S C H R I F T E N R E I H E Z U R L E H R E R F O R T - U N D - W E I T E R B I

S C H R I F T E N R E I H E Z U R L E H R E R F O R T - U N D - W E I T E R B I L D U N G Heft 3,1992 DOXOLOGIE Eine Handreichung zum orthodoxen liturgischen Leben zusammengestellt von einer Arbeitsgruppe beim Regierungspräsidenten Münster in Zusammenarbeit mit dem Lehr- und Forschungsgebiet Orthodoxe Theologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Leitung: Prof. Dr. Dr. Anastasios Kallis Redaktion: Dipl.-Theol. Nikolaus Thon Der Regierungspräsident Münster Dezernat 45.3 Domplatz 1-3,4400 Münster Zur Schriftenreihe Die Schriftenreihe setzt sich zwei Ziele. Sie will Materialien, die der Fortbildungsarbeit erwachsen sind, sowohl den Teilnehmerinnen und Teilnehmern als auch einem größeren Interessentenkreis in aufbereiteter Form zur Verfügung stellen. Darüber hinaus möchte sie die Lehrerinnen und Lehrer über Vorhaben, Ergebnisse und konzeptionelle Ansätze der Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung informieren. Die Benutzer sind herzlich aufgefordert, dem/den Autor(en) oder dem/den jeweiligen Herausgeber(n) ihre Anregungen, Wünsche oder kritischen Anmerkungen mitzuteilen. Es ist zu wünschen, daß das vorliegende Heft Ihre Aufmerksamkeit findet und Ihnen im Falle seiner Nutzung eine Hilfe für Ihre Arbeit bietet. Dr. Johann Inhaltsverzeichnis Einführung 7 "Betet ohne Unterlaß" 19 Christen versammeln sich 24 Christen bauen ihre Kirchen 28 Wir treten in die Kirche ein 3 3 Ikonen - Bilder des Heils 40 Die Ikonostase - Übergang zum Himmel 49 Der Altarraum - Himmel auf Erden 55 Der Gottesdienst - Doxologie der ganzen Schöpfung 61 Die Heiligung der Zeit - Stundengebet und Kirchenjahr 66 1. Der Tageszyklus 75 a Der Vespergottesdienst 75 b Das Spätabendgebet 78 c Das Mitternachtgebet 80 d Der Morgengottesdienst 81 e Die Stunden 86 2. Der Wochenzyklus 89 3. Der Jahreszyklus 91 Das heilige Pascha - "Das Fest der Feste" 95 Die Göttliche Liturgie - Gedächtnis als Vergegenwärtigung des Erlösungswerkes Christi 102 1. Die Bedeutung 102 2. Der Ablauf 105 Register 131 Anastasios Kallis 7 E I N F Ü H R U N G O r t h o d o x i e a l s D o x o l o g i e "Die Botschaft der Apostel und die Lehren der Väter sicherten der Kirche den einen Glauben, die, das Gewand der Wahrheit tragend, das von der himmlischen Theologie gewebte, lehrt recht und verherrlicht das große Mysterium der Frömmigkeit." (Kontakion zum Fest der Väter des I. ökum. Konzils) Der Begriff Orthodoxie wird im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch entsprechend der Etymologie vom Adverb orthos ( = gerade, aufrecht, richtig, recht) und dem Verb dokeo ( — meinen, glauben, sich bekennen) als Bezeichnung für ein System verwendet, das an der strengen Doktrin festhält. So spricht man von orthodoxem Marxismus, Kommunismus ( = "Betonköpfen") oder Judentum als Grundhaltungen, deren Sorge der "reinen Lehre" einer Religion oder Ideologie gilt. Damit ist oft schließlich das engstirnige, unnachgiebige Festhalten an Dogmen und Lehrmeinungen gemeint, das dem Neuen verschlossen bleibt. Auf die orthodoxe Kirche bezogen meint man, daß es sich um eine Kirche handelt, die sich als "recht-, strenggläubig" versteht (Duden). Dieses Verständnis, das die genannten negativen Implikationen assoziiert, widerspricht allerdings grundsätzlich der orthodoxen Wirklichkeit als lebendigem Organismus, der seinen Ausdruck im liturgischen Leben der Kirche findet. Daher erscheint eine andere - kom- plementär verstandene - Etymologie am ehesten dem Wesen der orthodoxen Kirche zu entsprechen, die vom Verb doxazo ( = preisen) ausgeht. Der rechte Glaube