1 Sprachwissenschaftliche Vorlesung: Fachsprachen, Fachkommunikation, Sonderspr

1 Sprachwissenschaftliche Vorlesung: Fachsprachen, Fachkommunikation, Sondersprachen Gehalten von Franz Patocka im Wintersemester 2011/12 Mitschrift von Philipp Brenner 2 Inhaltsverzeichnis 1. Allgemeines zu den Fach- und Sondersprachen…………………………………………...3 2. Zur Schichtung / Gliederung der Fachsprachen……………………………………………5 3. Erhebungsproblematik……………………………………………………………………..7 4. Zu den pragmatischen Funktionen von Fach- und Sondersprachen……………………….9 5. Bildungssprache – Imponiersprache……………………………………………………….9 6. Zum Verhältnis zwischen Fachsprachen und Gemeinsprache……………………………10 7. Sprachliche Charakteristika………………………………………………………………13 7.1. Zur Lexik von Fach- und Sondersprachen……………………………………….13 7.2. Fachsprachliche Morphologie……………………………………………………18 7.3. Zur Syntax in Fachtexten…………………………………………………….......22 7.4. Fachsprachliche Textgestaltung………………………………………………….24 Inhalt Im Rahmen dieser Vorlesung sollen die Phänomene „Fachsprachen“ (z.B. die der Bergleute, die sog. Wissenschaftssprache etc.) und „Sondersprachen“ (z.B. das Rotwelsch, diverse Jargonformen), mit dem wir oft auch in der Alltagskommunikation konfrontiert sind, nach verschiedenen Gesichtspunkten behandelt werden: Zunächst wird versucht, die schwierige Frage einer Definition für „Fachsprache(n)“ bzw. „Sondersprache(n)“ einer Lösung zuzuführen, wobei auch die Grenzziehung zur „Gemeinsprache“ eine große Rolle spielt. Nach einem kurzen Überblick über historische Aspekte (Entstehung, Entwicklung der Fachsprachen und Sondersprachen von den Anfängen bis herauf in die Gegenwart) werden die gegenwärtigen Verhältnisse aus dem kommunikationstheoretischen, soziolinguistischen, pragmatischen Blickwinkel etc. beleuchtet. Daran anschließend werden die Fach- und Sondersprachen hinsichtlich der ihnen zukommenden Charakteristika auf den verschiedenen sprachlichen Betrachtungsebenen erörtert (Wortschatz, Phonologie, Graphematik, Morphologie, Syntax, Text). Einige exemplarische „Fallstudien“ sollen danach konkrete Einblicke in die Situation der Gegenwart geben. Art der Leistungskontrolle Schriftliche Prüfung Empfohlene Literatur  Fluck, Hans Rüdiger: Fachsprachen. Einführung und Bibliographie.  Möhn, Dieter / Pelka, Roland: Fachsprachen. Eine Einführung (= Germanistische Arbeitshefte 30). 3 1. Allgemeines zu den Fach- und Sondersprachen Fachsprachen sind Sprachformen, die für Nicht-Fachleute eine Barriere aufbauen (Bsp.: Gebrauchsanweisungen). Sie dringen weit ins Alltagsleben ein, ohne dass wir dies bemerken. Der Fachwortschatz macht die Fachsprachen aus. Kommunikation, die bei uns einen anderen Stellenwert hat. (Bsp.: Mediziner, hat Ausdrücke für Organe etc.; Technik [Computerfachausdrücke], etc.). Fachsprachen enthalten einen reichlichen Gebrauch von Passivkonstruktionen (Anonymisierung), auch „man“ (Handlung wichtiger als Personen) wird oft verwendet. Begriffserklärung Fachsprache durch Hadumod Bußmann: „Fachsprachen: Sprachliche Varietäten mit der Funktion einer präzisen und differenzierten Kommunikation über meist berufsspezifische Sachbereiche und Tätigkeitsfelder.“1 Beispiele für Fachsprachen: Weinbau, Mathematik, Sprachwissenschaft, Medizin, Handel, … Die Grenzen zwischen Fachsprachen und Gemeinsprachen sind durchlässig; wir merken nicht immer den Unterschied. Jedes Fach bringt eigene Sprachvarietäten hervor; zwar gibt es gemeinsame Merkmale, jedoch sind alle mit einem eigenständigen System. Es gibt auf allen Ebenen Charakteristika. Forschung in: Morphologie (Formenlehre), Syntak (Satzlehre), Textgestaltung, Kommunikation(sflüsse). Sondersprachen sind Sprachen, die nicht mit Fächern verknüpft sind (Bsp. Medizin), also Sprachformen von bestimmten Gruppen, die nicht (primär) über Fachliches kommunizieren. Die Barrieren sind konstitutiv (wesentlich). (Bsp. für Sondersprachen: Gaunersprache: Rotwelschsprache, etc.). Sondersprachen beziehen sich auf alle Sprachvarianten, wie sie geschlechtsspezifisch und altersspezifisch von Sondergruppen herrühren. Die homogenen Gruppen sollen nicht für jedermann verständlich sein; sie enthalten Elemente, die nur diese bestimmte Personengruppe versteht. Die hermetischen Merkmale sind nicht überall gleich stark ausgeprägt. (Bsp.: Jugendsprache  schwächere Ausprägung). Zusammengefasst:  Fachsprachen und Sondersprachen weichen von den Gemeinsprachen ab, allerdings aus unterschiedlichen Gründen.  