Demokrit aus Abdera Fragmente I. II. Ethische Schriften [0c. I 3] ÜBER DAS LEBE

Demokrit aus Abdera Fragmente I. II. Ethische Schriften [0c. I 3] ÜBER DAS LEBEN NACH DEM TODE. 1. [Es wird erörtert, wie das Aufleben eines Ver- storbenen möglich sei. In diesem Falle war der Tod offenbar kein Erlöschen der gesamten Lebenskraft des Körpers, sondern nur eine Ohnmacht infolge eines Schlages oder einer Verwundung, wobei die Bänder der Seele im Mark noch festgewurzelt blieben und das Herz den Funken des Lebens noch in der Tiefe be- wahrte. Und infolge der Fortdauer jener Bänder er- wies sich der Körper tauglich zur Beseelung und er- langte das erloschene Leben wieder.] 1a. [Die Menschen in ihrer gewöhnlichen Todes- furcht scheuen sich an die Todesstunde zu denken und ihr Testament niederzuschreiben. Sie werden dann von ihr völlig überrumpelt und gezwungen, noch rasch, nach D.'s Ausdruck,] sich doppelte Portionen einzustopfen. 1b. [I 4] TRITOGENEIA [Athena] 2. Aus der Klugheit erwachsen diese drei [Früchte:] Wohl denken, wohl reden, recht handeln. 2c. [II 3] ÜBER WOHLGEMUTHEIT. 3. Wer wohlgemut leben will, soll nicht vielerlei treiben weder im eigenen noch im Staatswesen und, was immer er treibt, nicht über seine Kraft und Natur streben, sondern so sehr auf seiner Hut sein, daß, selbst wenn das Glück einschlägt und dem Scheine nach ihn in die Höhe führen will, er dessen nicht ach- tet und nicht über die Kraft anfaßt. Denn mäßige Fülle ist sicherer als Überfülle. 4. Denn Lust und Unlust ist die Grenzbestimmung [des Zuträglichen und Abträglichen]. III.-VI. Physikalische Schriften 4c. [III 2] KLEINE WELTORDNUNG. 5. [D. berichtet, er habe diese Schrift 730 Jahre nach Troias Eroberung verfaßt. Er sei jung gewesen, als Anaxagoras bereits bejahrt war. Dessen Ansichten über Sonne und Mond seien alt, er habe sie sich von früheren Philosophen angeeignet. Namentlich ver- spottet er seine Weltordnung und Lehre vom Geiste. Denn er war Anaxagoras feindlich gesinnt, weil er keine Aufnahme bei ihm gefunden hatte.] 5i. [V 3] ÜBER DIE FORMVERSCHIEDEN- HEIT [DER ATOME] oder ÜBER DIE GESTAL- TEN. 6. Der Mensch soll aus dieser Regel erkennen, daß er fern ist von der Wirklichkeit. 7. Auch diese Darlegung zeigt ja, daß wir von nichts etwas wirklich wissen, sondern Zustrom [der Wahrnehmungsbilder] ist jeglichem sein Meinen. 8. Und doch wird es klar werden, daß es seine Schwierigkeit hat zu erkennen, wie jedes Ding wirk- lich beschaffen ist. 8b. [VI 1] BEWÄHRUNGEN. 9. Wir nehmen aber in Wirklichkeit nichts untrüg- liches wahr, sondern nur was nach der [jeweiligen] Verfassung unseres Körpers und der ihm zuströmen- den oder entgegenwirkenden [Einflüsse] sich wandelt. 10. Daß wir nun, wie jedes Ding in Wahrheit be- schaffen, oder nicht beschaffen ist, nicht wahrnehmen können, ist oft dargelegt worden. 10b. [VI 3] ÜBER LOGIK oder DENKREGELN. 11. Es gibt zwei Formen der Erkenntnis, die echte und die unechte. Zur unechten gehören folgende alle- samt: Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack, Gefühl. Die andere [Form] aber ist die echte, die von jener je- doch völlig geschieden ist. [Im Folgenden setzt er den Vorrang der echten vor der unechten Erkenntnis aus- einander und fügt die Worte hinzu:] Wenn die un- echte nicht mehr ins Kleinere sehen oder hören oder riechen oder schmecken oder tasten kann, sondern [die Untersuchung] ins Feinere [geführt werden muß, dann tritt an ihre Stelle die echte, die ein feineres Denkorgan besitzt]. VII.