0 Die Verwerfung bei Freud und Lacan DISSERTATION zur Erlangung des Doktorgrade

0 Die Verwerfung bei Freud und Lacan DISSERTATION zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien eingereicht von Mag. Georg Augusta Wien, November 2005 1 Danksagung „Am Nebenmenschen lernt darum der Mensch erkennen“ (Freud, 1895, Nachtragsband, S. 426) Die vorliegende Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne die wertvolle und wertschätzende Unterstützung jener Personen, denen an dieser Stelle mein Dank ausgesprochen werden soll. Zunächst gilt mein Dank den Betreuern. Dr. Pfabigan sei insbesondere für sein Wohlwollen, seine Anregungen und seine Offenheit gedankt, Dr. Rhemann für sein Interesse und Unterstützung, Dr. Ruhs für inhaltliche und methodische Anregungen und Kritik. Mein Dank gilt Maga. Alexandra Stockinger, die dieses Projekt von der ersten Idee an verfolgt hat und die mich intellektuell wie emotional unterstützt hat. Weiters danke ich Maga. Sabine Schlüter, die mir mit ihrem psychoanalytischem Wissen und professionellem Lektorat zur Seite stand. Schließlich gilt mein Dank Dr. Suzy Kirsch, deren erhebendes Urteil und Unterstützung bei der Übersetzung der französischen Texte die Fertigstellung erheblich erleichterte. 2 Danksagung ............................................................................................................................ 0 Vorweg ................................................................................................................................... 4 Einleitung ............................................................................................................................. 13 1. Die Verwerfung bei Freud ........................................................................................... 16 1.1. Erste Konzeption der Verwerfung: „Die Abwehrneuropsychosen“ .................... 20 1.2. Zweite Konzeption der Verwerfung: Der Wolfsmann ......................................... 29 1.3. Diskussion der Verwerfung in Bezug auf weitere Psychosekonzepte Freuds ..... 39 1.3.1. Die Aufgabe des Begriffs der Verwerfung zugunsten der Verdrängung ..... 40 1.3.2. Der Abwehrmechanismus der Projektion .................................................... 50 1.3.3. Die Aufhebung als Synonym der Verwerfung .............................................. 53 1.3.4. Die Ablösung der Libido vom Objekt ......................................................... 54 1.3.5. Die Psychose im Kontext der Unterscheidung von Sach- und Wortvorstellungen ........................................................................................................ 56 1.3.6. Der Verlust und die Ersetzung der Realität ................................................. 58 1.3.7. Die Verleugnung als Erklärung des Fetischismus ....................................... 61 2. Semantische Analyse der Begriffe Verdrängung und Verwerfung .............................. 64 2.1. Semantische Aspekte des Begriffs Verdrängung ................................................ 65 2.1.1. Zur Verdrängung bei Freud ......................................................................... 65 2.1.2. Zur Verwendung des Begriffs Drang bei Freud .......................................... 70 2.1.3. Die Anwendung des Begriffs der Verdrängung vor Freud .......................... 73 2.1.4. Zur Etymologie des Begriffs Verdrängung ................................................. 76 2.1.5. Zur Übersetzung des Begriffs Verdrängung ................................................ 79 2.2. Semantische Aspekte des Begriffs Verwerfung ................................................... 82 2.2.1. Die Verwerfung bei Franz Brentano ............................................................ 82 2.3. Zur Etymologie des Begriffs Verwerfung im deutschen Sprachgebrauch ........... 84 2.3.1. Die Verwerfung in der Bibel ........................................................................ 87 2.3.2. Diskussion der Verwerfung bei Schreber .................................................... 89 2.4. Die Verneinung .................................................................................................... 95 2.5. Realität als Prinzip, Psychose als Gewissheit .................................................... 104 3. Die Verwerfung bei Lacan ......................................................................................... 113 3 3.1. Subjekt und Begehren bei Lacan ....................................................................... 113 3.2. Der Phallus als Agent der Kastration und die Anerkennung der Kastration ..... 121 3.3. Zur Funktion des Vaters ..................................................................................... 