Vorbemerkungen Zur Übersetzung Diese Übersetzung des Gauriel und weitere in die

Vorbemerkungen Zur Übersetzung Diese Übersetzung des Gauriel und weitere in dieser Reihe zukünftig erschei- nende richten sich grundsätzlich an studentische Benutzer. Viele Übersetzun- gen mhd. Texte schicken die Bemerkung voraus, daß ihr Ziel lediglich eine Hinführung zum Verständnis des Originals sei. Das Verständnis des Originals umfaßt aber mehr als einen Aspekt - und wie man manchen Übersetzungen entnehmen kann, ist mit dem Verständnis dort nur der Aspekt des Inhaltlichen gemeint, während das Verständnis grammatischer, rhetorischer, geschichtlicher usw. Implikationen des Textes zu kurz kommt. Dies liegt vielleicht daran, daß bei der Bestimmung des Zielpublikums durch Verlage, die nicht Fachverlage sind, sondern ein breiteres Programm anbieten (müssen), neben Studierenden und eventuell Lehrenden im Bereich der Altgermanistik auch noch die Gruppe der ‘interessierten Laien’ ins Auge gefaßt wird. Ich halte diese zwar weitgehend für eine Chimäre (vgl. Brandt 1991); aber die Übersetzungen sehen dann tat- sächlich oft so aus, daß auch der interessierte Laie, wenn es ihn denn in nen- nenswerter Zahl noch gibt, das Produkt goutieren kann. Wert gelegt wird an- scheinend vor allem auf ‘gutes Deutsch’ - will sagen eine Sprache, die den heutigen Standards angepaßt ist. Dadurch aber kommen die Ansprüche gerade studentischer Benutzer oft gewaltig zu kurz: Der heutige Sprachstandard unter- scheidet sich vom mhd. so gravierend, daß eine ‘gute’ Übersetzung ihre mor- phologische, syntaktische und semantische Genese fast völlig verstellt und permanent zu der Frage führt: ‘Wie kommt er/sie denn jetzt d a r a u f ? O- berstes Ziel einer Übersetzung für studentische Kreise, deren Sprachkenntnisse noch rudimentär sind, i s t es aber gerade, deutlich zu machen, wie es zu einer bestimmten Übersetzung gekommen ist. Das bedeutet oft den Verzicht auf ‘gutes Deutsch’ und bedingt im einzelnen etwa folgende Verfahrensweisen: Wortwiederholungen im Original, die nach ma. Empfinden 'schön' sind, neu- zeitlichem Geschmack aber entgegenstehen, werden in der Übersetzung meist nicht durch Variation kaschiert (vgl. das dreimalige hêr/herre in Vers 1665f.); das gleiche betrifft die Figur der adnominatio (s. Anm. 131, 1224/26: er sluoc ... einen slac; 1636f.: 'die Ritter ritten'. Manche Wortwiederholungen im Mhd. erklären sich allerdings auch dadurch, daß einzelne Wörter eine größere Bedeu- tungsbreite haben als ihre Nachfolger im Nhd. (vgl. etwa das formelhafte er sprach, das je nach Kontext ‘fragte’, ‘rief’, ‘sagte’ u.a.m. meinen kann, weil sprechen wohl bedeutet: ‘sich - in irgendeiner Art, zu irgendeinem Zweck - mündlich äußern’); daher kommt es, daß identische mhd. Begriffe nicht immer mit identischen nhd. übersetzt werden können.- Altertümliche Formulierun- gen werden in Kauf genommen, wenn der Sinn noch erkennbar ist und wenn dadurch grammatische Formen oder etymologische Zusammenhänge erkennbar werden (z.B. dûhte < dunken übersetzt als 'dünkte', wunne als ‘Wonne’). Auch sonst wird vom mhd. Wortlaut nicht abgewichen, wenn es nicht aus jeweils besonderen Gründen notwendig sein sollte: Die Empfehlung, mhd. Wörter grundsätzlich durch etwas anderes als durch den nhd. etymologischen Nachfol- ger zu übersetzen (Saran/Nagel, S. 3), ist eine gute Empfehlung für den, der selbst als Anfänger übersetzen will. Wer aber als Anfänger eine Übersetzung b e n u t z t , wird durch das Resultat eines solchen Verfahrens eher verwirrt.