Die Etymologie von altgriechischem uPpiç1 Von Alexander S. Nikolaev, Sankt Pete
Die Etymologie von altgriechischem uPpiç1 Von Alexander S. Nikolaev, Sankt Petersburg «This is a word every Greek scholar thinks he understands» John Chadwick Summary. There is no compelling etymology for Greek i3(3piç. This paper argues that uPpis* goes back directly to Proto-Indo-European acrostatically inflected i-stem abstract noun *Hxiô/é(H2)gw-ri- 'power', internally derived from *HxiaH2gw-ro- 'mighty' (probably continued in Greek by àppôç; the root is that of f|pT), lith. (pa)-jègà\ with the loss of laryngeal according to the Weather-rule and change of o to v in labial environment (Cowgill's Law). Das seit Homer gut bezeugte griechische Wort i3ppiç 'Ûberhebung, Gewalttàtigkeit' entbehrt m.W. bislang einer uberzeugenden etymologischen Deutung. Zuerst ist eine kurze Besprechung der bisherigen Versuche fâllig, vor allem von einem, der sich in der sprachwissenschaftlichen Literatur einer grossen Beliebtheit erfreut, und zwar der Ruckfiihrung von uppij auf ein komponiertes Nomen mit der Proposition b- als Vorderglied. Perpillou 1999: 1436-1437 vergleicht die Bedeu- tung von i)ppis\ die er als 'voies de fait, violence physique, viol, outrage, démesure, injustice brutale' ansetzt, mit derjenigen vom 1 Dieser Aufsatz entstand wâhrend meines Forschungsaufenthalts an der Freien Universitât Berlin (1.03.2002-28.04.2002), fur dessen fmanzielle Fôr- derung gebuhrt der FU sowie meinem Betreuer, Herrn Prof. Michael Meier- Briigger, persônlich mein bester Dank. Fur wichtige Hinweise bin ich Herrn Dr. Olav Hackstein (Halle), Prof. Leonard G. Herzenberg (St. Petersburg), Prof. Jay Jasanoff (Harvard), Prof. Nikolay N. Kazansky (St. Petersburg), Prof. Michael Meier-Briigger (Berlin) und Dr. Xavier Tremblay (Tournai/ Wien) sehr dankbar. An dieser Stelle môchte ich auch meinen werten Kolle- gen Jutta Scharlau (Munster) und Nikolai Bondarko (St. Petersburg), die die deutsche Fassung meines Textes durchgelesen und korrigiert haben, herz- lichst danken. 2 Chadwick 1996: 292. Glotta LXXX, 21 1-230, ISSN 0017-1298 © Vandenhoeck & Ruprecht 2005 2 1 2 Alexander S. Nikolaev Verbum émppiGo) 'peser sur, s'abattre violemment sur' und schlâgt folgende Segmentierung vor: v (= ém-) und *(3pi- (Wurzelnomen oder Verbalstamm) < *gwrî- < *gwrH2-i- von der Wurzel *gwerH2- 'écraser'. Er rechnet dann damit, dass im Rahmen dieser Erklârung die Flexion auf kurzes -i als sekundàr zu beurteilen ist und erst durch Anlehnung an semasiologisch verwandte Wôrter wie ëpiç 'Streit' entstanden sei. Eine aus- fïihrliche Diskussion findet sich bei Perpillou 1987, der die Existenz eines verkannten Prâfixes v auch durch solche Belege wie iryiVjs1, ixj>eap und kypr. u-wa-i-se, u-ke-ro-ne (~ uxnpos?) beweist. Eine wichtige zusàtzliche Aussage in Bezug auf die Aspiration ist einer einschlagigen Besprechung von Cornelis Ruijgh zu entnehmen (Ruijgh 2001: 107, Anm. 6): ,,1'aspiration automatique de v- initial est de date postmycénienne et posté- rieure à l'action de la loi de Grassmann, comme le montre ucfxiLvo) < *ixj>dvya)". Die Bezeugung fur diese(s) Pràfix/Prâpo- sition ist jedoch sehr unzuverlâssig, und schon Risch 1965: 92 hat seine Zweifel daran: ,,Hôchst zweifelhaft ist jetzt die Existenz einer Prâposition v- im Sinne von èm ... Nachdem, was wir vom Kyprischen wissen, wird man doch eher zunàchst an vv = ôv, àva denken, also v(v)xr\pu lesen". Das Wort byiT\ç hat Weiss 1994 [1995] uberzeugend als 'living forever' gedeutet und auf *H2iu-gwiH3es- zurûckgefuhrt (im Wesentli- chen ist dièse Môglichkeit schon bei de Saussure 1892 zu finden); iryif|ç muss als Beweisstuck somit entfallen. Auch fur die hôchst problematische Formel u-wa-i-se zal-ne gibt es eine scharfsinnige Erklârung von Calvert Watkins (referiert bei Peters 1980: 63, etwas ausfuhrlicher bei Masson 1983: 276- 278), dergemâlî hier ein /uuais/ vorliegt, das sich somit als mit altgr. xa^at vergleichbare ,,Direktivform" von *H2oiu-, etwa 'Ewigkeit' verstehen lâsst, und zwar *H2iu-H2ei mit "adver- biellem" -s.3 Schliefilich stellt Strunk 1986 fest, dass die etwai- 3 Vgl. Weiss 1994(1995): 152, Anm. 52: ,,This explanation is far more satisfying than all previous attempts to explain u-wa-i-se as a preverb u and Die Etymologie von altgriechischem uppiç 213 gen Quellen fur ein altgr. Pràverb/Pràposition v ausscheiden miissen (problematische Fiigung ta-u-ke-ro-ne deutet er iïber- zeugend als Tâ(ç) ù(y)xr|p(i)v 'sofortige Abschlagszahlung', u(y) ~ dva).4 Somit entfallen die meisten Griinde fur ein kypr. und/oder gemeingr. v (v) 'em\ und eine alternative Deutung fur ucpeccp ist sehr wunschenswert (sie steht m.W. noch aus; fur einen Versuch siehe Appendix).5 Hier wird ein Vorschlag erwogen, uppiç an die Sippe von ti(3t| anzuknupfen. Die Wôrter altgr. ti(3t| und lith. {pa)-jègà 'Kraft, Vermogen' (deren Verknupfung miteinander seit A. Bez- zenberger als allgemein anerkannt gilt, siehe GEW, DELG, LEW s.u.) lassen sich als Fortsetzer einer Bildung *Hxiegw-eH2 verstehen; diese Rekonstruktion ist im Lichte der m.E. sehr plausiblen Verbindung mit à^pôç6 als *HxiéH2gw-eH2 zu some form of H2oiu- since the evidence for the preverb u in Greek was al- ways shaky, and after Strunk's article in FS Risch it can hardly be considered to exist anymore". Der Ansatz *H2iu-H2ei-s entstammt Weiss 1994(1995); fur Einzelheiten sei auf Dunkel 1994, Hajnal 1992 (bes. Anm. 54), Peters 1997 [2002]: 121-123 und Hackstein 2002: 109, Anm. 12 verwiesen. 4 Dubois 1988: 55 âussert sich gegen die Analyse von B. Keil, Nachncti- ten von der kôniglichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Gôttingen, phil.- hist. Klasse Jg. 1895, S. 356f. (non vidi\ nach der <F> in Formen Fô(f>XeKÔai IG VI 262, 1.18 Ve und Fô]<J>Xéaai IG VI 262, 1.1 gerade diese Prâposition notiert (zu diesen Formen siehe zuletzt Peters 1993: 379, Anm. 30). 5 Andere Vorschlâge: Szemerényi 1987: 1451 schhettt das Wort an netn. huwap-, hup- 'maltreat, outrage, harm' an und rekonstruiert ein Abstraktum auf -ar *huwappar, das nach einer Kontraktion ,,gave Greek upp-". Arena 1966: 145 denkt an ein Kompositum mit der aus pippaKJKO), Sol. Popcw erschliessbaren Verbalbasis als Hinterglied und vergleicht die Hesychglosse ppLCci èaOUi; diese Lôsung bereitet dieselben Schwierigkeiten: das Prâfix û- und langes A/ aus -iH3-. 6 dppôç im Gebrauch speziahsiert aut die ,,mannDaren Maacnen, uic Bedeutungsentwicklung war wahrscheinlich 'zart' < 'jugendlich' < 'reif, im Reifealter befindlich', siehe LfgrE s.u. und insbesondere Verdenius 1962 zu àppûç Eur. Med. 829-30: "The Athenians luxuriate in walking through the pure athmosphere, just as poets luxuriate in singing or playing (Stesich. 212 Page b\LV€Ïv àppûç, Anacr. 