ist demnach nicht abstrakte Doktrin, sondern rechte Lobpreisung Gottes. Im Leben der Kirche, das eine Doxologie, ein Dank für das erfahrende Heil ist, wird die geoffenbarte Wahrheit in der Geschichte ununterbrochen manifestiert. Die Identität der Orthodoxie besteht weder in einem Lehrsystem gesicherter Wahrheiten noch in einem Organisationssystem, sondern in ihrer Liturgie, in der die Schöpfung die Gemeinschaft mit ihrem Schöpfer erfahrt und in einer Theologie der Hymnen "das große Mysterium der Frömmigkeit" doxologisch artikuliert, ohne die Absicht, eine verbindlich-lehrmäßige Formulierung zu geben. Das Unbehagen bzw. Mißverständnis westlicher Theologen, die an Hand gelehrter Dogmatik- handbücher ein Bild von der orthodoxen Kirche und Theologie zu entwerfen versuchen, geht auf das oben genannte Verständnis einer doktrinären Orthodoxie zurück, das auch ihr unangemessenes Vorgehen bestimmt, die östlich-orthodoxe Denkweise und Spiritualität mit eigenen, systemgebundenen Kriterien und Denkstrukturen zu erschließen. Darin liegt schließlich die Ursache für viele Fehl- und Vorurteile sowie für eine gewisse Ratlosigkeit 8 hinsichtlich der Verbindlichkeit einer konkreten Form orthodoxer Identität bzw. Lehrformulie- rnng. Mir scheint, daß trotz einer beachtlichen Zahl von Arbeiten, die mit viel Fingerspitzengefühl die Welt der Orthodoxie dem westlichen Leser zugänglich zu machen versuchen, immer noch selbst bei "Ostkirchenspezialisten" ein wichtiges Prinzip im Eifer der theologischen Forschung außer acht gelassen wird: Orthodoxe Denkweise, Theologie und Spiritualität finden ihren genuin orthodoxen Ausdruck in der Liturgie. Daher stellt die Liturgie mit ihrer anschaulichen, tiefgründigen Symbolik und doxologischen Theologie als Ausdruck der Erfahrung in der Be- gegnung mit Gott den besten Zugang zur orthodoxen Kirche und Theologie dar. In einem den ganzen Menschen - Verstand und Herz, Seele und Leib - umfassenden Ereignis, das den Men- schen aus dem Bereich der endokosmischen Vergänglichkeit in die Wirklichkeit des Heils als eine Vorwegnahme der Parusie, der Begegnung mit Christus in seiner Herrlichkeit, überlei- tet, offenbart sich ein Kosmos, der durch rein wissenschaftlich-intellektuelle Anstrengungen allein nicht begriffen werden kann. Der Glaube ist Leben, das durch die Teilhabe erkannt werden kann als ein Vorgang, der mehr Empfinden und innere Sensibilität als rationale Anstrengung erfordert. Dort läßt sich der Glaube als Leben vernehmen, der Herzschlag der Orthodoxie hören als ein Signal, das Heil verkündet. Daher erklärt sich, daß im orthodoxen Verständnis die Liturgie nicht nur einen Gegenstand einer theologischen Disziplin, der Li- turgiewissenschaft, darstellt, sondern vor allem ein Prinzip theologischen Denkens und Wirkens ist. Eine genuin orthodoxe Theologie versteht sich als eine liturgische Theologie. Diese Einschätzung setzt gewiß voraus, daß Liturgie nicht bloß die zeremonielle, rubrizistische Gestaltung gottesdienstlicher Handlungen meint, sondern den darin zum Ausdruck kommenden Inbegriff der Erfahrung des Heils in der Kirche als der Fortdauer des inkarnierten Logos. Insofern ist für das Selbstverständnis der Theologie auch als eine wissenschaftliche Disziplin ihre Einstellung zur Liturgie und zur Liturgiewissenschaft als eine ihrer Disziplinen nicht bedeutungslos. Hier stellt sich die Frage ihrer Identität, denn es geht schließlich um den Standort theologischen Forschens in der Kirche und seiner Sinndeutung, noch mehr um die Identität des Theologen, der ein Wissenschaftler eigener Art ist, ohne innere Parallelen zu Kollegen anderer Disziplinen. In diesem liturgisch