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1 Zazaki1 Mesut Keskin2 Abkürzungen und Symbole: <: entstanden aus >: entwickelt zu *: Rekonstruktion <>: orthographische Wiedergabe3 / /: Transkriptionsschrift []: IPA Widergabe NP: Neupersisch Miran.: Mitteliranisch Zaz.: Zazaki Sprache und ihre Sprecher/innen Zazaki ist die Sprache von schätzungsweise 4 - 6 Millionen Menschen, die hauptsächlich im Osten Anatoliens, in den Anfangsläufen des Euphrat und Tigris beheimatet sind. Eine bedeutende Zahl der Sprecher findet sich vor allem in den Türkeimetropolen Istanbul, Ankara, Izmir und Mersin, des Weiteren noch in europäischen Ländern wie Deutschland, Niederlande, Frankreich, Schweiz und Schweden. Es ist wahrscheinlich die einzige Sprache, die nicht außerhalb der türkischen Landesgrenzen beheimatet ist. 4 Es ist nach dem Türkischen und Kurdischen die drittgrößte Sprache. Geografisch zeigt sich das Zaza-Sprachgebiet relativ kompakt. Am häufigsten wird sie im Zentralgebiet von Dersim (Tunceli), Bingöl, Elazığ, im Osten Erzincans und Norden Diyarbakırs gesprochen. Im Gebiet des Ostens von Sivas, bekannt als Koçgiri und Karabel, wird in den Bezirken von Kangal, Zara, Ulaş, İmranlı, Divriği, Hafik und zu Tokat gehörende Almus, Kelkit und Şiran zu Gümüşhane, Varto zu Muş, Hınıs, Tekman, Çat und Aşkale zu Erzurum, zu Adıyaman gehörende Gerger, Siverek zu Urfa, Pötürge und Arapkir zu Malatya, gesprochen. Des Weiteren befinden sich in den Enklaven von Baykan (Siirt), Mutki (Bitlis), Sarız (Kayseri), Aksaray, Selim (Kars) und zu Ardahan gehörende Göle ebenfalls Zazas. Die benachbarten Sprachen dieser Siedlungsgebiete sind überwiegend Kurdisch5 (Kurmancî) und Türkisch. Früher wurde im fast ganzen Sprachgebiet auch Armenisch, teilweise auch Syrisch gesprochen. Religion Die Zazas bestehen etwa zur Hälfte aus sunnitischen Moslems, die andere Hälfte aus Aleviten. In den Gebieten von Koçgiri, Dersim, Erzincan, Kuzey-Bingöl, Varto, Hınıs, Tekman, Çat, Sarız, Göle und Selim gehören sie dem alevitischem Glauben, in den zentral und südlich gelegenen Gebieten dem sunnitischen Glauben an. Die sunnitischen Zazas aus den geografisch zentralen 1 Das Originale dieses Artikels ist erschienen in Herkesin Bildiği Sır: Dersim - Tarih, Toplum, Ekonomi, Dil ve Kültür (Mai 2010, İstanbul, İletişim Yayınları, Hrsg.: Şükrü Aslan). Vom Autor aus dem Türkischen übersetzt. Eigennamen und Bezeichnungen sind in männlicher Form aufgeführt um das Lesen nicht zu erschweren, wobei beide Geschlechter gemeint sind. 2 Magister Artium (M.A.), Frankfurt Johann-Wolfgang-von-Goethe Üniversiät, Vergleichende indogermanische Sprachwissenschaft. 3 Die orthographische Wiedergabe ist nach Jacobson (1993 und 2001). 4 Über die Zaza-Siedlungsgebiete in Batum (Georgien) oder Cambul (Kazachstan) liegen keine ausreichenden Belege vor 5 Mit Kurdisch ist hier der Iranistik entsprechend das Sprachkomplex Kurmancî, Soranî und Südkurdisch Kalhorī, Kermanšāhī gemeint. 2 Gebieten Elazığ, Bingöl-Zentrum, Genç, Solhan, des Weiteren Hani, Kulp, Lice, Ergani, Dicle, Eğil, Silvan, Hazro zu Diyarbakır, sowie Mutki und Baykan gehören der schafiitischen, ein Teil von Maden zu Elazığ, die aus Çermik, Çüngüş, Gerger und Aksaray der hanafitischen Schule des Sunnitentums an. Besonders unter den alevitischen Zazas sind viele Elemente und Bräuche aus der Naturreligion und Kultur der Region wie der Wallfahrtsstätten- und Engelskult bewahrt und mit dem neuen Glauben vermischt. Die Stammestrukturen haben in den letzten Jahrzehnten ihre Bedeutung deutlich verloren. In Gerger finden sich Zaza-sprachige assyrische Dörfer christlichen Glaubens, sowie in Dersim auch vereinzelt armenischstämmige Familien