Elke Donalies Sprache ist der beste Koch Ein linguistisches Menü p Sprache ist

Elke Donalies Sprache ist der beste Koch Ein linguistisches Menü p Sprache ist der beste Koch Ein linguistisches Menü Elke Donalies Bibliografische Information der Deutschen Na tionalbibliothek Die Deutsche Na tionalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Na tionalbibliografie; detaillierte bibliografi- sche Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. © 2010 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: http://www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: Informationsdesign D. Fratzke, Kirchentellinsfurt Druck und Bindung: fgb – freiburger graphische betriebe Printed in Germany ISBN 978-3-8233-6596-9 Elke Donalies ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Grammatik am Institut für Deutsche Sprache, Mannheim. Titelbild: forchetta con pomodorino, Anna Khomulo@www.fotolia.com Für Hans-Peter Steiniger, den weltbesten Sonderwunscheinkäufer und anregendsten Tellerleergenießer Inhalt Vorspeise Prototypische Ravioli „Ist dies eine gute Frage?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zwischengang Eine Prise Fleur de Sel und das Rauschen des Meeres Wollen wir Explizität empfehlen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Hauptgang Anbraten und ablöschen Was machen wir mit den unfesten Verben? . . . . . . . . . . . . 11 Lungenbraten Wollen wir des Volkes Etymologie bekriteln? . . . . . . . . . . . 21 Semmelnknödeln Was wollen wir als Fugenelement definieren? . . . . . . . . . . 31 Dessert Chaumes, le Pitchou, Reblochon und Roquefort Wieviel Variation vertragen wir? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Marmelade ist kein Obstsalat Wollen wir Zusammensetzungen semantisch ausbuchstabieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Und danach Voller Bauch studiert nicht gern Wollen wir vor Phrasemen warnen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Die Rezepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Vorspeise Prototypische Ravioli „Ist dies eine gute Frage?“1 • Lüdeling 2008, 79–94 tischt uns in ihrem Wortbildungskapitel als illus- trierende Beispiele Waldpilzsüppchen, Rinderbraten, Rotwein, Osterbrot und Schokoladenweihnachtsmänner auf. • Loppe 2010, 209 demontiert die Proto- typentheorie mit Gemüse, Pizza Hawai und Curry-Mango-Soße. • Und Bubenhofer 2009, 18 macht uns die so prototypischen wie demonstra- tionsobjektlichen Muster im Sprachge- brauch schmackhaft mit einem kulina- rischen Vergleich: „Genau so verhält es sich bei der Produktion von Ravioli. Der erste Prototyp der Ravio li, den ich aus dem Teig geschnitten, mit Füllung versehen und zusammengefaltet habe, erfüllt beide Funktionen. Er dient als Versuch, um zu sehen, ob die Aus- führungen im Rezept funktionieren, gleichzeitig als Vorlage für die weiter Gibt es ein „eigentliches kulinarisches Handeln, dessen Vermittler die Sprache ist“ (Riley-Höhn 1999, 23)? Nur ein Ver- mittler? Könnten wir denn ohne Sprache überhaupt kulinarisch handeln? Ist Ko- chen nicht eng verbandelt mit anderen Kulturtechniken, also auch mit Sprache? Vor allem mit Sprache? Jedenfalls essen und reden wir „mit dem selben Organ, die eine Tätigkeit befeuert die andere, und der Genuss verbindet beide“ (Wier- lacher 2009, 133). Oder kommt mir alles nur so sprachlich vor, weil ich Sprachwis- senschaftler bin? Andere Sprachwissenschaftler spre- chen beim Sprechen über Sprache al- lerdings auch ständig übers Kochen und Essen. • Heringer 1999, 232 warnt vor dem abstrahierenden Einkochen frisch ge- pflückter Bedeutungen, denn „Mar- melade ist kein Obstsalat“. 1 Ist dies eine gute Frage? ist „die legendäre Oxforder Prü- fungsfrage, die lautete: ‚Ist dies eine gute Frage?‘“ (Eagleton 2010, 11). Diese mit sich selbst beschäftigte Frage ist schon deshalb eine gute Frage, weil sie eine Frage ist. 2 Vorspeise zu erstellenden Ravioli“. Ich erstelle Ravioli übrigens so: Ravioli in Currybutter Ravioli füllen mit einer minimalistischen Paste aus geschredderten Flusskreb- sen, geschredderten, in Öl eingelegten getrockneten Tomaten, crème fraîche, Salz und grobem schwarzem Pfeffer. Die Ravioli garen. Eine halbe Stunde vor dem Servieren in einer zugedeckten Pfanne nebeneinander liegend sanft in Curry- butter vor sich hin schmurgeln lassen. Warum also nicht ein ganzes Buch lang Kochen und Sprachwissenschaft mitei- nander verbandeln? Ein paar gute Fragen der Sprachwissenschaft an lebensprallen Beispielen, Kontexten und Szenen aus der Küche