Fachsprachen: spezifische Sachverhalte – Verständnislosigkeit nicht beabsichtigt  Sondersprachen: Abschottung von außen – Barrieren beabsichtigt 1 Die Varietät ist eine bestimmte Sprachform, die durch ein außersprachliches Kriterium bestimmt wird. (Bsp.: räumliche Gebundenheit  regional [Dialekte]; soziologische Gebundenheit  gesellschaftlich bedingt: höhere Bildung = höhere Sprachbildung; funktionale Gebundenheit  Fachsprachen; situative Gebundenheit  unterschiedliche Sprachformen und Sprachverhalten einer Person zu verschiedenen Zeitpunkten  man spricht mit dem Arzt anders als im Supermarkt). 4 Die Übergänge zwischen Fach- und Sondersprachen sind fließend; meist aus sozialen Gründen. Beispiele für Fachsprachen und Sondersprachen:  Sachgebunden – Fachsprachen: Sprache der Gießereitechnik, Sprache der Medizin, Sprache der Mathematik, Amtsdeutsch/Amtssprache, …  Sozialgebunden – Sondersprachen: Gaunersprache, Geheimsprachen, „Jugendsprache“, …  Überlappend: Jägersprache, Offiziersjargon, Sportsprache, … Fachsprachendefinition durch Lothar Hoffmann: „Fachsprache, das ist die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, die in einem fachlich begrenzbaren Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung der dort tätigen Fachleute zu gewährleisten. […] Fachsprachen stehen hierarchisch unter der Gemeinsprachen […].“2 Man kann Fachsprachen nicht nur auf die Terminologie begrenzen. Fachsprachen ermöglichen eine effiziente Verständigung. In jeder Fachsprache gibt es unterschiedliche spezifische Wortschatzelemente, Varietäten, eine unterschiedliche Morphologie. Im Wortbildungsbereich gibt es oftmals lange Komposita / Wortzusammensetzungen (bis zu acht). Grund dafür sind die sehr komplexen Sachverhalte. (Bsp.: Maschinen: Hochdruckflachwalzwerk  lineare Abbildung; Wiedergabe anstatt eines Diagrammes.  Knappheit nicht immer möglich in der Fachsprache.) In der Syntax gibt es häufig typische Muster, wie Passivkonstruktionen. Auf der Textebene gibt es deutliche Unterschiede auf der Makro- und Mikrotextebene, wie z.B.: 1) Aufsatz zu einem linguistischen Problem: Überschrift, Unterüberschriften, Fußnoten, Zusammenfassungen (Makrotextwellen) 2) Privatbrief: Stereotyp sich wiederholende Satzanfänge sollen vermieden werden (Mikrotextwellen), Bsp.: „Der Angeklagte“ kann in juristischen Texten nicht vermieden werden! Auch beim Schreiben gibt es spezifische Merkmale: So gibt es keine Rücksichtname bei orthographischen Regelungen (Fachsprache: Photo / Gemeinsprache: Foto). Hoffmann: „Die Gesamtheit aller Mittel macht die Fachsprachen aus. […] „Fachsprachen sind immer an den Fachmann gebunden, weil sie Klarheit über Begriffe gebrauchen. Wenn ein Nichtfachmann die Fachsprache gebraucht, verliert sie ihr fachliches Denken.“ Der Nichtfachmann benutzt zwar Elemente der Fachsprache, allerdings nie die Fachsprache selbst. Der adäquate (angemessene) Gebrauch ist eng mit den Denkstrukturen verbunden. Denkstrukturen werden in Sprachstrukturen umgelegt. Dies ist dem Laien nicht möglich. 2 Das hiergenannte Wort „begrenzbar“ ist nicht völlig eingrenzbar! Man darf nämlich nicht übergenau werden. 5 2. Zur Schichtung / Gliederung von Fachsprachen Die Gliederung von Fachsprachen ist häufig zweifach. Man unterscheidet: Horizontale Gliederung / Schichtung Vertikale Gliederung / Schichtung Welche Fachsprachen gibt es? Wie werden sie differenziert? neuerer Ansatz; zielt ab in die Schichtung innerhalb von Fachsprachen Die horizontale Gliederung ist linguistisch nicht primär zu beantworten. Was versteht man unter einem Fach? Lothar Hoffmann spricht in diesem Zusammenhang von einem fachlich abgegrenzten Kommunikationsbereich. Fächer lassen sich kaum mit Berufen gleichsetzen, weshalb seine Definition recht unscharf ist  (Bsp.: Schriftsätze, Drucker, Korrektor sind verschiedene Bereiche in ein und demselben Beruf, weshalb es sinnlos wäre, die Fächer zu differenzieren)  