-IX. Mathematische Schriften 11r. [VIII 3] WELTJAHR oder ASTRONOMIE SAMT STECKKALENDER. 12. [Das Weltjahr Demokrits besteht aus 82 ge- wöhnlichen Jahren mit 28 Schaltmonaten.] 13. Meiner [kontrahierte und unkontrahierte Form]. 14c. [IX 2] GEOGRAPHIE. 15. [Die Erde sei nicht rund, sondern länglich ge- streckt; ihre Länge betrage das anderthalbfache der Breite.] X. XI. Philologische Schriften 15c. [X 1] ÜBER RHYTHMEN UND HARMO- NIE. 16. [Nach D. hat Musaios den Hexameter erfun- den.] 16a. [X 2] ÜBER POESIE. 17. [Kein Dichter sei ohne einen gewissen Wahn- sinn zu denken.] 18. Was immer ein Dichter vom Gotte und dem heiligen Geiste getrieben schreibt, das ist gewiß schön. 18b. [X 4] ÜBER WOHL UND ÜBEL KLINGENDE BUCHSTABEN. 19. Gemma [statt Gamma,] Mô [statt My]. 20. Des Deltas, des Thetas. 20a. [XI 1] ÜBER HOMER oder ÜBER SPRACHRICHTIGKEIT UND DUNKLE WÖR- TER. 21. Homer, dem ein göttliches Talent zu teil ward, zimmerte einen Prachtbau mannigfaltiger Gedichte. 22. [D. berichtet, der Adler habe schwarze Kno- chen.] 23. [Homers Worte: »O wär' er doch früher gestor- ben« (Alexandros) spricht der Herold für sich und leise, wie D. meint, der es für unschicklich hält, diese Worte offen auszusprechen.] 24. [D. nennt des Eumaios Mutter Penia (Armut).] 25. [Unter Ambrosia versteht auch D. die Dünste, von denen sich die Sonne nährt.] 25b. [XI 3] ÜBER DIE WÖRTER. 26. [D. unterscheidet] mehrdeutige, gleichbedeu- tende, ungenannte [und] unbenannte [Wörter und er- weist daraus den konventionellen Ursprung der Spra- che.] XII. XIII. Technische Schriften 26f. [XIII 1] ÜBER ACKERBAU. 27. [D. meint, die Weinberge sollten nach Norden angelegt werden, weil sie so am ertragreichsten wür- den, ohne freilich in der Güte des Weins die erste Stelle einzunehmen.] 28. [Unklug verfahren diejenigen, welche ihre Gär- ten ummauern. Denn eine Mauer aus Luftziegeln kann dem Regen und Sturme nicht standhalten, und eine steinerne erfordert Kosten, die dem Werte der Sache nicht entsprechen. Wenn man gar ein großes Stück Land mit einer Mauer umfriedigen wollte, würde man sein väterliches Erbe verbauen müssen.] Echte Fragmente aus unbestimmten Schriften 29. Schildrand. 29a. Wir, ihr, sie [kontrahierte Formen]. 30. Einige der gelehrten Männer erbeben ihre Hände zu dem Orte, wo wir Hellenen jetzt lagen, daß die Luft sich befinde, und sprechen dabei: Alles bere- det Zeus mit sich und alles weiß und gibt und nimmt er und König ist er über alles. 31. Die Arzneikunst heilt die Gebresten des Leibes, die Philosophie befreit die Seele von Leidenschaften. 32. Beischlaf ist vorübergehender Schlaganfall. Denn da fährt ein Mensch aus dem Menschen heraus und löst sich wie mit einem Schlage abtrennend los. 33. Die Natur und die Erziehung sind ähnlich. Denn die Erziehung formt zwar den Menschen um, aber durch diese Umformung schafft sie eine [zweite] Natur. 34. Der Mensch, eine kleine Welt. Sprüche 35. Wenn man diese meine Sprüche mit Verstand anhört, wird man viele Taten tun, die eines trefflichen Mannes würdig sind, und viele schlechten unterlas- sen. 36. [= B 187.] 