373 Page àppûç #XX(d) and ordinary people 2 1 4 Alexander S. Nikolaev modifizieren.7 Der Ansatz *HxieH2gw-eH2 mit Langvokal, der nach der Lex Eichner einer Umfarbung widersteht, ist wegen des baltischen Itl notwendig.8 Fiir die Vertretung von anlautender Gruppe *Hxi- durch gr. /h-/ hat zuletzt Garcia- Rarnon 1999 plâdiert (siehe auch eine wertvolle Zusam- menfassung der einschlâgigen Anschauungen von Jochem Schindler bei Krisch 1996: 27-28, Anm. 549). Von der daraus zu gewinnenden Wurzel *HxiéH2gw- kônnte eine -ro- Ableitung gebildet werden, die nun auch als *HxieH2gw-ro- denkbar ist (vgl. XeiTpôç, èxOpôç, veicpôç). Nach der sog. Wetter-Regel ist als regulàre Fortsetzung einer in diesem Fall vorliegenden Sequenz VHTR blosses VTR mit einem Laryngalschwund (erst nach der Umfarbung) anzunehmen,10 also *Hxiagw-ro-, dass frei- luxuriate in eating and drinking (Sol. 14,4, Theogn. 474 à(3pà TTaGeiv) and laughing (Anacreont. 41,3; 42, 5 à(3pà ye \av... which does not mean "gently" (Lidd.Sc.) or "feebly" (Stanford), but "heartily")". 7 Die Rekonstruktion *HxiëH2gw-eH2 erklàrt auch die Sol. Lautung d(3a (Alc.101), dor. &(3ai (Theoc. 5, 109). 8 1st die Wurzel *HxiêH2gw-, deren Zuweisung an eine Verbalsippe unsicher bleibt, "nartenhaft" oder geht es vielmehr urn eine dehnstufige Kollektivableitung? Wegen Mangel an sonstiger Evidenz fur diese Wurzel ist es nicht zu entscheiden. y Paradebeispiel: âyioç < *Hxiagno-, cf. amd. yaj- mit Pert, ije < HxiHxg-. . 10 *VHTR/UV > *VTR/UV, T = {*d, *t}: *H2ueHrtro-/-d"ro- > ^wedra" > OE weder 'weather', nhd. Wetter, *meHrtr6- > |i€Tpov (wenn nicht aus *med-trô-; *mHrtrô- ergâbe wohl zunâchst ^\n\Tç>ov - siehe auch Ruijgh 1997: 267-268). Eine ausflihrliche Behandlung findet sich bei Peters 1999: 447, Anm. 1 und passim, der auch weitere uberzeugende Beispiele anfuhrt: vgl. vôooç 'Krankheit' < *nodhsuo- < *noH3dhs-uo- 'mit Mattheit versehen' ~ vto0f|c 'matt, abgeschlagen'. Diese Regel làsst auch ved. pajrâ- 'fest' so erklâren, dass in diesem Fall eine Sequenz VHTR vorliegt, als deren regulàre Fortsetzung bloBes TR mit einem Laryngalschwund anzunehmen sei (das sog. Lubotsky-Gesetz làsst sich nach Peters zwanglos in dieses Regel inkorporieren). Die Etymologie von altgriechischem u|3piç 215 lich àppôç ergibt.11 Dieses *HxiaH2gw-ro- wurde dann einem derivationellen Prozess unterworfen, wobei von einem thema- 11 Im Gegensatz zu der von H.-J. Seiler (LfgrE s.u.) vertretenen Auffas- sung muss àppôç nicht unbedingt nullstufig sein, an Beispielen flir vollstu- fige -ro- Bildungen besteht kein Mangel (siehe ausftihrliche Diskussion bei Vine 2002). Schindler's "Wetter-Regel" erlaubt weiter m.E. [laKpôç als Reflex eines *ma(H2)krô- zu erklâren (vgl. iifjKoç) und moglicherweise auch kolttvôç 'Dampf statt zu erwartendem ^kvttvôç < *kuHxp-no-; der dissimila- torische Schwund von lui (siehe Schwyzer 1939: 302; oder geht es vielmehr urn eine lautgesetzliche Entwicklung *ku- > k- im Anlaut?) kann auf jeden Fall nicht fruher gewesen sein, als die laryngal-bedingten Prozesse, deswegen ist es vielleicht vorteilhaft, vollstufiges *kueH2p-nô- anzunehmen mit weite- rem Anschluss an die Sippe von akls. -kypë, kypljç, lett. kûpu 'sieden, dam- pfen' (der Wurzelansatz mit /H,/ in LIV: 334 ist, wie die Herausgeber selbst zugeben, unsicher). Unklar ist jedoch der Vokalismus desjenigen u-Stammes, den die Hesychglosse kcittuç- TTvefyia vermittelt und der auch als Grundlage fur einige Verbalderivate gedient hat (eKa-nvaoev X 467): Fungierte *KdTr- schon im Urgriechischen als selbstàndige Derivationsbasis? (Die Koexistenz von u-Stamm und -no-Adjektiv im Rahmen eines Calandsystems ist im Grie- chischen uploads/Litterature/ nikolaev-2004-die-etymologie-von-altgriechischem-hybris-glotta-80-211-230-pdf.pdf
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- Publié le Apv 25, 2022
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