DIE BURU~ASKI-LEHNWt3RTER IN DER ZIGEUNERSPRACHE 1,on HERMANN BERGER Miinster i

DIE BURU~ASKI-LEHNWt3RTER IN DER ZIGEUNERSPRACHE 1,on HERMANN BERGER Miinster i. IV. Wenn der /iuBerste Nordwesten Indiens zwar nicht, wie man friiher annahm, als die urspr~ingliche Heimat der Zigeuner, so doch wenigstens als ihre letzte Station vor dem Verlassen des indo-arischen Sprachbereichs gelten daft, so ist es nicht verwunderlich, wenn wir neben einigen Dardismen 1 im Zig. auch Vokabeln aus dem Wortschatz des den dar- dischen Sprachen unmittelbar benachbarten Buru~aski vorfinden. Die sicheren Beispiele sind zwar noch nicht sehr zahlreich, aber ftir die Sprach- wissenschaft von ungleich gr613erem Interesse als die vielen Entlehnungen aus anderen nicht-indischen Sprachen (Persisch, Armenisch, Griechisch usw.), denn sie dienen im Gegensatz zu diesen nicht nur zur weiteren Aufhellung der Wanderwege der Zigeuner, sondern kSnnen ausnahms- weise auch neues Licht auf die Geschichte der gebenden Sprache werfen. Wenn wit n~imlich, vorsichtig gesch/itzt, den Auszug der Zigeuner aus Nordwestindien in die Mitre des ersten nachchristlichen Jahrtausends verlegen, 2 so k~Snnen sie uns einen wenn auch nur bescheidenen Begriff yon dem lautlichen Zustand des Bur. in einer Zeit geben, aus der sonst jedes Zeugnis fehlt. Die Ver/inderungen, die die betreffenden Bur.-W~Srter durchgemacht haben, sind freilich in der Regel nicht sehr grol3, was wiederum fiir den tr6stlich sein wird, der angesichts des rapiden Laut- verfalls mancher indogermanischer Sprachen dem yon mir an anderer Stelle begonnenen Nachweis einer Verwandtschaft des Bur. mit dem Bas- kischen 3 noch mit begreittichem Migtrauen gegentibersteht; sie miissen 1 Vgl. dartiber Turner, The Position of Romani in Indo-Aryan, p. 174. 2 Welter wagt sich J. Bloch, Les Tsiganes, p. 32 f., nicht zurtick, offenbar nur um den zeitlichen Abstand zu ihrem ersten Auftreten in Europa (13. Jh.) nicht noch mehr zu vergr~SBern, aber die auBergew6hnlichen lautlichen Archaismen des Zig. scheinen in vorchristliche Jahrhunderte zu weisen, vgl. Turner, a.a.O., p. 165. 3 ,,Mittelmeerische Kulturpflanzermamen aus dem Burugaski", MSS, 9, p. 4 ft. (in der Folge als ,,Kulturpflanzen" zitiert), wo bereits die wichtigsten Lautgesetze zusammen- gestellt sind. - Ich muB den Leser bitten, das gebotene Vergleichsmaterial diesmal noch in halbsystematischer Darstellung hinzunehmen; eine umfassende Vergleichende Laut- und Formenlehre beider Sprachen ist in Vorbereitung. Mit den inzwischen yon mir ge- 18 HERMANN BERGER aber trotzdem mit Sorgfalt registriert werden, weil sie die mit Hilfe des Bask. gewonnenen Lautgesetze stiitzen oder die Entwicklung yon W/Srtern aufhellen, ftir die im Bask. keine Entsprechung mehr vorhanden ist. ~ I) Zig. tsiro 5 ,,Zeit, Wetter" ~ bur. dir ,,Gelegenheit, -real". Das o im Zig. ist sekund'/ire Zutat; da in der Zigeunersprache Nomina mit und ohne auslautendes -o gleich flektieren ((avo ,,Bursche", gen. (aveskoro wie yil ,,Herz", gen. yileskoro), konnte es in urspriinglich kon- sonantisch auslautenden Nomina jederzeit analogisch eingefiihrt werden. Unter dir fiihrt Lorimer im W~Srterbuch insgesamt fiinf Homonyme an, n/imlich auger dem genannten Wort auch noch Oir ,,Ziege", dir ,,Linie, Reihe", -dir ,,Darm", pl. -dirig ,,Eingeweide", -dir, pl. -diri~ ,,Brust (von Schafen und Ziegen)", -Oir, pl. -Oirig ,,Brauch, Gewohnheit", wozu als sammelten Argumenten daftir, dab das Bur.