131 3.3.1. Einen Vater haben ...................................................................................... 131 3.3.2. Zur Funktion des Vaters in einem psychoanalytischem Verständnis ........ 135 3.4. Der Name-des-Vaters (le nom-du-père) ............................................................ 144 3.5. Verdrängung, Verleugnung, Verwerfung .......................................................... 149 3.6. Zur Entwicklung des Begriffs der Verwerfung bei Lacan ................................. 155 3.7. Zur Spezifizierung der Verwerfung bei Lacan ................................................... 159 3.8. Perceptum, percipiens, sensorium ...................................................................... 165 3.9. Die Rekonstruktion des Vaters im Wahn ........................................................... 169 4. Psychotische Formationen ......................................................................................... 173 4.1. Kurzer Abriss der psychoanalytischen Psychosetheorien in der Folge Freuds . 173 4.1.1. Postfreudianische Konzeptionen der Schizophrenie .................................. 173 4.1.2. Postfreudianische Konzeptionen der Paranoia ........................................... 175 4.1.3. Diskussion: ................................................................................................. 176 4.2. Die Paranoia ....................................................................................................... 178 4.2.1. Daniel Paul Schreber: Zur Frage des Vaters .............................................. 178 4.2.2. Die Schwestern Papin und der Versuch des Einfügens in den Vater ........ 187 4.2.3. Zur Klinik der Paranoia ............................................................................. 191 4.3. Die Schizophrenie .............................................................................................. 196 4.4. Die Melancholie ................................................................................................. 203 4.5. Die Manie ........................................................................................................... 207 4.6. Klinische Zugänge zur Verwerfung des Namens-des-Vaters ............................ 209 4.6.1. Phänomene der Sprache ............................................................................. 209 4.6.2. Die Vorherrschaft von imaginären Beziehungen und die Regression zum Spiegelstadium ........................................................................................................... 212 4.6.3. Die Invasion des Genießens, Deregulierung des Apparats des Genießens 216 4.6.4. Die Feminisierung ...................................................................................... 218 4.6.5. Die normale Psychose (psychose ordinaire) .............................................. 220 5. Literatur ...................................................................................................................... 224 4 Vorweg Das Verfassen einer Arbeit, die sich sowohl dem psychoanalytischen wie dem philosophischen Wissen widmet, wirft vorweg die Frage nach dem Verhältnis von Psychoanalyse und Philosophie auf, nach Unterschieden und Bezugspunkten, Übereinkünften und Divergenzen, Überschneidungen und Ausschließungen, Anziehungen und Ablehnungen. Freud selbst war zumindest in seiner Jugend der Philosophie sehr zugeneigt. Er besuchte während seines Medizinstudiums Vorlesungen an der philosophischen Fakultät und erwog sogar, das Doktorat der Philosophie zu erwerben. „Ich habe als junger Mensch keine andere Sehnsucht gekannt als die nach philosophischer Erkenntnis“ (Freud, 1986, S. 190) schrieb Freud in einem Brief an Wilhelm Fließ. Das offene Bekenntnis zur Philosophie in seiner Jugend wurde später abgelöst durch eine ablehnende Haltung und die Philosophie wurde von Freud für die Psychoanalyse als nicht nützlich befunden. „Was nun die in den Philosophieschulen herrschende Seelenwissenschaft geben konnte, war freilich geringfügig und für unsere Zwecke unbrauchbar; wir hatten die Methoden und deren theoretische Voraussetzungen neu zu finden“ (Freud, 1932, GW XVI, S. 261). Für Freud ist die Psychoanalyse von der Philosophie vorerst zu unterscheiden durch die Erkenntnis des Seelischen als „an sich unbewußt“ (Freud, 1925b, GW XIV, S. 103). Während die Philosophie von einer Gleichsetzung von Psychischem und Bewusstsein ausgeht, setzt die Psychoanalyse das Unbewusste als Quelle des Seelenlebens voraus, wobei „die Bewußtheit nur eine Qualität“ des Seelenlebens ist, „die zum einzelnen seelischen Akt