Barbara Duda Uniwersytet Jagielloński w Krakowie Bemerkungen zum Wandel des deu
Barbara Duda Uniwersytet Jagielloński w Krakowie Bemerkungen zum Wandel des deutschen Wortschatzes „Daß die Sprache in einem beständigen Wandel begriffen ist, ist etwas von ihrem Wesen Unzertrennliches.“ (Hermann Paul) „Im heutigen Deutsch findet sich jede vorangegangene Epoche wieder.“ (Hans Ulrich Schmid) Abstract Each natural language is constantly developing as long as it is used. But the development clearly shows that not everything from the language disappears completely. Many words cease to be independent and start existing as elements of compounds, as prefixes or suf- fixes without their independent meaning. The lost vocabulary, however, leaves traces in the language. Where can we find them? They can be found in compounds, proper nouns, names of professions, job, places etc. as well as fixed idioms. Key words: changes in the language, changes in the vocabulary, loses of the language, fossil of the language, recovery of the lost words Jede natürliche Sprache, solange sie gebraucht wird, entwickelt sich ständig. Aber die Entwicklung hindert nicht daran, dass manches als Versteinerung fortdauert. Die sprachlichen Innovationen treten auf allen Sprachebenen auf, aber sie sind am offensichtlichsten im Bereich des Wortschatzes, da der Wort- schatz mit dem Leben der Menschen, die sich seiner bedienen, aufs engste verbunden ist. Die Wörter passen sich immer den Bedürfnissen der Sprach- gemeinschaft an. Da sich die Bedürfnisse der Menschen ändern, muss sich Zeitschrift des Verbandes Polnischer Germanisten Czasopismo Stowarzyszenia Germanistów Polskich 3 (2014), 1: 13–21 doi:10.4467/23534893ZG.14.002.2283 www.ejournals.eu/ZVPG 14 Barbara Duda auch notwendigerweise der Wortschatz ändern (vgl. Polenz 1991: 38; Clé- ment 1996: 25). Der deutsche Wortschatz der Gegenwart ist das Ergebnis eines langen historischen Prozesses. Der Wortschatz, den das Deutsche aus dem Indo- europäischen und Germanischen ererbt hat, ist im Laufe der Entwicklung der deutschen Sprache mannigfaltigen Veränderungen unterlegen, bis er schließlich den heutigen Stand erreicht hat. Mit den Arten des Wortschatzwandels hat sich eingehend Horst Muns- ke befasst. Er unterscheidet 3 Hauptarten des Wortschatzwandels: Verän- derung der Zahl von Lexemen, Veränderung der morphologischen Gestalt von Lexemen, Veränderung der Bedeutung von Lexemen (Munske 1985: 37 angegeben nach Polenz 1991: 39). 1. Veränderung der Zahl von Lexemen Jedes Sprachsystem unterliegt im Laufe seiner Entwicklung quantitativen Veränderungen, die Zahl von Lexemen vermindert oder vermehrt sich. Die schriftliche Verwendung lässt es dazu kommen, dass die „Zuwachsrate“ im- mer größer gegenüber der viel geringeren „Abgangsrate durch aussterbende Wörter“ (Polenz 1991: 85f.) ist. Die Zahl von Lexemen vermindert sich infolge des Wortuntergangs. Die Wörter kommen außer Gebrauch, veralten und schließlich sterben sie aus, wenn kein Bedürfnis mehr besteht, sie zu gebrauchen. Der Prozess führt jedoch nicht dazu, dass die Zahl von Lexemen immer kleiner wird, denn in den Sprachen ist ein anderer Prozess wirksam, die Vermehrung der Zahl von Lexemen. Sie erfolgt auf zweifache Weise: durch Wortbildung und Wortentlehnung, wobei bei der ersteren zwei Möglichkei- ten in Frage kommen: Wortbildung ohne fremdes Vorbild und Wortbildung nach fremdem Vorbild. Bei Wortentlehnung unterscheidet man zwischen Wortübernahme oder Wortersetzung (Lehnprägung). 2. Veränderung der morphologischen Gestalt von Lexemen Die Veränderung der morpholgischen Gestalt von Lexemen erfolgt durch zwei quantitative Veränderungen: morphologische Kürzung und morpholo- gische Dehnung und einen qualitativen Prozess: morphologische Substituti- on. Zu den Faktoren, die die Veränderung der Sprache bedingen, gehört u.a. die sprachliche Ökonomie. 