1 woerterbuchnetz.de Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm wah
1 woerterbuchnetz.de Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm wahr, adj.der wirklichkeit gemäsz, verwirklicht, wirklich, echt und recht, naturgetreu, wahrhaft u. s. w. I.formales. 1)über die herkunft des wortes kann nicht mit voller sicherheit geurtheilt werden. es ist auffallenderweise auf das deutsche und das friesische beschränkt: ahd. wâr Graff1, 913f. (daneben wâri), mhd. wâr (daneben wære), asächs. mnd. wâr, ndl. waar, afries. wer, saterld. wer, nfries. wier, nordfries. wer Richthofen1135; ags. w!r in der genesis steht nur in dem aus dem asächs. übersetzten theil dieses gedichts. sonst wird der begriff 'wahr' im germ. durch andre wörter wiedergegeben: ags. só!, anord. sannr, got. sunjis. wahr läszt sich etymologisch an wörter anreihen, die auch auszerhalb des deutschen vorkommen: got. tuzwêrjan schwergläubig sein, ahd. zurwâri suspiciosus, scandalizatus und das fem. ahd. wâra, ags. w!re bündnis, vertrag, anord. plur. várar gelöbnis (s. DWB wahre), an das sich auszerhalb des germanischen aslav. v"ra, lit. wi#ra 'glaube' anschlieszt. bei zusammenhang mit diesen wörtern würde sich für wahr bei activischer auffassung die grundbedeutung 'glaubend, vertrauend', bei passivischer die von 'geglaubt, angenommen' ergeben; letztere tritt beim simplex allein hervor, während got. tuzwêrjan, ahd. zurwâri auf die erstere hindeuten. zu einem activischen wahr 'vertrauend' gehört vielleicht auch got. unwêrjan unwillig sein, ahd. alawâri benignus (dazu anord. ölv!rr, ags. ealwerlíce), mitiwâri mansuetus, mitis; indessen ist es wahrscheinlicher, dasz diese wörter (Osthoffstellt sie zu hom.!$"!"#aus -!!"#angenehmes, erwünschtes,!$$#"#%&'angenehm, behaglich,!$"!"&'angenehm, lieb und wert) nicht mit wahr verwandt sind. wahr kann aber auch von lat. verus nicht getrennt werden, zu dem wieder altir. fír gehört. in der bedeutung gehören verus und wahr so nahe zusammen, dasz ein näherer zusammenhang unzweifelhaft besteht. entlehnung des deutschen wortes wäre bei seiner beschränkten verbreitung nicht undenkbar und hätte eine analogie an sicher, doch wird man das wort ungern aus dem zusammenhang mit den oben angeführten wörtern herausreiszen, auch ist die nebenform wâri zu 2 berücksichtigen. wahr wird daher doch ein echt germanisches wort sein, das aber im deutschen (wo das simplex allein erhalten blieb) frühzeitig unter den einflusz von verus geriet und in der bedeutungsentwicklung durch dies bestimmt worden ist. namentlich der attributive gebrauch als 'wirklich, recht' hat sich deutlich unter einflusz der kirchlich - lateinischen litteratur entwickelt und erst allmählich erweitert; mehr der volkssprache angemessen ist wahr von reden und aussagen (prädicativ und attributiv), hat sich vielleicht aber auch erst [Bd. 27, Sp. 690] unter einflusz eines verus der latein. rechtssprache weiter ausgebreitet (s. das nähere unter II, 1). später haben auch die romanischen sprachen das wort beeinfluszt. — ist wahr, wenn auch nur seinem kerne nach, ein echt germ. wort, das mit lat. verus in verwandtschaft steht, so ist es erlaubt nach der gemeinsamen wurzel der beiden wörter zu fragen.Klugeetym. wb.6 412 führt sie 'durch eine vorhistorische mittelform wesró-' auf die wurzel wes 'sein' zurück. dagegen bringenSchadealtd. wb.2 1095 undFickvgl. wb.14, 553die wörter in zusammenhang mit wehren und wahren, so dasz die grundbedeutung die von 'gesichert, geschützt', dann 'sicher und fest, allgemein angenommen, glaubwürdig' u. s. w. ist. auchHeyne in seinem wb.3,1324bezeichnet wahr als eine 'ehemals reduplizierende intensivbildung zu dem verbum warôn, hüten, schützen, bewachen, ursprünglich rechtswort, auf das stehen zu einer behauptung und beweisen derselben bezüglich'. endlich bringtBremerin Paul-Braune's beitr.11, 274das wort in einen näheren zusammenhang zu wahn, indem er von dem germ. wêro- als suffix -ro- abtrennt. alle diese vermutungen können auf wahrscheinlichkeit keinen anspruch machen. 