar einige der modernsten Theoretiker der Autobiographie verneinen das kategorisch, wenn sie auch keinen Grund angeben können, warum das nicht möglich sein sollte. Dann kommt Wordsworths The Prelude als Autobiographie nicht mehr in Betracht, was jedem mit der englischen Tradition befaßten Literaturwissenschaftler kaum einleuchten dürfte. Empirisch wie theoretisch erweist sich die Autobiographie als ungeeignetes Objekt für eine gattungstheo- retische Definition; jeder Einzelfall scheint eine Ausnahme von der Regel zu sein; jeder in Frage kommende Text scheint sich dem Zugriff zu entziehen und in benachbarte oder sogar in ganz fremde Gattungen abzugleiten; am entlarvendsten ist vielleicht aber die Tatsache, daß gattungstheoretische Diskussionen, die im Falle der Tragödie oder des Romans eine wichtige heuristische Funktion be- sitzen, von so lähmender Unfruchtbarkeit sind, wenn es um die Autobiographie geht. Ein anderer, immer wieder eingeschlagener Weg, sich der Auto- biographie zu nähern, beruft sich auf den Unterschied zwischen Autobiographie und Fiktion. Dieser Weg ist zwar nicht ganz so unfruchtbar wie der Versuch, sie als Gattung zu klassifizieren, aber zu einem klaren Ergebnis führt auch er nicht. Die Autobio- graphie scheint auf eine weniger ambivalente Weise als die Fiktion auf tatsächlichen und potentiell verifizierbaren Ereignissen zu be- ruhen. Sie scheint über eine einfachere Form der Referentialität, der Repräsentation und der Diegese zu verfügen. Sie kann zwar viele Phantasien und Träume enthalten, aber diese Abweichungen von der Wirklichkeit bleiben in einem einzigen Subjekt verwur- zelt, dessen Identität durch die unangefochtene Lesbarkeit seines Eigennamens definiert ist: Der Erzähler der Bekenntnisse Rous- seaus scheint durch den Namen und die Signatur Rousseaus auf eine umfassendere Weise definiert zu sein, als es, nach Rousseaus eigenem Bekenntnis, für den Erzähler der julie gilt. Aber sind wir uns wirklich so sicher, daß die Autobiographie von der Referenz auf dieselbe Weise abhängt wie ein Photograph von seinem Objekt oder ein (realistisches) Gemälde von seinem Modell? Wir nehmen an, das Leben würde die Autobiographie hervorbringen wie eine Handlung ihre Folgen, aber können wir nicht mit gleicher Berech- tigung davon ausgehen, das autobiographische Vorhaben würde seinerseits das Leben hervorbringen und bestimmen? Wird nicht 132 alles, was der Autor einer Autobiographie tut, letztlich von den technischen Anforderungen der »Selberlebensbeschreibung« be- herrscht und daher in jeder Hinsicht von den Möglichkeiten seines Mediums bestimmt? Und da das hier vorausgesetzte Funktionie- ren der Mimesis nur eine Art der Figuration unter anderen ist, so fragt sich, ob die Redefigur vom Referenzobjekt bestimmt wird oder ob es sich umgekehrt verhält: Ergibt sich die Illusion der Re- ferenz nicht als Korrelation der Struktur der Figur, so daß das »Re- ferenzobjekt« überhaupt kein klares und einfaches Bezugsobjekt mehr ist, sondern in die Nähe einer Fiktion rückt, die damit ihrer- seits ein gewisses Maß an referentieller Produktivität erlangt? Ge- rard Genette formuliert diese Frage in einer Anmerkung zu seiner Diskussion der figurativen Rede bei Proust sehr präzise. Am Bei- spiel des in der Beschreibung der Begegnung zwischen Charlus und Jupien verwendeten Bildes von den Blumen und den Insekten erörtert Genette eine besonders geeignete Verknüpfung zweier unterschiedlicher Figurations-Schemata. Ihre Wirkung resultiert aus einer »Konkomitanz«, von der man unmöglich sagen kann, ob sie Tatsache oder Fiktion