37. Wer nach geistigen Gütern strebt, strebt nach göttlicherem [Gewinn], wer nach leiblichen, nach irdi- schem. 38. Pflicht ist's, den Frevler zu hindern, auf alle Fälle aber nicht mitzufreveln. 39. Man muß entweder gut sein oder Guten nach- ahmen. 40. Nicht Leibeskraft oder Geld macht den Men- schen glücklich, sondern Geradsinnigkeit und Vielseitigkeit. 41. Nicht aus Furcht, sondern aus Pflichtgefühl meide die Sünden. 42. Es ist etwas Großes um Pflichttreue im Un- glück. 43. Reue über schimpfliche Handlungen ist Le- bensrettung. 44. [= B 225.] 45. Wer Unrecht tut ist unglücklicher als wer un- recht leidet. 46. Hohen Sinn bekundet es, Taktlosigkeit gelas- sen zu ertragen. 47. Vor Gesetz, Obrigkeit und dem Klügeren sich zu beugen zeugt von Selbstzucht. 48. Schlechter Leute Tadel ficht den Guten nicht an. 49. Einem geringeren Manne zu gehorchen ist schlimm. 50. Wer allerwegen bestechlich ist, wird nie ge- recht sein. 51. Oft erweist sich ein Wort viel stärker zur Über- redung als Gold. 52. Wer den, der sich einbildet Verstand zu haben, zu Verstand bringen will, vergeudet seine Zeit. 53. Viele, die nichts Vernünftiges gelernt haben, leben trotzdem vernünftig. 53a. Viele, die die schändlichsten Handlungen begehen, führen höchst vernünftige Reden. 54. Durch Schaden werden die Toren klug. 55. Tugendhafter Werke und Taten soll man sich befleißigen, nicht tugendhafter Worte. 56. Das Edle erkennen und erstreben [nur] die von Natur dazu Befähigten. 57. Rassigkeit der Zugtiere besteht in der Wohlbe- schaffenheit ihres Körpers, die der Menschen in der guten Richtung ihres Charakters. 58. Die Hoffnungen der richtig Denkenden sind er- füllbar, die der Unverständigen unerfüllbar. 59. Keine Kunst, keine Wissenschaft ist erreichbar ohne Lernen. 60. Es ist besser, die eigenen als die fremden Feh- ler zu rügen. 61. Diejenigen, die einen wohlgeordneten Charak- ter besitzen, haben auch ein wohlgeordnetes Leben. 62. Gut ist [noch] nicht Nichtfreveln, sondern nicht einmal freveln wollen. 63. Schön ist's, bei schönen Handlungen Beifall zu spenden; denn bei schlechten es zu tun, ist das Werk eines Fälschers und Betrügers. 64. Viele Vielwisser haben keinen Verstand. 65. Viel Denken, nicht viel Wissen ist zu pflegen. 66. Bei seinen Handlungen ist vorzubedenken bes- ser als nachzubedenken. 67. Trau nicht allen, sondern den Bewährten. Denn jenes ist einfältig, dies verständig. 68. Nicht bloß aus seinem Tun, sondern auch aus seinem Wollen [erkennt man] den bewährten und den unbewährten Mann. 69. Allen Menschen gilt wohl dasselbe als gut und wahr: angenehm aber ist dem einen dies, dem andern das. 70. Unbegrenzte Wünsche sind Kindes, nicht Man- nes Sache. 71. Unzeitige Genüsse erzeugen Ekel. 72. Die auf irgend ein Ziel heftig gerichteten Be- gierden verblenden die Seele gegen alles Übrige. 73. Nur die Liebe ist berechtigt, die ohne Frevel der Schönheit nachjagt. 74. Versage dir jeden Genuß, der nicht zuträglich ist. 75. Es ist besser für die Unverständigen zu gehor- chen als zu herrschen. 76. Nicht Wort, sondern Unglück ist der Lehrmei- ster der Toren. 77. uploads/Philosophie/ demokrit-fragmente-pdf.pdf

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