15 Bemerkungen zum Wandel des deutschen Wortschatzes Die Sprachteilhaber können bei Bedarf (aus Bequemlichkeit, aus Zeitnot, zur Ma- terialersparnis usw.) viel vom expliziten Ausdruck einsparen, da sie damit rechnen können, dass die Rezipienten das Nichtausgedrückte aus den nichtsprachlichen Kommununikationshandlungen (Gestik, Mimik), aus der Situation, aus dem ge- meinsamen Vorwissen usw. ergänzen können (Polenz 1991: 29). Deshalb scheint es, dass die morphologische Kürzung häufiger als mor- phologische Dehnung vorkommt. „Kurze Wortformen werden eher ange- nommen und finden sich schneller Verbreitung als längere Äquivalente. Sie sind im Sprachgebrauch ökonomischer“ (Heusinger 2004: 42). Der Ge- brauch von Kurzwörtern statt langer Zusammensetzungen kann ein Beweis dafür sein, vgl. Beispiele aus der sozialen Varietät der deutschen Studenten: Uni < Universität, Prof <Professor, Bib <Bibliothek, Assi <Asssistent, Hiwi < wissenschaftliche Hilkfskraft (Polenz 1991: 64). Es kommt auch vor, dass bei Ableitungen die Suffixe ausgelassen oder mehrgliedrige Zusammensetzun- gen zweigliedrig werden: Beweggrund < Bewegungsgrund, Bindemittel < Bin- dungsmittel, Schnittsverdienst < Durchschnittsverdienst. Was die morphologische Substitution anbelangt, ist sie öfters festzustellen. Die Veränderungen auf der lautlichen Ebene führen dazu, dass sich die Gestalt der Morpheme verändert. Die älteren Morpheme werden durch neue ersetzt, z. B. das mhd. lîb durch das neue Leib infolge der Diphthongie- rung des langen î. 3. Veränderung der Bedeutung von Lexemen Zur Veränderung der Bedeutunng von Lexemen kommt es infolge der Ver- mehrung oder Verminderung der Sememe, d.h. die Zahl der Bedeutungs- varianten der Lexeme kann größer oder kleiner werden, z.B. das Wort Horn wird heute auf mehr Gegenstände bezogen als früher, was strukturalseman- tisch als Reduzierung distinktiver Merkmale erklärt wird. Heute bezieht sich das Wort nicht nur auf den Körperteil, sondern auch auf nichtorgani- sche Gegenstände wie ‚Trinkgefäss‘ oder ‚Musikinstrument‘ und somit muss das Merkmal ‚organisch‘ als plus und minus markiert werden. Die Zahl der Sememe hat sich also vemehrt. Das Wort Hochzeit hat seine Bedeutung verengt, es bezeichnet nicht mehr alle kirchlichen und weltlichen Feste, sondern nur eine bestimmte Art des Festes, was strukturalsemantisch als Erhöhung distinktiver Merkmale erklärt wird. Das Wort bekam das zusätzliche Merkmal ‚Eheschließung‘ und somit hat sich die Zahl der Sememe vermindert. Die Vermehrung der Sememe kann erfolgen • entweder durch Bedeutungsentlehnung, • oder durch Bedeutungswandel, bedingt durch Sachwandel, 16 Barbara Duda • oder Bedeutungsbildung, die metaphorische oder metonymische Übertragung und Ellipse umfasst (vgl. Munske 1985: 37 angegeben nach Polenz 1991: 38–39) Im weiteren Teil des vorliegenden Aufsatzes wird man sich vor allem auf den Wortuntergang konzentrieren, der meiner Ansicht nach von großem Interesse ist. Die Entwicklung von Sprachen zeigt deutlich, dass nicht al- les völlig aus der Sprache verschwindet. Viele Wörter, die selbständig nicht mehr vorkommen, leben als Bestandteile von Zusammensetzungen, als blo- ße Vorsilben oder Nachsilben ohne eigenständige Bedeutung fort. Mit Recht bezeichnet Franz Stark „die Sprache“, insbesondere ihren Wortschatz, „als Gedächtnis des Volkes“, das sich seiner bedient (Stark 1993: 31–33). Die Sprache, besonders der Wortschatz, dient als wichtige Geschichts- quelle. Sie ermöglicht einen Einblick in das Leben der Menschen