hinzutreten kann oder auch nicht und eventuell an diesem nichts ändert, wenn sie ausbleibt“ (ebd., S. 103). Für den Philosophen ist das unbewusste Seelische nach Freud ein „Unding, eine contradictio in adjecto“ (ebd., S. 103) und der Philosoph bemerkt nicht, „daß er mit diesem Urteil nur seine eigene – vielleicht zu enge – Definition des Seelischen wiederholt“ (ebd., S. 103). Der Philosoph selbst ist es jedoch, der sich widerspricht, wenn er „bewusst“ und 5 „psychisch“ als identisch auffasst, er ignoriert dabei die Tatsache jener „pathogenen Verdrängungen“, durch welche die Psychoanalyse gezwungen wurde, „den Begriff des ‚Unbewußten‘ ernst zu nehmen“ (ebd., S. 56). Das Beharren des Philosophen auf der Annahme des Psychischen als Bewusstseinsphänomen ist für Freud lediglich aufgrund der Tatsache verständlich und akzeptierbar, weil der Philosoph das „Material“ nicht kennt, „dessen Studium den Analytiker genötigt hat, an unbewußte Seelenakte zu glauben“ (ebd., S. 103). Der Psychoanalytiker dagegen hat seine Erkenntnis des Psychischen als „an sich unbewußt“ gerade durch dieses „Material“ gewonnen, welches sich ihm seine Patienten erschließbar machen. Während der Philosoph einem Widerspruch erliegt, wenn er das „Psychische“ dem „Bewussten“ gleichsetzt, ist der Glauben des Analytikers an das Unbewusste ein „genötigter Glauben“, d.h. der Analytiker hat keine andere Wahl, er ist aufgrund seiner Beobachtungen dazu gezwungen, die Existenz des Unbewussten anzuerkennen. Der Analytiker vermag nun, diese „Nötigung“ zur Erkenntnis des Unbewussten durch das Material seiner Patienten aufzugreifen und zum Ausgangspunkt seiner Praxis wie seiner Theorie zu machen. Auch wenn der Analytiker das Unbewusste selbst zwar nicht konkretisieren kann, weiß er doch um die Erscheinungen des Unbewussten Bescheid, deren Beobachtung ihn zur Überzeugung von dessen Existenz geführt hat. „Auch der Analytiker lehnt es ab zu sagen, was das Unbewußte ist, aber er kann auf das Erscheinungsgebiet hinweisen, dessen Beobachtung ihm die Annahme des Unbewussten aufgedrängt hat. Der Philosoph, der keine andere Art als die Beobachtung kennt als die Selbstbeobachtung, vermag ihm (dem Analytiker, Anm. G. A.) dahin nicht zu folgen“ (Freud, ebd., S. 104). Die Psychoanalyse nimmt für Freud weiters eine Mittelstellung zwischen Medizin und Philosophie ein, sie steht zwischen der objektiven Erforschung der Natur und der Philosophie, die ihre Erkenntnisse aus Spekulation gewinnt, da sie auf Innenforschung und Selbstbeobachtung basiert. Die Psychoanalyse sieht sich in dieser Mittelstellung Vorwürfen von zwei Seiten ausgesetzt. Während die Philosophen der Psychoanalyse unterstellen, „daß sie von unmöglichen Voraussetzungen ausgeht“ (ebd., S. 104) und ihre „obersten Begriffe 6 der Klarheit und Präzision entbehren“ (ebd., S. 104), kritisieren die Mediziner die Voraussetzung des Psychischen als Spekulation. „Der Mediziner hält sie für ein spekulatives System und will nicht glauben, daß sie wie jede andere Naturwissenschaft auf geduldiger und mühevoller Bearbeitung von Tatsachen der Wahrnehmungswelt beruht; …“ (ebd., S. 104). Freud sieht zwischen Psychoanalyse und Medizin eine Gemeinsamkeit in bezug auf ihre Epistemologie, nämlich die Beobachtung und Bearbeitung von „Tatsachen der Wahrnehmungswelt“. Bezüglich der Philosophie kann er jedoch keinerlei Übereinstimmung akzeptieren und zeigt sich ausschließlich ablehnend. Er kann dem Philosophen, der die Psychoanalyse „am Maßstab seiner eigenen kunstvoll aufgebauten Systembildungen mißt“ (ebd., S. 104), nichts abgewinnen, was sich in irgendeiner Weise für die Psychoanalyse als nützlich erweisen könnte. Der Philosoph wird von Freud nur anerkannt, wenn seine Erkenntnisse mit denen der Psychoanalyse übereinstimmen. Freud erkennt zwar jene Philosophen an, die sich mit dem Unbewussten beschäftigt haben (z.B. Schopenhauer), er unterstellt diesen aber, dass sie „das Unbewußte beurteilt haben, ohne die Phänomene der unbewußten Seelentätigkeit zu kennen, also ohne zu ahnen, inwieweit sie den bewußten Phänomenen nahe kommen und worin sie sich von ihnen unterscheiden“ (Freud, 1913b, GW VIII, S. 406). Freud betrachtet schließlich die Philosophie wie auch die Religion als eine „Weltanschauung“, „die sich im Gegensatz zur wissenschaftlichen [Weltanschauung, Anm. G. A.] befindet“ (Freud, 1933, GW XV, S. 189). Als Weltanschauung bezeichnet er eine „intellektuelle Konstruktion, die alle Probleme unseres Daseins aus einer übergeordneten Annahme einheitlich löst, in der demnach uploads/Philosophie/ augusta-goerg-die-verwerfung-bei-freud-und-lacan.pdf

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