Formalismus (Kunstgeschichte) Der Begriff Formalismus bezeichnet eine kunsthist

Formalismus (Kunstgeschichte) Der Begriff Formalismus bezeichnet eine kunsthistorische Methode zur Interpretation eines Kunstwerkes. Der Wert des Werkes liegt dabei in der Autonomie der Form. Die formalistische Betrachtung von Kunst betont Qualitäten wie z. B. Komposition, Farbe, Linien und Textur. Inhaltliche Aspekte und Bezüge wie Thema, Entstehungsgeschichte des Werkes, historischer Kontext und Biografie des Künstlers, sind sekundär bzw. werden nicht behandelt. Die Formalisten, als wichtigste Vertreter Heinrich Wölfflin und Alois Riegl, strebten eine vergleichende Stilanalyse an, die frei von persönlicher Wertung sei und das hermeneutische Problem der Kunstgeschichte zu lösen vermöge. Die formalistischen Ideen des 19. Jh. dienten der Modernen Malerei als Impuls, sich freier zu entfalten und auf die ästhetische Wirkung von Form und Struktur zu konzentrieren. Der Begriff des Formalismus lässt sich somit auch auf die Bildende Kunst ausweiten, z. B. auf die Abstraktion. Anfänge des Formalismus Die Ursprünge des Formalismus sind bereits in der Antike zu finden, z. B. in dem Gedanken, dass das Universum von numerischen Beziehungen beherrscht wird. Der Begriff der Form verstand sich in der Antike als Qualität der Dinge, die allem innewohnt. Platon erklärt in seiner Ideenlehre die Wahrnehmung des 'eidos' (Gestalt oder Form) eines Dinges als ein bloßes Abbild des wirklich Seienden. Einige Kunsthistoriker sehen dabei die Form der Kunst als Blick auf die Wirklichkeit. Platons Schüler Aristoteles begriff die Kunst als ein Prozess der Formgestaltung analog zu den Prozessen der Natur. Diese Überlegungen wurden in der Renaissance weiterentwickelt. Der humanistische Philosoph Benedetto Varchi definierte die Aufgabe des Bildhauers als „Zeichner“ des Wirklichen aus dem potenziellen Sein. Im Zeitalter der Aufklärung entstand die Annahme, dass die Erfahrung eines Kunstwerks weder rein sinnlich noch rein rational sein könne, und dass eine ästhetische Erfahrung klar unterschieden werden müsse von anderen Erfahrungsarten. Bspw. bei der Betrachtung eines Gemäldes mit der Darstellung der Anbetung der Könige, ein bekanntes biblisches Bildmotiv, ist man geneigt, den religiösen Inhalt zu interpretieren und vernachlässige dabei, laut der frühen formalistischen Ideen, die ästhetische Erfahrung des Gemäldes. Der Philosoph Immanuel Kant erkannte die Bedeutung des Formalismus in seiner Kritik der Urteilskraft (1790). So bestehe „in aller schönen Kunst das Wesentliche in der Form“. Des Weiteren räumte er ein, dass Schönheit als Symbol des Guten und die ästhetische Erfahrung eine moralische Resonanz hervorbringen könne. Friedrich Schiller, die Ideen des Aufklärers Kants in Richtung der Romantik treibend, hob den geistig therapeutischen Charakter der ästhetischen Erfahrung der Form und deren Möglichkeit, die widersprüchlichen Aspekte der menschlichen Natur in Einklang zu bringen, hervor. Er sah sogar die Ästhetik als ein Instrument der sozialen und politischen Reformen. Bevor der Formalismus als kunsthistorischer Ansatz geprägt wurde, war er vielmehr, wie aus seiner Geschichte hervorgeht, ein Thema der Philosophie und insbesondere der Ästhetik. Dies ist damit zu begründen, dass die Kunstgeschichte selbst erst im 19. Jh. ihre Eigenständigkeit unter den akademischen Disziplinen behaupten konnte. Die Betonung der Form eines Werkes brachte Clive Bell dazu, in seinem 1914 erschienenen Buch Art, zwischen der wirklichen und der 'bedeutenden’ Form zu unterscheiden. Die Techniken eines künstlerischen Mediums hielten dabei das Essentielle des Werkes fest (die 'bedeutende' Form) und nicht nur die bloße äußere Erscheinung. Entstehung als kunsthistorische Methode (19. Jh.) Heinrich Wölfflin Wölfflin (1864–1945) strebte, mit dem Bedürfnis der Kunstgeschichte eine feste Basis zu geben, eine vergleichende Formanalyse und Stilgeschichte an. Diese sollte frei von persönlichem Werturteil