anzutreffen. Ethnizität Wurden über das Zazaki bisher relativ gute Forschungen getätigt, lässt sich dasselbe über den ethnologischen Aspekt nicht sagen. Der Ethnologe Peter Alford Andrews gibt in seinem Buch Ethnic Groups in the Republic of Turkey (1989) die Zazas als eine eigenständige ethnische Gruppe unterteilt in alevitische und sunnitische Zazas an. In vielen Quellen werden Zazas den Kurden, in einigen den Türken zugeordnet. Es gibt jedoch auch weitere Doktor- und andere Abschlussarbeiten sowie Artikel, in der die Zazas als eigenständige ethnische Gruppe angegeben werden: Kazım Aktaş (1999), Hüseyin Çağlayan (1995), Kahraman Gündüzkanat (1997), Krisztina Kehl-Bodrogi (1998), Selahattin Tahta (2002), Hülya Taşçı (2006), Gülsün Fırat (2010: 139), Eberhard Werner (2012, 2017), Esther Schulz- Goldstein (2013), Zeynep Arslan (2016) und Maria Philipp (2017). Die Eigen- und Sprachbezeichnungen der Zazas variieren regional. Diese sind stärker konfessionell oder ethnisch als national geprägt. Bezeichnen sich die Sprecher in der Region Koçgiri und Karabel generell als Zaza, ihre Sprache als Zazaki, so findet sich in der älteren Generation auch die Bezeichnung Ma „wir“ und Zonê Ma „unsere Sprache“. Dersim (im heutigen Sinne Tunceli, Mamekiye), Erzincan und Bingöl-Yayladere und -Yedisu bezeichnen sich die alevitischen Zazas als Kırmanc, ihre Sprache als Kırmancki -unter der älteren Generation ist auch Dımılki bekannt-, die sunnitischen Zazas der Nachbargebiete bezeichnen sie als Zaza, die sunnitischen Kurden als Khurr, die alevitischen Kurden als Kırdas, das Kurdische als Kırdaski6. Die alevitischen Kurden in Dersim bezeichnen die alevitischen Zazas als Lacek (wörtl. „Junge“) oder Dêsman „Dersimer“, ihre Sprache als Dêsımki „Dersimisch“ oder Dımıli. In den Gebieten Kiğı, Adaklı und Karlıova zu Bingöl, sowie Varto, Hınıs und Tekman hingegen bezeichnen sich die alevitschen Zazas als Şarê Ma „unser Volk“ oder Elewi „Alevite“, ihre Sprache als Zonê Ma, die sunnitisch kurdischen Nachbarn (manchmal auch Sunniten generell) als Khurmanc, die sunnitischen Zaza als Zaza oder Dılmıc. In Varto/Hınıs bezeichnen die Kurden das Zazaki nach den Zaza-Stammesnamen Loli oder Çareki. Die Eigenbezeichnungen der alevitischen Zaza wären am besten mit “alevitischer Zaza” oder “Alevite” zu übersetzen, zudem auch die ältere Generation im Türkischen sich als Angehöriger des “alevitischen Volkes” angibt. Von politischen Bewegungen beeinflusste, insbesondere unter der jüngeren Generation existieren zum Teil polarisierte Identifizierungen wie „Zaza, Kurde, Türke, Alevite, Dersimer”. In Dersim und Erzincan wird die Bezeichnung Tırk primär für sunnitische Türken, sekundär auch für alle Sunniten gebraucht.7 6 S. hierzu Cemal Taş (2007: 10): Roê Kırmanciye (Aus dem Munde von Hesen Aliyê Sey Kemali). 7 Die im türkischen Sprachgebrauch unter den alevitischen Zazas für das Zazaki teilweise verwendeten Bezeichnungen Dersimce (‘Dersimisch’), oder Alevice (‘Alevitisch’) werden in der Sprachwissenschft und auch im allgemeinen Sprcahgebrauch nicht bevrozugt, da nicht aller Dersimer oder Aleviten Zazaki sprechen, das Zazaki auch außerhalb Dersims oder der alevitischen Gebiete gesprochen wird. 3 Fast alle schafiitischen Zazas bezeichnen sich als Zaza und ihre Sprache als Zazaki, in den Gebieten Palu, Bingöl oder Dicle (Piran) existiert wenn auch vereinzelt parallel die Bezeichnung Kırd in Selbstreferenz. In Mutki und Baykan ist Dımıli gängig. Ihre kurdischen Nachbarn bezeichnen sie als Kurmanc ~ Kuırmonc oder Kırdasi. Die Zazas der hanafitischen Schule bezeichnen sich überwiegend als Dımıli, ortsweise auch als Zaza ihre kurdischen Nachbarn als Kırdasi. Unter