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Home Romani Einleitung Lexikon Phonologie Morphologie Syntax Dialektologie Soziolinguistik Literatur Abkürzungsverzeichnis Österreich Dialekte / Varietäten Publikationen Ressourcen Links English version Romani ist die Sprache der Roma, Sinti, Calê und anderer europäischer Bevölkerungsgruppen, die unter der pejorativen Bezeichnung Zigeuner zusammengefasst werden. In Österreich ist das Romani in mehreren Dialekten präsent. Diese werden im [romani] PROJEKT an der Karl Franzens Universität Graz dokumentiert. Home > Romani > Morphologie Die Morphologie des Romani ist – wie in den meisten anderern dominierten Sprachen, deren bilinguale Sprechergemeinschaften unter starkem Assimilationsdruck stehen – der stabilste Bereich. Aus praktischen Gründen werden die strukturellen Besonderheiten des Romani hier nach der traditionellen Formenlehre in drei Bereiche gegliedert: in die deklinablen Nomen und Pronomen, in die konjugierbaren Verben und in die unflektierten Partikel. Nomen und Pronomen Das Romani hat zwei Genera – Maskulinum und Femininum, zwei Numeri – Singular und Plural – sowie acht Kasus, die sich auch in vielen anderen Sprachen Europas finden. Das Kasusystem ist allgemein indo-europäisch, die Kasusbildung hingegeben typisch indisch und somit eines der Merkmale, welche die genetische Zugehörigkeit zu den indo-arischen Sprachen bestätigen. Substantiv Die zweistufige Nominalflexion besteht aus drei primären Kasus – Nominativ, Obliquus und Vokativ – sowie fünf sekundären, vom Obliquus abgeleiteten Kasus – Dativ, Ablativ, Lokativ, Instrumental / Soziativ und Genitiv. manuš 'Mensch' / khoro 'Krug' / rakli 'Mädchen' / jag 'Feuer' Singular Maskulin Feminin Nominativ [Akkusativ] manuš khor-o rakl-i jag Obliquus Akkusativ manuš-es khor-es rakľ-a jag-a Dativ manuš-es-ke khor-es-ke rakľ-a-ke jag-a-ke Ablativ manuš-es-tar khor-es-tar rakľ-a-tar jag-a-tar Lokativ manuš-es-te khor-es-te rakľ-a-te jag-a-te Instrumental / Soziativ manuš-es-sa khor-es-sa rakľ-a-sa jag-a-sa Genitiv manuš-es-kero khor-es-kero rakľ-a-kero jag-a-kero Vokativ manuš-a khor-eja rakľ-ije jag-e Plural Maskulin Feminin http://romaniprojekt.uni-graz.at/romani-morphology.de.html#romani-mo... 1 von 15 Nominativ [Akkusativ] manuš-a khor-e rakľ-a jag-a Obliquus Akkusativ manuš-en khor-en rakľ-en jag-en Dativ manuš-en-ge khor-en-ge rakľ-en-ge jag-en-ge Ablativ manuš-en-dar khor-en-dar rakľ-en-dar jag-en-dar Lokativ manuš-en-de khor-en-de rakľ-en-de jag-en-de Instrumental / Soziativ manuš-en-ca khor-en-ca rakľ-en-ca jag-en-ca Genitiv manuš-en-gero khor-en-gero rakľ-en-gero jag-en-gero Vokativ manuš-ale(n) khor-ale(n) rakľ-ale(n) jag-ale(n) Der Vokativ hat eine Sonderposition und wird in Varietäten, die unter Einfluss von Kontaktsprachen ohne synthetischen Vokativ stehen, zumeist durch die Nominativform realisiert. Der Obliquus fungiert bei diskursprominenten Entitäten als Akkusativ, ansonsten ist der Akkusativ formgleich mit dem Nominativ. Diskursprominente Entitäten sind semantisch sehr oft, wenn auch nicht immer, als belebt zu charakterisieren, was zueiner kausalen Interpretation der Korrelation des semantischen Merkmals[± belebt] mit der Dichotomie Akkusativ = Nominativ : Akkusativ = Obliquus geführt hat. Dikhav manušen. 'Ich sehe Menschen.' Dikhav jag. 'Ich sehe ein Feuer.' Diese Interpretation ist nicht grundsätzlich falsch, greift jedoch zu kurz, da der unabhängige Obliquus auch andere Funktionen hat. So ist z. B. in der Possessivkonstruktion der Possessor (= Besitzer) als diskursprominente Entität ungeachtet seines Belebtheitsstatus immer durch den Obliquus markiert, während das Possessum (= Besitztum) im Nominativ steht: La rakľa si šukar bal. 