-Bask. auch mit der dravid. Sprachgruppe genetisch verwandt ist, glaubte ich die vorliegenden AusfiJhrungen noch nicht belasten zu diirfen; einige besonders aufschlul]reiche Einzelheiten habe ich aber in Anmerkungen angefiihrt. Anderweitige Versuche, das Bask. mit kaukasischen und anderen asiatischen Sprachen in genealogische Verbindung zu bringen, sind hier unberiJcksichtigt geblieben, nicht, well ich sie dutch meine Vergleiche fiir ausgeschlossen halte, sondern weil ich diese Sprachen nicht beherrsche und mit der VeriSffentlichung meiner Materialien nicht warten kann, bis ich jede von ihnen philologisch und sprachwissenschaftlich beurteilen gelernt habe. 4 Das Buru]aski-Material stammt aus D. L. R. Lorimer, The Burushaski Language, I-III (zitiert als ,,Lorimer"), die Ver~ikvar-Formen aus I. I. Zarubin, ,,Vergikskoje Nare6ije Kandf~utskogo Jazyka", Zapiski Kollegii Vostokovedov, II, 2 (1927), p. 275- 364 (,,Zarubin") und aus Lorimers Sammlungen (I, p. 422--452, III, p. 394--417), die Zigeunerw6rter aus dem Verzeichrtis in F. Miklosich, Uber die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europas, VII-VIII (,,Miklosich"). Meinem Baskischlehrer und Freund Luis Michelena habe ich daftir zu danken, dab er trotz 1]berlastung durch andere Arbeiten das Manuskript dieses Aufsatzes durchgelesen und mit zahlreichen wertvollen Anmerkungen und Verbesserungen versehen hat. -Im Zuge der ,,Kultur- pflanzen", p. 5, A. 2 eingeftihrten phonologischen Vereinfachung von Lorimers rein phonetischer Schreibung wird nun auch fiir a stets a geschrieben, keine Aspiration bei den Tenues bzw. p fiir pf, f'tir q, x und], .$ einheitlich q und], sowie d statt ts, weil man einen phonologisch einheitlichen Laut auch mit nur einem Zeichen wiedergeben soil. Im Bask. verwende ichjetzt nach der vonder Baskischen Akademie empfohlenen Ortho- graphie x fiir 8, frz.-bask, ch, und s f~ir g Kulturpflanzen A 2. Bei den angefiihrten bask. W6rtern jedesmal den Dialekt mitzuteilen, dem sie entstammen, schien mir unn6tig; nur span.-bask. W6rter, in denen h geschwunden ist (der einzige durchgehende laut- liche Unterschied zwischen den span. und frz. Dialekten) habe ich als solche gekenn- zeichnet.-Abktirzungen: Bur. = Buru~aski,Ver~. = Ver~ikvar, .Dum. = .Dum~ki (Sprache der Hunza-Zigeuner, indo-arisch), Zig. = Zigeunerisch, Ai. = Altindiseh, Mi. = Mittelindisch, Sh. = Shina, Hz. = Hunza, Nag. = Nagari, LW = Lehnwort, Skt. = Sanskrit. s BeiMiklosich, VII, 34irrigals?iroangesetzt;die?-VariantensindaberjiJngerund dem Bediirfnis zu danken, den seltenen, dem Zig. ursprianglich fremden ts-Laut an das gel~iufige/~ anzugleichen. Die Herleitung aus griech. • (ib.) ist lautlich unm6glich. BURUSASKI-LEHNWORTER IN DER ZIGEUNERSPRACHE "19 seehstes noch das nur um ein SingulativsuffLX erweiterte diri~, pl. dird~ ,,Wurzel" tritt. Davon ist das erste nichts Anderes als eine kontrahierte Variante des daneben noch bezeugten 6igir ,,Ziege"; alle anderen lassen sich auf eine gemeinsame/iltere Grundbedeutung zuriJckffihren. DaB -dir ,,Darm" auf einer metaphorischen Verwendung des in dir(~ ,,Wurzel" vorliegenden Stammes beruht, zeigt das Nebeneinander von bask. izorro ,,Wurzel" und zorro ,,Bauch" (< *,,Eingeweide") < *(i-)(ir-o; ftir -dir ,,Brust" < *,,Euter" vgl. bask. erro, das zugleich ,,Wurzel" und ,,Euter" heiBt, aber nur in der ersten Bedeutung in bur. kurk ,,H/icksel, geschnit- tenes Stroh" < *kerok eine Entsprechung hat. 6 Wie man von bier zu der Bedeutung ,,Linie" gelangen kann, veranschaulicht marathi g?r ,,Ader; Sehne; Darm; Blattrippe, -faser; Strich in Holz oder Stein". 