sein. Die Frage, was es möglich macht, einen Stil zu erkennen, lag für Wölfflin in der visuellen Erscheinung eines Kunstwerkes (Form) und der menschlichen Wahrnehmung. Wölfflin übertrug die Geschichte des Sehens auf die Form- und somit Stilentwicklung. Sowie sich die Wahrnehmung eines Neugeborenen zum Erwachsenen in Stadien entfalte, so würde sich nach Wölfflin auch die Form entwickeln. Wölfflin unterschied zunächst in verschiedene Stile, um sein Beschäftigungsfeld abzugrenzen: Individueller Stil (subjektives Sehen und Temperament-bedingte Malweise eines Künstlerindividuums) Gruppen-Stil (gemeinsame Formensprache einer Schule, eines Landes, Kulturkreises) Zeit-Stil (übergeordnete, 'reine' Formensprache) Im Wandel der Form von einem 'Zeit-Stil' zum nächsten sei der Wandel der Lebensideale bzw. Weltanschauung erkennbar. Als 'Handwerkszeug' dienen dazu seine fünf Begriffspaare, u. a. Linear und Malerisch (weitere siehe Heinrich Wölfflin), welche er beispielhaft für Werke der Renaissance und des Barock verwendet. Wie in der Sehgeschichte, vollzieht sich der Wandel vom Einfachen, Flächigen und Objektumrissenen zum Räumlichen und Komplexen, vereint in den jeweils der Einfachheit (Lineare) bzw. Komplexität (Malerische) zugeordneten Begriffen. In der Kunst verlaufe diese Entwicklung zyklisch, einer einfachen Formensprache (Bsp. Renaissance) folge eine komplexe Formenfülle (Barock) und rufe daraufhin den Wunsch zur Rückbesinnung auf die Einfachheit (Klassizismus) hervor. Moderner Formalismus Clement Greenberg Clement Greenberg (1909–1994), einer der einflussreichsten US- amerikanischen Kunstkritiker des 20. Jh., strebte stets eine Beurteilung von Kunst an, die nur auf unmittelbar Wahrnehmbares beruhen solle. Er teilt somit die formalistische Grundannahme. Er konzentrierte sich im Wesentlichen auf Materialien und Techniken, die bei der Entstehung eines Kunstwerkes verwendet wurden. Im Prozess der Selbstkritik, dem Charakteristikum der Modernistischen Malerei, stellt sich die Malerei den Problemen, die sich aus ihrem eigenen Medium ergeben, und behauptet somit ihre Eigenständigkeit und Selbstbestimmung unter den Künsten. Die Besonderheit des Mediums Malerei liegt in der unvermeidlichen Flächigkeit. Russischer Formalismus Als russischer Formalismus wird eine literaturtheoretische Schule bezeichnet, die etwa um 1915 entstand, aber bereits 1930 aus ideologischen Gründen unterbunden wurde. Die Lehre und Methodik des russischen Formalismus kann als frühe Ausprägung des von Ferdinand de Saussure begründeten Strukturalismus bezeichnet werden. Die russischen Formalisten beschlossen, sich ausschließlich dem literarischen Text selbst zuzuwenden, dem literarischen Faktum. Die Kernfrage ihrer Arbeit lautete: Was macht ein literarisches Kunstwerk zu einem solchen, was ist die Literarizität bzw. die Poetizität eines Sprachkunstwerks? Dies war ein entscheidender Schritt in die Richtung moderner Literaturtheorien, denn es ging nicht mehr um Fragen, was ein literarisches Kunstwerk sei, also die Kriterien, die man zur Kanonisierung von Literatur verwendet. Vielmehr untersuchten die russischen Formalisten, wie literarische Texte „gemacht“ seien, sie interessierten sich für die verschiedenen Verfahren, mit denen literarische Texte erzeugt werden. Hierbei analysierten sie die diversen Verfahren der „Verfremdung“ und stellten fest, dass solche Verfahren die Aufmerksamkeit des Lesers vom Inhalt oder der Bedeutung weg auf das „Gemachtsein“ des Textes selbst lenken. Im Verfahren der Verfremdung sahen sie daher ein für literarische Texte konstitutives Konstruktionsprinzip und bezeichneten diese autoreflexive Dimension sprachlicher Kunstwerke als deren „poetische Funktion“. Ein wichtiges Konzept, das in diesem Zusammenhang entstand, ist das der literarischen Evolution, das auf Wiktor Schklowski und Juri Tynjanow zurückgeht. Im russischen Formalismus wurden besondere Formen der semantischen, lautlichen oder strukturellen Oppositionen untersucht, die als eine