Folgende Schwierigkeit tritt dabei aber auf: Was ist überhaupt ein Beruf? Auch diese Definition ist nicht ganz klar; ein Beruf hat mit den Ausbildungswegen zu tun. Die Existenz von Fächern kann man folglich als Tatsache ansehen, eine Differenzierung ist aber schwierig zu bewerkstelligen. Auch darf man den Bereich „Fach“ nicht als zu groß ansehen.3 Wenn man Fächer als Träger von Fachsprachen betrachtet, scheitert man immer wieder. Wie viele Fächer / Fachsprachen gibt es überhaupt? Man rechnet mit ca. 300 Fachsprachen; von einer Grundlage kann man jedoch nicht ausgehen, da es sich lediglich um eine Schätzung handelt. Fest steht allerdings, dass Fächer und Fachsprachen in ihrer Zahl stetig zunehmen! Die vertikale Gliederung beschäftigt sich mit folgenden Fragen: Wie wird eine Fachsprache in ihrem internen Bereich geschaffen? bzw. Wer benutzt innerhalb eines Faches in welchem Ausmaß die betreffende Fachsprache? Welche Unterschiede lassen sich feststellen? Die vertikale Gliederung hängt mit strukturellen Aspekten in einem Betrieb zusammen. Eine echte Fachsprache ist immer an den Fachmann gebunden; vom Nichtfachmann gebraucht verliert sie ihr Wissen, da eine sprachliche Verarbeitung notwendig ist. Der Nichtfachmann kann diese sprachlichen Zusammenhänge nicht im Vollen wiedergeben. Die Wortbedeutung soll nämlich von einem Wort ausgehen.4 Tatsache ist, dass ein Laie im Bezug auf ein bestimmtes Fach nicht die Fachsprache, vor allem nicht in der Ausprägung wie der Fachmann. Dennoch ist der Laie aber nicht völlig ausgeschlossen; er bildet das unterste Glied einer Hierarchiekette. 3 (Bsp. für zu großes Ansehen: Sprache der Wissenschaft, Sprache der Technik  da es viele Einzeldisziplinen gibt. Wenn man nicht genauer unterscheiden müsste, würde es keine Verständigungsschwierigkeiten geben. Bsp. für richtige Einteilungen: Sprache der Pharmazie, Sprache der Theologie, …) 4 Ausdruck (signifiant) und Inhalt (signifiè) 6 Bsp. für eine Hierarchiekette: Wissenschaftler stark theoriebezogen --- stark abstrahierend Ingenieur Techniker Kundenberater / Verkäufer Kunde stark praxisbezogen --- schwach abstrahierend Diese Hierarchiekette ist relevant für die Schichtung innerhalb einer Fachsprache: Der Kunde steht nicht außerhalb, er ist Teil des Ganzen. Die einzelnen Stufen unterscheiden sich in der Orientierung  der Grad von Ausdruck und Inhalt bzw. die gebrauchten Fachwörter prägen sich unterschiedlich aus! Es existieren gegenseitige Ansätze. Diese Vorgänge sind aber notwendig, damit Kommunikation untereinander funktionieren kann. Die große Zahl von Vorschlägen in der vertikaler Gliederung führt zu folgendem Problem: Die Fächer sind zu unterschiedlich konstruiert; die unterschiedlichen Fachsprachen sind folglich nicht vergleichbar. Die beiden Tschechen Josef Filipec und Eduard Benes beispielsweise sprechen von einem theoretisch, wissenschaftlichen Fachstil und von einem praktischen Fachstil. Benes untergliedert den theoretisch wissenschaftlichen Stil in folgende drei Stile:  Forscherstil (Bsp.: wissenschaftliche Arbeiten)  Belehrender Stil (Bsp.: Lehrbücher)  Lexikonstil (Bsp.: Lexika). Den praktischen Bereich gibt es im öffentlichen Verkehr (Bsp.: Gebrauchsanleitungen, Berichte, …). Es handelt sich also um Arbeitssprache. Sowohl Filipec als auch Benes beziehen sich mit ihren Stilen nur auf die schriftliche Kommunikation. Walther von Hahn legt eine dreifache Gliederung fest:  Theoriesprache / Wissenschaftssprache: strengste, reinste Form der Fachsprache; wird in Forschung verwendet, weitestgehend schriftlich angewendet (aber auch mündlich! Bsp.: Fachliche Kongresse)  Fachliche Umgangssprache: wird in direkter Form definiert; Gebrauch während fachlichen Tätigkeiten, meist mündlicher Gebrauch; situativer Kontext (Bsp.: bestimmter Arbeitsplatz, gemeinsame Tätigkeiten, …)  Verteilersprache: technisch-industrieller Bereich (Bsp.: Lagerhaltung, Vertrieb, Verkauf, …)  Die Verteilersprache hat einen Zusammenhang mit Werbesprache; sie gibt es nur dort, wo ein Produkt verteilt wird. Man kann uploads/Litterature/ fachsprachen-fachkommunikation-sondersprachen-ws12-patocka.pdf

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