ist. Denn »es reicht aus«, sagt Genette, »sich selbst (als Leser) außerhalb des Textes (vor ihm) zu lokali- sieren, um feststellen zu können, daß die Koordinierung manipu- liert worden ist, um die Metapher hervorzubringen. Nur eine Si- tuation, die dem Autor von außen durch die Geschichte oder die· Tradition aufgezwungen und daher (für ihn) nicht fiktional ist, ... läßt im Leser den Eindruck einer genetischen Kausalität entstehen, bei der die Metonymie als Ursache und die Metapher als Wirkung fungiert, nicht aber den im Falle einer hypothetisch reinen Fiktion stets möglichen Eindruck einer teleologischen Kausalität, bei der die Metapher der Zweck und die Metonymie das Mittel zum Zweck ist. Es ist klar, daß bei Proust jedes aus der Suche nach der verlorenen Zeit genommene Beispiel auf dieser Ebene eine endlose Diskussion in Gang zu setzen vermag zwischen einer Lektüre des Romans als Fiktion und einer Lektüre desselben Romans als Auto- biographie. Es ist vielleicht am besten, gar nicht zu versuchen, aus dieser Drehtür herauszukommen.«' Die Unterscheidung zwischen Fiktion und Autobiographie scheint also keine Frage von Entweder-Oder zu sein, sondern un- entscheidbar. Aber ist es wirklich möglich, wie Genette vor- schlägt, innerhalb einer unentscheidbaren Situation zu verbleiben? Wie jeder bezeugen kann, der einmal in einer Drehtür festgesessen 133 hat, ist dieser Zustand höchst unbehaglich, und das gilt für unseren Fall erst recht, da dieses Karussell in der Lage ist, sich immer schneller zu drehen, und seine Kreise in Wirklichkeit nicht sukzes- siv, sondern simultan zieht. Mit einem Unterscheidungssystem, das auf zwei Klassifikationsmöglichkeiten beruht, von denen so- wohl keine als auch beide zugleich zutreffen, läßt sich wohl kaum viel anfangen. Autobiographie ist damit keine Gattung oder Textsorte, sondern eine Lese- oder Verstehensfigur, die in gewissem Maße in allen Texten auftritt. Das autobiographische Moment ist der Prozeß ei- ner wechselseitigen Angleichung der beiden am Leseprozeß betei- ligten Subjekte, bei der sie einander gegenseitig durch gemeinsame reflexive Substitution bestimmen. Die Struktur impliziert sowohl Unterschiedlichkeit als auch Ähnlichkeit, da der die Subjekte kon- stituierende substitutive Austausch beides verlangt. Wenn ein Au- tor sich selbst zum Gegenstand seines eigenen Verständnisses macht, wird diese Struktur wechselseitiger Reflexion zu einem in- neren Textmerkmal, doch dies macht nur den weiter reichenden, mit jeder Autorschaft verbundenen Anspruch explizit, der immer dann vorliegt, wenn von einem Text gesagt wird, er sei von jemand und dieser Umstand sei für sein Verständnis von Bedeutung. Das heißt aber letztlich nichts anderes, als daß jedes Buch mit einem lesbaren Titelblatt in gewisser Hinsicht autobiographisch ist. Wenn wir aber aus diesem Grund behaupten wollen, alle Texte seien autobiographisch, dann müssen wir aufgrund desselben Merkmals auch sagen, kein Text sei autobiographisch. Die Schwierigkeiten der gattungstheoretischen Definition, die jede Be- schäftigung mit der Autobiographie infiziert, zeigen sich auch hier wieder als eine immanente Instabilität, die das Modell untergräbt, sobald es entworfen ist. Genettes Drehtür-Metapher hilft uns zu verstehen, warum dies der Fall ist: In ihr wird auch auf die dre- hende Bewegung der Tropen angespielt, und sie bestätigt, daß das Moment der wechselseitigen Reflexion keine sich ursprünglich ge- schichtlich ereignende uploads/Litterature/ de-man-autobiographie.pdf
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