Art Subtext die Bedeutung literarischer Texte determinieren. Diese oppositionellen Strukturen wurden dann insbesondere im Strukturalismus genau erforscht. Vertreter Wichtige Vertreter des russischen Formalismus waren Wiktor Schklowski, Wladimir Propp, Boris Eichenbaum, Juri Tynjanow, der sich auch als Schriftsteller betätigte, und Roman Jakobson, der 1920 nach Prag und später in die USA emigrierte. Arnold Hauser Arnold Hauser (1892 in Temesvár, Königreich Ungarn, Österreich- Ungarn; 1978 in Budapest, Volksrepublik Ungarn) war ein ungarisch- deutscher Kunsthistoriker und -soziologe, der lange in Großbritannien lebte. Hauser gilt als Grenzgänger zwischen verschiedenen Theorien und Disziplinen wie Kunstgeschichte, Psychoanalyse, Kunsttheorie, Ästhetik, Sozialgeschichte, Kunstsoziologie und Kunstpsychologie. Hauser schätzte die formalen Aspekte von Kunst, favorisierte aber als Kunstsoziologe eine sozialgeschichtliche Perspektive. Seine umfassende und intime Kunstkenntnis und seine jahrelange Tätigkeit im Filmgeschäft haben seinen Blick für Kunst als einerseits autonomes und andererseits gesellschaftliches Phänomen geschärft. Im Kunststreit zwischen West (formimmanente Interpretation) und Ost (gesellschaftliche Bedingtheit von Kunst) während des Kalten Krieges wollte und konnte Arnold Hauser vermitteln. Theoretisches Grundkonzept Hauser hielt Mitte des 20. Jahrhunderts „die Stunde der soziologischen Deutung“ von Kunst für gekommen, akzentuierte sozialgeschichtliche Aspekte der Kunstentstehung und -verbreitung, ohne formale, psychoanalytische bzw. psychologische u. a. Momente vernachlässigen zu wollen. Kunst analysierte er sowohl als autonomes bzw. autarkes Gebilde und als vielseitigen Kommunikationsprozess innerhalb zeitbestimmter Kunstverhältnisse, die sich teils nach „Bildungsschichten“ spezifizieren. Basierend auf Karl Mannheims Wissenssoziologie betrachtete Hauser Kunst als standortgebundenes „soziologisches Dokument“, das auch ideologiekritisch gedeutet werden muss. Weil Kunst traditionell wie antitraditionell, nonkonform agiert, bedeuten auch neue (Re)Produktionsmöglichkeiten nicht das Ende der Kunst. Letztendlich findet Hausers Kunstbestimmung, ausgehend von der Widersprüchlichkeit im Manierismus, sein Zentrum im Begriff der Paradoxie als „Vereinigung unversöhnlicher Gegensätze“, „unvermeidliche Zweideutigkeit und ewiger Zwiespalt“ des künstlerischen Bildes. Paradox sei schließlich die gesamte „Dialektik des Ästhetischen“ (Wechselspiel von Form-Inhalt, Distanz-Bindung, Faktischem-Phantastischem, Geschichtlichkeit- Zeitlosigkeit, Bewusstem-Unbewusstem usw. usf.). Es bewährt sich bei Hauser als durchgängig gehandhabtes Erklärungsmuster, welches im „Paradoxen, der Verbindung von Unvereinbarem, eine Grundform der Kunst“ entdeckt. Hausers konkrete kunstgeschichtlichen Arbeiten und seine kunstsoziologische Konzeption zeugen von Gedankenreichtum, Kunstkenntnis und großer Dialogbereitschaft. Hauser greift u. a. in der Kunstgeschichte auf Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, Konrad Fiedler, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Georg Lukács, Alois Riegl und Heinrich Wölfflin, in der Psychoanalyse auf Sigmund Freud, in der Soziologie auf Emile Durkheim, Friedrich Engels, Karl Mannheim, Karl Marx, Georg Simmel und Max Weber zurück Trotz gewichtiger Unterschiede bestehen viele Berührungspunkte in den kunsttheoretischen Ansichten Adornos, Lukács’ und Hausers (und zum Teil in deren Biographien). Hauser will sich nicht nur hinsichtlich der gesellschaftlichen Prognosen und politischen Ambitionen zwischen Lukács und Adorno platziert wissen und versucht, sich im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Totatitätsideal und voranschreitendem Entfremdungsprozess zu behaupten. Gleichermaßen vermittelnde Positionen vertritt Hauser in Fragen des klassischen künstlerischen Erbes (von Lukács verabsolutiert), uploads/Litterature/ formalismus 1 .pdf

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