den Sunniten, besonders unter der Altersgrenze der 60-70 jährigen verwendet man das Ethnonym Zaza oder Dımıli im nationalen oder allgemein die Zazas umfassenden Sinne. Die ersten Spuren der Bezeichnung Zaza, wenn auch nur geographisch, führen zu den altpersischen Behistun-Inschriften des Perserkönigs Darius (5. Jh. v. Chr., etwa 520), indem das Gebiet des oberen Euphrat “Zāzāna” bezeichnet wird. Eine der zahlreichen Quellen, wo der Name Zaza anzutreffen ist, ist der „Stammbaum des Kureyschan-Stamms“ (ein Priesterstamm der Zaza) datiert auf das Jahr 1329/30 (730 h.). Das Dokument, in der einige Zaza-Stammesnamen aufgezählt werden, lautet im arabischen Text die Eintragung eines ṭālib (alevitische Laie), angehöriger des Zāzā-Stammes: (ṭālib Mullā Banī min qabila Zāzā ﻁﺎﻟﺐ ﻣﻼ ﺑﻨﯽ ﻣﻦ ﻗﺒﻠﺔ ﺯﺍﺯﺍ “Der Laie Mollā Banī vom Stamme Zāzā”)8. Der Name Dımıli ist laut einigen Iranisten und Historikern auf das Gebiet Dailam im Norden Irans zurückzuführen, woher die laut der Theorie die Zazas stammen sollen.9 Im Armenischen werden die Zazas als Dlmik bezeichnet. Über die Bezeichnung Kırmanc gibt es keine wissenschaftlich ausreichend überzeugende Quellen. Es ist etymologisch auf die Eigenbezeichnung der Nord-Kurden Kurmanc10, im Sinne von “landlos, Landarbeiter“ zurückzuführen11. Auch wenn die Bezeichnung Kırd auf dasselbe Wort Kurd hindeutet, gebrauchen es die als Eigenbezeichnung verwendenden Zazas nur für sich, während sie die Kurden als Kurmanc oder Kırdasi bezeichnen. Neben Dlmik wird auch im Armenischen für die Zazas in einigen Quellen die Bezeichnung Zaza-K‘rder12 benutzt, womit es auch in Verbindung gebracht werden könnte. Die Stellung des Zazaki innerhalb den iranischen Sprachen Das Zazaki ist innerhalb der indogermanischen Sprachfamilie, dem indoiranischen Zweig angehörende iranische Sprachgruppe als eine nordwestiranische Sprache eingeordnet. Na LeCoq und Gippert sind die iranischen Sprachen wie folgt klassifiziert:13 NORDWESTIRANISCH: Hyrkanische Gruppe: Balōči, Sangesari, Gorani, Zazaki Karmanische Gruppe: Kurdisch, Sīvandī Medo-Kaspische Gruppe: Gīlakī, Māzandarāni, Sorcheī, Semnāni, Tāleši, Āsarī14 8 Selcan (2001: 2). 9 Die Dailam-Abstammungstheorie wird zuerst vom armenischen Autor Antranig in seinem Werk Dersim (1909) als These aufgestellt, später findet sie vom Iranisten F.C. Andreas Unterstützung. 10 Es ist möglich, dass bei benachbarten, miteinander verwandten oder nichtverwandten Volksgruppen Ethnonyma gleichen Ursprungs als Eigenbezeichnungen gebraucht werden. Z.Bsp. geht die Eigenbezeichnung Srb des südslavischen Volks der Serben mit der Eigenbezeichnung Serb der westslavischen Sorben auf denselben Ursprung zurück. Der Name Srb bedeutete ursprünglich „Stammes- oder Sippenverwandter, Verbündeter“. Ein anderes Beispiel wäre die hier erwähnte iranische Sprache Asari (Āḏarī), das auch für die oghusische Turksprache benutzt wird, wobei das Wort selbst auf die Bedeutung „Feuer“ zurückgeht, die Bezeichnung geografishen Ursprungs ist. 11 In Dersim bezeichneten die Priesterstämme die Laien oder auch die Lehnherren die Landlosen als Kırmanc. 12 S. hierzu Asatrian/Gevorgian (1988: 500): „The Armenians call the Zāzā dlmik or zaza-k‘rder. In latter case, the second part of the composite name, k‘rder (Kurds), denotes social status or mode of life rather than nationality. Thus, the same Armenian authors who use the term zaza-k‘rder in fact are distinguishing the Zāzā from the original Kurds.“ 13 http://zazaki.de/turkce/irani_diller_gippertlecoq.htm (Januar 2010) 4 SÜDWESTIRANISCH: Persisch, Tadschikisch, Tātī, Dialekte von uploads/Geographie/ mesut-keskin-zazaki.pdf

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