2)das mhd. wâr hat die form wor neben sich, die besonders in späteren md. quellen (z. b. dem Alsfelder passionsspiel) und dem elsässischen (z. b. inClosenersStraszburger chronik) erscheint. auch in Straszburger und Baseler drucken kommt noch wor (wohr) vor, namentlich in dichtungen, wie beiBrantundMurner.selbstFischartmacht in reimen noch von der form wor gebrauch, z. b. flöhhatz 599. glückh. schiff 358. von wörterbüchern hat nurDasypodius461a wor, natürlich, gnesius, germanus, nativus, verus, dagegen 452b war, verus. die zuweilen vorkommenden formen ware (städtechr. 8, 118, 16. H. v. BühelDyocletianus8371) und wore (städtechr. 8, 47, 25), beruhen auf einer schriftsprachlichen erweiterung, die sich namentlich in der kanzleisprache zeigt, gesprochen wurden die zweisilbigen formen nicht. — die schreibung wechselt im älteren nhd. zwischen war (wie auchLutherhat) und wahr. war steht noch beiHulsius273, Schönsleder Kk 5bundKrämer1209, dagegen hatSchottel1439 wahr undStieler2413sagt ausdrücklich 'wahr non war'. II.bedeutung und gebrauch. wie oben bemerkt worden ist, wird als grundbedeutung von wahr die von 'geglaubt, allgemein angenommen' anzusehen sein. es ist indessen auf keinen fall 3 möglich, alle hervortretenden bedeutungen ohne weiteres aus dieser grundbedeutung abzuleiten. vielmehr steht wahr in seiner anwendung im engsten zusammenhang mit lat. verus und die bedeutungsentwicklung geht im ganzen parallel derjenigen, welche dies wort im lateinischen und später in den den romanischen sprachen erfahren hat. es wird daher geraten sein, die einzelnen gebrauchsweisen für sich ins auge zu fassen und bei jeder nach dem ausgangspunkt und dem wege, auf dem die weiterentwicklung erfolgte, zu fragen. zuerst wird auf den gebrauch in der rechtssprache zu achten sein, denn wenn auch wahr kaum mitHeyneals ursprüngliches rechtswort zu betrachten ist (es geht vielmehr wol allgemein auf treu und glauben zwischen person und person), so ist doch nicht unwahrscheinlich, dasz die rechtssprache ganz besonders zur festsetzung und ausbreitung des wortes im deutschen beigetragen hat. wahr als rechtswort bezeichnet das rechtlich unanfechtbare und erwiesene, eine bedeutung, die nicht ohne weiteres aus einer der gewöhnlichen bedeutungen des wortes abgeleitet werden kann und den eindruck hoher alterthümlichkeit macht. auf die entwicklung dieser bedeutung ist das lat. verus, das in der rechtssprache ähnlich verwendet wird, schwerlich ohne einflusz gewesen. 1) wahr in der rechtssprache. schon im altlat. wird verus als 'wahr, recht' gegenüber falsus 'falsch, nur vorgeblich' namentlich auch in der rechtssprache verwendet, steht also für legitimus 'rechtlich anerkannt, rechtlich giltig', vgl. beiDirksenmanuale latinitatis fontium juris civilis romanorum994 verus heres, verus procurator, verus dominus, verus debitor, verus filius, verum debitum. dieser gebrauch von verus für das, was vor gericht anerkennung findet, wird im lat. des mittelalters noch erweitert, namentlich wird verus auf die rechtsgiltigkeit der urkunden angewendet, vgl.: de cartis, quae a quibusdam personis falsae appellantur, constituimus, ut, si notarius superfuerit et testes, ipsi eam veram et idoneam faciant; et si testes mortui fuerint et notarius superfuerit, cum duodecim juratoribus veram et idoneam eam faciat. mon. Germ., legum sectioii, 2, 91, 13 (capitular Ludwigs II. v. j. 856). ferner wird das wort gebraucht von indicien: si eventus egritudinis, commotio tempestatis, inundatio fluminis, conspersio nivis, vel si quid inevitabile noxie rei obviasse veris patuerit indiciis, non erit reus regie jussionis aut damnis indictis, cui obvians fuit causa manifeste [Bd. 27, Sp. 691] necessitatis. i, 1, 79, 20 (lex Visigothorum 2, 1, 31). von besitzübergabe: si etiam provenerit, ut quod donatur longe sit positum, pro id donatio evacuari non poterit; quia tunc videtur vera esse traditio, quando jam aput illum scriptura donatoris habetur, in cuius nomine conscripta dinoscitur. i, 1, 21, 23 (5, 2, 6). namentlich wird verificare (franz. vérifier) häufig vom nachweis der rechtlichen unumstöszlichkeit einer sache gebraucht. im afranz. kommt in demselben sinn auch mettre en voir vor 'établir juridiquement la vérité d'une chose'. Godefroydict. de l'ancienne 4 langue française8, 285. das auftreten von wahr 'rechtlich anerkannt, rechtlich unumstöszlich' (von rechtsgeschäften, rechtlichen abmachungen, behauptungen vor gericht u. dgl.) in der deutschen rechts- und urkundensprache läszt sich nach der natur der dinge erst vom 13. jahrh. an verfolgen, doch fehlt es nicht ganz an spuren des juristischen wortes in der älteren litteratur (vgl. DWB wahre schuld und auch unten 3, a,( wâr lâ"en, das vielleicht hierher zu ziehen ist). a)prädicativ: wahr sein, bleiben, besonders in schluszformeln von urkunden beliebt. wahr pflegt mit bedeutungsverwandten adjectiven wie stät, ganz, unwandelbar u. dgl. verbunden zu sein. #) da" das ware si, da" dirre kouf mit gerihte geschæhe, so heinkin wir unserre stete insigil von Ehingen an disen brief. ulmisches urkundenbuch 1, 237 (1297); das dis war und gantz sie, des geben wir ... disen brief besigelt mit unserm insigel. 1, 247 (1291); da" also war si und unwandelbar belibe, swa" da ist geschriben, dar umbe haben wir ze einer warheit der selben dinge unserr stet insigel an disen brief gehenchet. 2, 6 (1316); wir ... vergiehen aller der dinge die hie vorgeschriben stant, das diu war sint und binden uns sie zebehaltend bi dem aide als wir gesworn haben. monumenta Zollerana 1, 267 (1319). () da" dis stete belibe und war, des gib ich ... disen brief. ulmisches urkundenbuch 1, 281 (1303); und da" also wær und stæte belibe, swas da geschriben ist, dar umbe gib ich im disen brief. 1, 311 (1312); darumb, da" ditz geschæft wor und unzerprochen beleibe, so vervesten wir und versigeln disen brief mit unserm aygen insigel. monumenta Zollerana 2, 53 (1314); da" enkein únser burger hinnanhin uff den andern enkein giselschaft dingen noch setzen sol ... und sol dis war und stett beliben von disem hútingen tag hin untz uff die nechsten wiennacht. Zürcher stadtbücher 1, 229 Zeller-Werdmüller; da" der selb brief billich, war und st t sol beliben. 1, 251. b)in andren häufigen formeln hat sich wahr zum adv. entwickelt: das es ouch bi der selben ir erkantnüsse nu und her nach eweklich war und stät unwandelber beliben sol. uploads/Geographie/ wahr-etymologie-pdf 1 .pdf
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- Publié le Jan 17, 2022
- Catégorie Geography / Geogra...
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