'Das Mädchen hat schöne Haare.' Khoren si jek desto. 'Krüge haben einen Griff.' Der Obliquus bildet die Basis für die fünf sekundären Kasus: Dativ, Ablativ, Lokativ, Instrumental / Soziativ und Genitiv. Die doppelte Suffigierung bei der Bildung dieser sekundären Kasus, die u. a. ein typisches Kennzeichen neu-indo-arischer Sprachen ist, wird als agglutinierendes Merkmal des Romani beschrieben. Diachron betrachtet handelt es sich bei diesen sekundären Kasusmorphemen um grammatikalisierte Postpositionen. Es gibt u.a. variantenspezifische Unterschiede bei der Realisierung des Genitiv, der hauptsächlich attributiv verwendet wird und deshalb auch Genus und Numerus unterscheidet: manuš-es-ker-o/-i//-e : -kor-o/-i//-e : -kr-o/-i//-e- : -k-o/-i//-e manuš-en-ger-o/-i//-e- : -gor-o/-i//-e : -gr-o/-i//-e : -g-o/-i//-e Viele Varietäten haben zusätzlich analytische Kasusbildungen entwickelt, die häufig den Lokativ, den Ortskasus, ersetzen. Auch der Ablativ, der Kasus der Herkunft und des Ursprungs, ist davon betroffen, relativ selten der Dativ, der im Romani primär als Benefaktiv fungiert, und der Instrumental/ Soziativ. Bei dieser Entwicklung, die ab dem Kontakt mit Balkansprachen einsetzt, werden "alte" synthetische Formen durch "neuere" analytische Bildungen – meist in der Form Präposition + (Artikel) +Nominativ – ersetzt. gavestar : katar gav 'von/aus einem Dorf' gaveste : ande gav 'in einem Dorf' Wie die folgende T abelle zeigt, unterscheiden sich Nomina voreuropäischen Ursprungs von europäischen Entlehnungen in ihrer Deklination. Was die Maskulina aus europäischen Sprachen anbelangt, wird der Vokal im http://romaniprojekt.uni-graz.at/romani-morphology.de.html#romani-mo... 2 von 15 Obliquus Singular der Nominativendung angeglichen: -es-> -os-/ -us-/ -is-. Feminina europäischer Herkunft unterscheiden sich von voreuropäischen in den Nominativendungen: Sg. -i/ Pl. -a gegenüber Sg. -a/ Pl. -i. NOM SG NOM PL OBL SG OBL PL Etymologie voreuropäisch "Null" Mask. kher kher-a kher-es- kher-en- < inc. ghara 'Haus' Mask. auf -o šer-o šer-e šer-es- šer-en- < inc. śiras 'Kopf' Mask. auf -i pan-i paň-a paň-es- paň-en- < inc. pānīya 'Wasser' Abstrakta čačipen čačipen-a čačipen-as- čačipen-en- < inc. satya 'Wahrheit' "Null"-Fem. phen pheň-a pheň-a- pheň-en- < inc. bhaginī 'Schwester' Fem. auf -i kun-i kuň-a kuň-a- kuň-en- < inc. koṇā 'Ellbogen' europäisch Mask. auf -o sokr-o(s) sokr-i sokr-os- sokr-en- < ron. socru 'Schwiegervater' Mask. auf -u pap-u(s) pap-i pap-us- pap-en- < grc. pappoús 'Großvater' Mask. auf -i polgar-i polgar-a polgar-is- polgar-en- < hun. polgár 'Bürger' Fem. auf -a vil-a vil-i vil-a- vil-en- < sla. vile 'Gabel' Die Deklination von Artikel und Adjektiva ist durch die Dichotomie Nominativ : Obliquus charakterisiert. Die Nominalphrase wird immer vom Kopfnomen regiert: o lačho raklo 'der brave Bub' le lačhe raklesa 'mit dem braven Buben' i terni džuvli 'die junge Frau' la terna džuvľatar 'von der jungen Frau' e tikne čhave 'die kleinen Söhne' le tikne čhavenge 'für die kleinen Söhne' Abweichend davon ist die Rektion in der Genitivnominalphrase. In diesem Fall korrelliert der Artikel mit dem Genitivattribut und dieses wiederum mit dem Kopfnomen. le vurdon-es-ker-i rota 'das Wagenrad' le vurdon-es-ker-e rot-a-ke 'für das Wagenrad' Artikel Die Artikelvarianz in obigen Beispielen findet sich in der folgenden Darstellung der Bandbreite an Varianzmöglichkeiten wieder. Allerdings ist eine allgemeine – primär im Obliquus zu beobachtende – Tendenz zur Reduktion und zum Formenzusammenfall festzustellen. Einzig die Differenzierung zwischen Nominativ Singular Maskulin und Nominativ Singular Feminin ist stabil. SG MASK SG FEM PL NOM o i / e e / le / o OBL le / e la / le / e le / e http://romaniprojekt.uni-graz.at/romani-morphology.de.html#romani-mo... 3 von 15 Adjektiv Gleiches – T endenz zur formalen Reduktion – gilt auch für die Adjektivendungen. Häufig finden sich drei distinktive Formen für sechs Funktionen, mit einer vierten Form für den Obliquus Feminin Singular, wenn das Genus offensichtlich ist oder betont wird: baro 'groß' SG MASK SG FEM PL NOM bar-o bar-i bar-e OBL bar-e bar-e / -a bar-e Einige wenige Adjektive des Romani wie beispielsweise šukar 'schön' und godžar 'gescheit' sind indeklinabel bzw. nur sehr eingeschränkt deklinierbar. Die Steigerung der Adjektive ist varietätenspezifisch. Neben dem ererbten Suffix -eder werden entlehnte Partikel und Affixe sowohl für die Bildung des Komparativs als auch für die Bildung des Superlativs verwendet: Burgenland-R.: baro : bar-eder : lek bar-eder lek < hun šukar : šukar-eder : lek šukar-eder Bugurdži-R.: baro : po-baro : naj baro po-, naj < sla šukar . po-šukar : naj šukar Kalderaš-R.: baro : maj baro : maj baro maj < ron šukar : maj šukar : maj šukar Die aus europäischen Sprachen entlehnten Adjektive weisen gegenüber denen voreuropäischen Ursprungs eine (weitergehende) reduzierte Deklination auf oder sind wie das Beispiel aus dem Burgenland-Romani (Bgld.-R) indeklinabel: lungo < ron. lung 'lang' / dlgo < srb. dial. dlgo 'lang' / brauni < deu. dial. brauni 'braun' Kalderaš-R. Bugurdži-R. Bgld.-R. SG PL NOM lungo lunga dlgo brauni OBL lungone dlgone Pronomen Die folgende T abelle gibt einen Überblick über die Personal- und Possessivpronomen des Romani und deren varietätenspezifische Variation: Personalpronomen Possessivpronomen Nominativ Obliquus 1. Singular me man- mindřo / mindro / mundřo / mundro / miřo / miro / muřo / muro / mřo / mro 'ich' 1. Plural amen / ame amen- amaro 'wir' 2. Singular tu tut- tiro / tro 'du' http://romaniprojekt.uni-graz.at/romani-morphology.de.html#romani-mo... 4 von 15 2. Plural tumen / tume tumen- tumaro 'ihr' 3. Sg. mask. ov / vov / jov les- leskero / leskro / lesko 'er' 3. Sg. fem. oj / voj / joj la- lakero / lakro / lako 'sie' 3. Plural on / von / jon / ol len- lengero / lengro / lengo 'sie' Die meisten Romani-Varietäten verfügen über klitische Personalpronomen der 3. Person mit anaphorischer Funktion. Dabei handelt es sich um die regulären Nominativformen der suppletiven Obliquusformen in obiger Tabelle 19 aufgelisteten Personalpronomen der 3. Person. baro si lo 'er ist groß' khamni si li 'sie ist schwanger' phure si le 'sie sind alt' Grundsätzlich hat das Romani vier Demonstrativpronomen, von denen auch die Artikel und die Personalpronomen der 3. Person abgeleitet sind. Neben der relativen Entfernung [± nah] kodieren die Demonstrativa auch Spezifizität [± spezifisch], wodurch es möglich ist, einen intendierten Referenten aus einer Gruppe möglicher Referenten auszuwählen, d. h. das Merkmal [± spezifisch] dient der Desambiguierung oder dem expliziten Kontrast.1 NOM SG MASK NOM SG FEM NOM PL [+ nahe] [– spezifisch] adava adaja adala 'dieser' ... [+ nahe] [+ spezifisch] akava akaja akala 'dieser bestimmte'... [– nahe] [– spezifisch] odova odoja odola 'jener' ... [– nahe] [+ spezifisch] okova okoja okola 'jener bestimmte'... Pronomen 3.Person ov oj ol 'er / sie // sie' Artikel o (< ov) i (< uploads/Litterature/ romani-projekt-morphologie 1 .pdf

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