- Bilder, Vergleiche usw. werden beibehalten, auch wenn sie heute ungebräuch- lich sind, falls ihre Bedeutung noch erkennbar ist (z.B. 1441f.). Angestrebt ist zeilengetreue Übersetzung; von diesem Prinzip wird aber aus Rücksicht auf die neuhochdeutsche Syntax des öfteren abgewichen (zum Fortlaufen der Be- zifferung s.u.: Textgestaltung).- Parataxe wird, um den Stil des Originals spür- bar zu machen, meist nicht durch Hypotaxe wiedergegeben (z.B. Vers. 1051- 53). Die Parataxe ist nämlich, wie auf der anderen Seite die oft sehr elaborierten Hypotaxen zeigen (z.B. Vers 1077-83, 1134-39), ein bewußt angewendetes Stilmittel.- Auch dem neuzeitlichen stilistischen Empfinden umständlich er- scheinende Formulierungen (z.B. 1999f.) werden, so weit möglich, nachge- ahmt, um Semantik, Formen und Syntax des Originals einsichtig zu machen. Zusätze werden als solche kenntlich gemacht, um den Worlaut des Originaltex- tes nicht zu verstellen und andererseits immer wieder zu demonstrieren, wie sich sprachliche Möglichkeiten und die dahinterstehenden Vorstellungen ver- ändert haben.- Die Zeichensetzung der Ausgabe wird für die Übersetzung nicht als verbindlich erachtet: Interpunktion ist immer auch schon Interpretati- on, und wo die durch den Herausgeber Khull vorgenommene Interpretation nicht als zwingend betrachtet werden kann, wurde davon abgewichen. Oft ver- stellt die Interpunktion auch den Stil, z.B. wenn eine Reihe von Hauptsätzen aufeinander folgt und diese nur durch Komma getrennt werden (s.o. zur Parata- 2 xe); sie bleiben zwar syntaktisch auch dann Hauptsätze, es ergibt sich aber der Eindruck größerer Gegliedertheit. Aus diesen und anderen Verfahrensweisen resultiert allerdings, daß die optima- le Rezeption der Übersetzung nur im synoptischen Gebrauch mit dem Original liegen kann. Was in der Übersetzung 'seltsam', weil von Ausdruck, Stilistik, Syntax her ungewohnt erscheint, sollte Veranlassung sein, das Übersetzte am Original zu überprüfen und nachzuvollziehen. Der Bezugstext Der vorliegende Text ist eine Übersetzung der Ausgabe Khulls (s. Literaturver- zeichnis s.v. ‘Gauriel’). Dies Ausgabe bringt eine Menge von Problemen mit sich (s. z.B. die Anmerkungen 67, 100). Die wesentlichsten Einwände finden sich schon in der Rezension Steinmeyers (1888) versammelt: Wie die zahlrei- chen inhaltlichen Ungereimtheiten des Textes zeigen, war Khulls Methode der Herstellung des Originals verfehlt: „indem er der äußerlich sorgfältigeren Inns- brucker hs. (I) im allgemeinen den vorzug vor der Donaueschinger (D) gibt, spricht er nur diejenigen partien, welche beide mss. gemeinschaftlich enthalten, für das eigentum des dichters an und nimmt sie in seinen Text auf [...].“ (Stein- meyer S. 262) Es handelt sich also um einen durchaus künstlichen Text. Auf der anderen Seite hat Steinmeyer plausibel zu machen versucht, daß auch nicht alle in I und D deckungsgleichen Stellen Bestandteile des Originals oder des Archetypus gewesen sein können. Trotzdem habe ich mich entschieden, nur die Khullsche Edition zur Grundlage der Übersetzung zu machen - aus einem ganz pragmatischen Grund: Wer im Studium den Gauriel kennenlernt, kann ihn mangels anderer Ausgaben (oder besser - angesichts der Existenz einer Faksi- mile-Ausgabe von Wolf -: mangels einer anderen von Studierenden b e - n u t z b a r e n Ausgabe) nur in dieser Edition kennenlernen. Nachteile für das Veständnis habe ich ab und an dadurch auszugleichen versucht, daß ich