in älteren Zeiten. „Hinter vielen zusammengesetzten Begriffen stecken oft unerwar- tete und kulturgeschichtlich recht erhellende Bilder“ (Stark 1993: 31). Aber auch in einfachen Wörtern leben Vorstellungen fort, die den Deutschen nicht mehr bewusst sind, z.B. das Wort Vormund der Gegenwartssprache hat nichts mit dem gleichlautenden Wort Mund zu tun. Es steckt darin das alte germanische Rechtswort mit der Bedeutung ‚Schutz‘ (verwandt mit lat. manus ‚Hand‘), das wahrscheinlich wegen der Ähnlichkeit mit dem Namen des Körperteils untergegangen ist. Erhalten geblieben ist es nur im oben- genannten Wort Vormund, aber auch in Wörtern mündig, unmündig. Man könnte noch viele solche Beispiele anführen. Ein interessantes Beispiel gibt Stark an. Er erklärt nämlich, wie die Wörter elf und zwölf zu interpretieren sind. Sie gehen nämlich auf die ahd. Formen ein-lif, zwei-lif zurück, die das Wort lif erkennen lassen, was ur- sprünglich ‚übriggelassen‘ bedeutete. Elf, zwölf bedeuten also „,eins übrigge- lassen‘ bzw. ‚zwei übriggelassen‘, wenn man zehn abgezogen hat oder bis zehn gezählt hat“ (Stark 1993: 31). Das verschollene Wortgut hinterlässt also Spuren in der Sprache. Wo sind sie zu finden? Die Zusammensetzungen, die Personennamen, Berufsnamen, Ortsna- men und andere Namen, aber auch feste Wendungen sind diejenigen Ele- mente der Sprache, in denen die untergegangenen Wörter am häufigsten an- zutreffen sind. Im Folgenden werden konkrete Beispiele angeführt, in denen das verschollene Wortgut bewahrt worden ist. 17 Bemerkungen zum Wandel des deutschen Wortschatzes Meineid Es ist eine gemeingermanische Zusammensetzung. Der erste Teil geht auf das noch im Mhd. selbständig vorkommende Adj. mein ‚falsch, frevelhaft‘ zurück. Raufbold, Witzbold, Trunkenbold Der zweite Teil der Zusammensetzungen ist das ahd. Adj. baldo, dessen ur- sprüngliche Bedeutung ‚kühn‘ war. Es steckt auch in deutschen Personenna- men, dann aber ist das Wort Paul zufolge zum leeren Wortbildungselement errstarrt worden, wovon die oben genannten Belege aus der deutschen Ge- genwartssprache zeugen (vgl. auch engl. bold ‚kühn, tapfer, mutig‘, schwed. bald). In manchen Zusammensetzungen beobachtet man auch, dass die Wörter semantischen Wandlungen unterlegen sind. Schlüsselbein, Elfenbein, Eisbein Der zweite Bestandteil der Zusammensetzungen war das gemeingerm. Wort mit der Grdb. ‚Knochen‘ (mhd. ahd. bein, vgl. auch engl. bone ‚Knochen‘, schwed. ben ‚Knochen, Bein‘). Die urspr. Bdtg. lebt in den obengenannten Beispielen und auch im Wort (die) Gebeine nach. Geizkragen Das Wort lässt die alte Bdtg. des Wortes Kragen erkennen. Es bezeichnete nämlich ‚Hals von Tier und Mensch, Nacken‘. Infolge der Bedeutungsbil- dung (metonymische Übetragung) entwickelte das Wort die heutige Be- deutung. Die ursprüngliche Bedeutung steckt ebenfalls in manchen festen Wortverbindungen mit dem Bestandteil Kragen wie: j-m den Kragen umdre- hen (ugs.), Kopf und Kragen riskieren/wagen/aufs Spiel setzen/verlieren. Weihnachten Zugrunde liegt das Adjektiv ahd. wîh mhd. wîch. Es war das gemeingerma- nische Adjektiv mit der Bdtg. ‚heilig‘. Es konkurrierte mit dem ahd. Wort heilag, das sich schließlich durchsetzte. Aber das mhd.Wort wîch lebt als Versteinerung in Weihnahten fort, das sich aus der ursprünglichen Dativ- form (mhd. ze (den) wichen nachten ‚in den heiligen Nächten‘) entwickelt hat. Vgl. auch Fastnacht, Zwölfnächte‚ die Zeit vom 24. Dezember uploads/Geographie/ zvpg-3-1-13-21.pdf
Documents similaires
-
19
-
0
-
0
Licence et utilisation
Gratuit pour un usage personnel Attribution requise- Détails
- Publié le Mai 23, 2022
- Catégorie Geography / Geogra...
- Langue French
- Taille du fichier 0.0938MB