7 Aus der Bedeutung ,,Reihe", die sich geradezu von selbst einstellen muBte, sobald das Bild von der geraden, diinnen Wurzelfaser aus dem BewuBtsein ge- schwunden war, konnte dann in Situationen, wo eine Abfolge yon gleichen Ereignissen sich an einer Reihe von r/iumlich hintereinanderliegenden Punkten abspielt, leicht die zeitliche Vorstellung entwickelt werden, so etwa beim Abgehen einer Reihe von H~iusern, vgl. im Text hi~ dirne ,,each household in turn" (II, 280), w6rtlich ,,nach der Tiiren-Reihe", von dem t~iglichen Tribut, der an einen Drachen entrichtet werden muB. Aus der Vorstellung des regelm/iBigen Ablaufs gleicher Vorg~inge kann schlieBlich auch zwanglos die Bedeutung ,,Brauch, Gewohnheit" abge- leitet werden. Die ganz abstrakte Bedeutung ,,Zeit" scheint im Bur. nicht erreicht, konnte aber, da die Zeit nun einmal mehr mit gewohnheits- m~iBigen als mit einmaligen Ereignissen gef'tillt wird, im Zig. ohne weiteres selbst/indig herausgebildet werden. 2) Zig. tserd- ,,ziehen" --, bur. Jar et- (Pr/iteritalstamm), Jar e& (Pr~isens- stamrn) ,,reiBen, abreiBen, spalten". Von den zwei Tempusst/immen des Bur. hat das Zig. den Pr/iteritalstamm entlehnt, weil er (als der entwicklungsgeschichtlich ~ltere) auch alien infiniten Formen zugrunde liegt, denen wegen ihres geringeren Formen- bestands iiberhaupt bei der Entlehnung yon Verben gern der Vorzug vor 6 ,,Stroh" und ,,Wurzel" liegen ftir die Buru~o n/iher beieinander als fiir uns, da nach der Getreideemte die Stoppeln mitsamt der Wurzel gesammelt und als Viehfutter ver- wendet werden. Sehr auffallend ist, dab auch die Variante mit velarem q, bur. qurk, ver~. qork im Bask. eine Entsprechung herro < *qerok in einem Dialekt (dem Soul.) hat. Ich fiihre das Worthier noch als semasiologische Elementarparallele an, doch ist die dravid. Wortfamilie, aus der es entlehnt ist (tamil ir ,,Rippe am Palmblatt", gondi sf.r ,,Wurzel", telugu sfl'a ,,Ader", tamil t~r ,,Wurzel", tulu t~ru ,,Ader", vgl. Burrow, BSOAS, XI, 349), auch genealogisch mit unserem Wort verwandt. 20 HERMANN BERGER den finiten gegeben wird. a Lautlich hat das Zig. geneuert, indem es hinter r den Vokal ausschied und vor r das a in e iJbergehen lieB; ParalMbei- spiele ffir beides sind ber~ ,,Jahr" < *vari.sa, terno ,,jung" <tarun. a. d trat fiar t ein, weil es im filteren Zig. sonst keine Gruppe rt gab: in alten W~Sr- tern war r l~ingst an t assimiliert (katel ,,spinnt" < *kartati fiir skt. krn. atti); in Gruppen wie rat, rit usw. konnte es nicht neuentstehen, da in diesen F/illen t schon auf indischem Boden zu d (sp~iter l) verschoben war; es bliebe also bestenfalls eine Entwicklung aus ratt usw., aber dafiir bietet die Sprache keine Beispiele. Die Einftihrung von d lag umso n~ther, als d gerade im Auslaut von Verbalst~immen sehr h/iufig ist, vgl. band- ,,binden", kand-,,h~Sren" usw., und bei St/immen auf Sonanten regelm~tgig den Pr~iteritalstamm bildet, vgl. ker- ,,machen", pr/it, kerd-, bol- ,,taufen", pr/it, bold-, usw. DaB das a des Bur. seinerseits wiederum auf ares e zuriickgeht, zeigt die bask. Entsprechung zerra ,,Schnitte; das Abschlep- pen (eines Steins)". Das auslautende a des Bask. kann suffixal sein; es ist aber auch m~Sglich, dab im Bur. der Auslautsvokal eines /ilteren *Oara yon dem folgenden etas geschluckt wurde. Als filteste Bedeutung lal3t sich mit Hilfe des Bask. und des Zig. ,,gewaltsam auseinanderzerren, -trennen" gewinnen. uploads/Geographie/ die-burusaski-lehnwoerter-in-der-zigeunersprache.pdf

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