in den Anmerkungen Plusverse aus I oder D zitiert habe; aus leichtverständlichen Gründen konnte dieses Verfahren aber nicht extensiv angewendet werden. Außerdem soll - s.o. - diese Übersetzung ja gerade dazu anhalten, den Apparat zu benutzen, und diesen Umweg nicht ersparen. In den Schlußteil habe ich (durch Kursivdruck und Einrückung kenntlich gemacht) den Passus der Hs. D eingearbeitet, in dem Konrad von Stoffeln als Autor genannt wird. Zur Textgestaltung der Übersetzung Die Versbezifferung erfolgt schematisch, d.h. Umstellungen in der Überset- zung gegenüber dem Original werden nicht vermerkt.- Zusätze (z.B. Vers 20) stehen in eckigen Klammern.- Eingerückte Textteile (z.B. nach Vers 8 oder 18) gehören noch zum vorhergehenden Vers.- Kreuze (†) vor und hinter einer Stelle oder einem Wort (z.B. Verse 310, 482) deuten an, daß die Übersetzung unklar ist. Ich habe keine Scheu offenzulegen, wo eine Stelle für mich schwie- rig oder problematisch zu übersetzen war; eine Kaschierung solcher Sachver- halte durch eine 'elegante', aber nicht nachvollziehbare Übersetzung würde die Verantwortung nur den Rezipienten zuschieben. Sinnlos wäre es auch, an ein- zelnen Stellen zugunsten bequemerer Übersetzungsmöglichkeiten auf Varianten aus dem Apparat der Ausgabe zurückzugreifen. Der Herausgeber hat sich bei dem von ihm hergestellten Text etwas gedacht (so steht jedenfalls zu hoffen ...); er hat also seinen Text durchgängig für übersetzbar gehalten; gegebenenfalls läuft hier die Übersetzungsarbeit also auf die Rekonstruktion des vom Heraus- geber in den Text hineingelegten Sinns hinaus. Zu den Anmerkungen Grundsätzliche, wertvolle Überlegungen zu Funktion und Beschaffenheit von Kommentaren finden sich bei Tervooren 1989 (zur praktischen Anwendung s. Tervooren 1991). Die Anmerkungen zu in dieser Reihe übersetzten Texten haben jedoch nicht den Zweck, einen fortlaufenden und vollständigen Kom- mentar zu liefern. Grammatische Erläuterungen sowie literatur-, kultur-, rea- liengeschichtliche usw. Hinweise erfolgen nicht systematisch, sondern spora- disch. Diese Reihe will Übersetzungen zum Eigenstudium oder für die Arbeit in Seminaren zur Verfügung stellen und die Arbeit mit dem speziellen Text nicht vorwegnehmen oder lenken; es werden also so gut wie keine interpretatorischen Hinweise gegeben. Jede neue Textlektüre sollte aber einerseits sprach- und literaturgeschichtliche Grundkenntnisse wieder abrufen und verfestigen, ande- rerseits natürlich die sprach- und literaturgeschichtlichen Kenntnisse ausbauen; daher erfolgen auch vereinzelt Hinweise auf Parallelen oder kontroverse Ges- taltungen in anderen mittelalterlichen Texten. Beabsichtigt ist, paradigmatisch auf Schwierigkeiten aus den angesprochenen und anderen Bereichen hin- zuweisen, wo nötig, auch die Übersetzung zu rechtfertigen und so den Blick dafür zu schärfen, wo ü b e r h a u p t Verständ-nisschwierigkeiten auftau- chen können. Zweck der Anmerkungen ist mithin, auf die grammatische, sprachliche und 'gehaltliche' I n t e r p r e t a t i o n s - b e d ü r f t i g k e i t dieses (wie jeden) Textes hinzuweisen. Dazu wird auch ab und an auf Varian- ten, Zusätze oder Auslassungen in anderen Handschriften verwiesen, um zum 3 Gebrauch der Apparate von Editionen anzuhalten. Im übrigen soll nicht zuletzt auch dort, wo Sekundärliteratur einbezogen wird, demonstriert werden, daß sich mit deren Hilfe uploads/Litterature/ gauriel-uebersetzung.pdf

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