geprägten Horizont fällt dem Betrachter der Theologie, wie sie heute in allen Kirchen, in Ost und West, Nord und Süd, mit den anderen wissenschaftlichen Disziplinen wetteifert, eine innere Antinomie auf, die in unterschiedlichen Formen und Schärfen in einem Auseinanderklaffen von Glauben in seinem Vollzug und Theologie als wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Gegenstand des Glaubens liegt. Gemeint ist die schon längst, vor Jahrhunderten vollzogene Entfernung der wissenschaftlichen Theologie vom Leben der Kirche, einem Leben, das eine Leitourgia ist. Die spezifisch-theologisch widrige Scheidung zwischen theologischer Forschung und Spiritualität wirkt nicht mehr befremdend. Die historisch-kritische Exegese, die Fundamentaltheologie, ja selbst die Dogmatik und Pastoraltheologie - um einige Fächer zu nennen - fühlen sich so sehr emanzipiert und entwickelt, daß der Versuch einer inneren Verbindung zum Gebet und zur Liturgie der Kirche Gefahr liefe, als anachronistisch, unsachlich und schwärmerisch zu gelten. Man furchtet, daß bei einer solchen Verknüpfung der theologischen Forschung mit der Spiritualität die für die Wissenschaft erforderliche Nüchternheit und unbeirrbare Rationalität leiden würde. Die 9 theologisch-wissenschaftliche Selbstsicherheit und -genügsamkeit suggerieren, daß sich Theologie und Spiritualität, Erkenntnis und Gebet widersprechen. Man kann sich oft des Eindrucks nicht erwehren, daß die emanzipatorischen Anstrengungen der Theologie bei der Verteidigung ihres universitären Geländes nicht so sehr einer apologe- tischen Notwendigkeit entspringen, sondern die Folge der verlorengegangenen Ehrfurcht vor der Göttlichkeit sind, die Ursprung und Endziel jeglichen theologischen Forschens ist. Die- se Entwicklung hat offensichtlich negative Konsequenzen sowohl für das Leben der Kirche, die von der Theologie wichtige Impulse erwartet, als auch für die Theologie, die Gefahr läuft, ihren Auftrag zu verfehlen. Es geht hier nicht um die alte Frage, ob die Theologie eine wissenschaftliche Disziplin ist bzw. sein muß oder darf, sondern um die Frage nach ihrer Natur als geistige Wissenschaft und geistig-geistliche Betätigung. Bei ihrer Ausein- andersetzung mit den profanen Wissenschaften und ihrer Aneignung von Erkenntnissen und Methoden anderer Disziplinen, die ihr einen unentbehrlichen Dienst erweisen, erhebt sich die Frage nach den spezifischen Prinzipien und Methoden theologischen Forschens wie auch nach den Zielen und dem Sinn der einzelnen theologischen Disziplinen. Bedeutet die Übernahme logisch-systematischer Denkkriterien bzw. die Integration der Theologie im Forschungssystem und Denkhorizont der wissenschaftlichen Methodik, daß sie ihren Forschungsgegenstand als ein gewöhnliches Erkenntnisobjekt betrachten darf/ Bei aller Abneigung der frühen Kirche gegenüber der heidnischen Philosophie sind es gerade große Kirchenväter wie z.B. die beiden Gregorioi von Nazianz (329/30-ca.390) und Nyssa (ca. 335-nach 394) und Basileios der Große (ca.330-379), die konsequent die Methodenhilfe der Philosophie für die Theologie durchgesetzt und mit Hilfe des philosophischen und literarischen Instrumentariums ihrer Zeit den Glauben der Kirche dargelegt und die Theologie auch für die nichtchristliche Welt dialo- gfähig gemacht haben. Doch ihre Theologie war keine rein systematisierende Doktrin. Vor dieser Gefahr konnte sich die Vätertheologie bei ihrem rational-systematischen Vorgehen bewahren, da sie tief in der Andacht uploads/Litterature/ doxologie-eine-handreichung-zum-orthodoxen-liturgischen-leben-pdf.pdf

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