durchdenken? Etwa die Frage, ob wir Orangenlikör und Puka-Puka-Likör zu einem Bedeutungsmuster zusammen- fassen wollen. Oder die Frage, ob wir Erbsencoulis gescheiter in Erbse-n-coulis oder in Erbsen-coulis unterteilen. Oder die Frage, ob wir Lungenbraten und Fleisch- pflanzerl zu Recht zu grundverkehrten Herleitungen erklären. Oder die Frage, ob die Varianten Feldsalat, Vogerlsalat, Rapun- zelsalat und Mausohr die Kommunikation stören. Oder die Frage, ob die Wendung Hunger ist der beste Koch so abgedroschen ist, dass wir sie eigentlich streng verbieten müssten. Oder die Frage, wie explizit wir sein sollten, zum Beispiel beim Aufschrei- ben von Kochrezepten. Zwischengang Eine Prise Fleur de Sel und das Rauschen des Meeres Wollen wir Explizität empfehlen? nymen Adressaten zum richtigen Ge- brauch verschiedener Gegenstände […] zur Herstellung von Gerichten. Die domi- nierende Funktion ist demnach eindeutig die appellative (hier sogar direkt instruk- tive)“ – und zwar: offen instruktive, un- verkennbar instruktive. „Zu-Instruierende verlangen eine effi- ziente, praxisnahe und erfolgsorientierte Wissensübertragung, die die zügige und unaufwändige Nutzung des Wissens er- möglichen soll“ (Scheiter et al. 1994, 9). Rezepte sollen also „möglichst klar und durchschaubar sein“ (Terglane-Fuhrer 1996, 98). Das klingt gut. Aber was ist klar, was ist durchschaubar, was ist ef- fizient? Wie sollen Rezepteaufschreiber Rezepte aufschreiben? Informativ, aber nicht informativer als nötig? Sollen sie Informationen möglichst explizit zu ver- stehen geben oder ist Implizites, Halbge- sagtes, Angedeutetes effizienter?1 Make your contribution as informative as is required for the current purposes of the exchange. Do not make your contribution more informative than is required. Paul H. Grice „Kommunikation im linguistisch und sprachphilosophisch relevanten Sinne heißt Mitmenschen beeinflussen, und zwar dadurch, dass man dem anderen mittels Zeichen (im weitesten Sinne) zu erkennen gibt, wozu man ihn bringen möchte, in der Hoffnung, dass diese Er- kenntnis für den anderen ein Grund sein möge, sich in der gewünschten Weise be- einflussen zu lassen“ (Keller 1995, 8). Natürlich ist nicht jede Kommuni- kation so freundlich und offen, aber Kochrezepte sind gute Belege für Kellers Definition. Nach Langer 1995, 269 sind Kochrezepte nämlich „Anleitungen oder Handlungsaufforderungen an einen ano- 1 Vgl. effizient und informa- tiv zum Impliziten Meggle 1999. 4 Zwischengang Mein sprachlich liebstes Rezept in meinem Lieblingskochbuch, in Reynaud 2009, steht auf Seite 140 und geht so: Thunfisch im eigenen Saft Eingelegte Sardellen Schwarze Oliven Hart gekochte Eier Rote Paprikaschoten Tomaten Olivenöl Fleur de Sel Dies sind die Grundzutaten für den klassi- schen salade niçoise! Fügen Sie noch das eine oder andere Grünzeug Ihrer Wahl hinzu, zum Beispiel grüne Bohnen, Gurken, Blattsalate … dann noch einen guten Schuss Olivenöl, eine Prise Fleur de Sel und das Rauschen des Meeres2 – perfekt! Und so liest sich das Rezept zum Beispiel in www.chefkoch.de (September 2009): 2 Zehen Knoblauch 2 EL Essig (Weißweinessig) 6 EL Olivenöl Salz und Pfeffer 120 g Bohnen (Prinzessbohnen) Salz 1 Paprikaschote, gelbe ½ Salatgurke 4 m.-große Tomaten 1 Bund Radieschen 200 g Thunfisch (in Öl) 50 g Sardellen (in Öl) 2 EL Kapern 120 g Blattsalat, gemischter (Kopf salat, Frisee, Radicchio) 3 Stiele Petersilie, glatte 4 m.-große Eier, hart gekocht 50 g Oliven, kleine schwarze (ohne Stein) Für die Vinaigrette die Knoblauchzehen fein würfeln und mit Essig und Olivenöl verrüh- ren. Mit Salz und Pfeffer würzen und bei- seite stellen. Für den Salat die Bohnen put- zen, halbieren und in kochendem Salzwasser 3 Minuten kochen. Dann abschrecken und in einem Sieb gut abtropfen lassen. Paprika längs vierteln, entkernen und in grobe Stü- cke schneiden. Salatgurke in 3–4 mm dicke Scheiben schneiden. Tomaten in Spalten schneiden. Radieschen putzen und in dünne Scheiben schneiden. Thunfisch in einem Sieb gut abtropfen lassen und grob auseinander zupfen. Sardellen in einem Sieb gut abtropfen lassen und schräg halbieren. Eier pellen und längs sechsteln. Alles mit Oliven, Kapern und geputztem Blattsalat auf eine Platte geben. Vinaigrette über den Salat gießen. Mit Petersi- lienblättern bestreuen. Natürlich uploads/s1/ elke-donalies-sprache-ist-der-beste-koch-leseprobe.pdf

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  • Publié le Mar 10, 2022
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