1 Hans Schauer: 5. Menschliche Aggressivität: ihre Herkunft und Zukunft 5.1. Fr

1 Hans Schauer: 5. Menschliche Aggressivität: ihre Herkunft und Zukunft 5.1. Fragestellung und Gliederung der Abhandlung ................................................................. 4 5.2. Sprachanalytische Aspekte................................................................................................. 6 5.2.1. Einführung................................................................................................................... 6 5.2.2. Worte als Waffen ........................................................................................................ 6 5.2.3. Politische Korrektheit.................................................................................................. 8 5.2.4. Ist jemand oder etwas „schuld“ an der Aggressivität?.............................................. 10 5.2.5. „Mord“ oder Tötung?................................................................................................ 12 5.2.6. Sprachgeschichtliches über „Aggression“ ................................................................ 15 5.2.7. Der Mächtige fühlt sich leicht angegriffen ............................................................... 16 5.3. Naturgewalten und Katastrophen können unermessliches Leid bewirken........................ 20 5.3.1. Die Innenseite: das Erleiden von Gewalt im Schmerz und in der Not...................... 20 5.3.2. Wie Menschen Naturgewalten für eigene Aggressionen nutzen .............................. 21 5.3.3. Exkurs: Über Naturkatastrophen............................................................................... 22 5.3.4. Abfolgen von Kumulierungen und Expansionen...................................................... 23 5.3.5. Irdische Katastrophen vor Erscheinen des Menschen............................................... 26 5.3.6. Wie Menschen das Erleiden von Naturgewalten geistig verarbeiten........................ 27 5.4. Biologische Vorläufer tierischer und menschlicher Aggressionen................................... 28 5.4.1. Explosive Phasen der biologischen Evolution .......................................................... 28 5.4.2. Die Endosymbionten-Hypothese............................................................................... 31 5.4.3. Weitere biologische „Erfindungen“ .......................................................................... 33 5.4.4. Tierische Waffen....................................................................................................... 37 5.5. Aggressivität von Menschen........................................................................................... 39 5.5.1. Biologische Relikte im Aggressionsverhalten der Menschen................................... 39 5.5.2. Kulturelle Überformungen ........................................................................................ 41 5.5.3. Konkurrenz von Brüdern um das väterliche Erbe..................................................... 43 5.5.4. Eifersucht .................................................................................................................. 45 5.5.5. Schaulust: Konsumieren von Aggressivität .............................................................. 46 5.5.6. Aggressive sprachliche Manipulationen ................................................................... 47 5.6. Ontogenese der menschlichen Aggressivität..................................................................... 49 5.6.1. Geschlechtsunterschiede ........................................................................................... 49 5.6.2. Kinder können für Kinder sehr gefährlich sein......................................................... 51 2 5.6.3. Autoritäre Kleinkinder: streng gegen ihre Mütter..................................................... 52 5.6.4. Soziopathische Erwachsene ...................................................................................... 54 5.7. Das Borderline-Syndrom: „Grenzfälle“ oder psychische Kernstörung?.......................... 55 5.7.1. Vorbemerkung........................................................................................................... 55 5.7.2. Das „Borderline Syndrom“ ....................................................................................... 56 5.7.3. Exkurs: Wütende Kleinkinder................................................................................... 57 5.7.4. Sich verlieben und sich verhassen: Prägungen ......................................................... 58 5.7.5. Der Anspruch, ganz allein geliebt zu werden ........................................................... 59 5.7.6. Eifersucht .................................................................................................................. 60 5.7.7. Partnerkonflikte und Streitehe................................................................................... 61 5.7.8. Geringe Impulskontrolle und erhebliche Stimmungslabilität ................................... 62 5.7.9. Wut und Hass ............................................................................................................ 62 5.7.10. Uneinsichtigkeit und Schuldabwehr........................................................................ 63 5.7.11. Wie das Opfer damit umgeht .................................................................................. 64 5.7.12. Dramatisierungen durch den Täter.......................................................................... 65 5.7.13. Depression, Suizidversuch und Selbsttötung .......................................................... 65 5.7.14. Suche nach Mithassern............................................................................................ 66 5.7.15. „Negative Übertragung“: alt-neue Hassobjekte...................................................... 67 5.7.16. Konstituierende Bedingungen: Vererbung vs. soziale Interaktionen...................... 68 5.7.17. Traumatisierung des Kindes durch den Dauerstreit seiner Eltern........................... 68 5.7.18. Aggressive Eltern als „erfolgreiches“ Modell......................................................... 70 5.7.19. Durchschnitts-, Querschnitts- und Längsschnitts-Betrachtung............................... 70 5.7.20. Eine seelische Kernstörung auf der Basis von Infantilismen und Regressionen .... 71 5.7.21. Ausblick .................................................................................................................. 72 5.8. Aggressionsfördernde Bedingungen ................................................................................ 72 5.8.1. Muttersöhne?............................................................................................................. 72 5.8.2. „Radikale Verlierer“ oder fanatische Rächer? .......................................................... 76 5.8.3. Kluft zwischen Auserwähltheitsanspruch und faktischer Misere ............................. 79 5.8.4. Aggressionsbetonte Fundamente der Monotheismen ............................................... 83 5.8.5. Fundamentalismen .................................................................................................... 84 5.9. Positive Konsequenzen .................................................................................................... 87 5.9.1. Voraussetzungen: geistige Kumulationen und Expansionen .................................... 87 5.9.2. Start: Einen guten Anfang ermöglichen!................................................................... 89 5.9.3. Ziel: Zivilisierung und Humanisierung der Aggressivität......................................... 90 3 5.9.4. Grenzen der Therapierbarkeit und Kontrollierbarkeit............................................... 94 5.9.5. Akzeptable verbale Aggressionen............................................................................. 94 5.9.6. Kontrollierte Macht: Ansehen und Autorität ............................................................ 96 5.9.7. Philosophischer Umgang mit der Problematik.......................................................... 97 5.10. Zusammenfassung und Würdigung................................................................................ 99 4 5. Menschliche Aggressivität: ihre Herkunft und Zukunft 5.1. Fragestellung und Gliederung der Abhandlung Ein Mann schimpft: „Das könnt ihr mir glauben, wenn hier über >Aggressivität< diskutiert wird, dann ist das für mich keine bloße Theorie. Dann weiß ich, wovon ich rede, weil ich es oft erlebt habe und auch selber schon aggressiv war. Das letzte Mal liegt nicht lange zurück: weil eine Frist abzulaufen drohte, war ich an einem Tage dreimal im Finanzamt, um meine Lohnsteuerkarte korrigieren zu lassen, und jedes Mal mit >Bitte Kärtchen ziehen und warten, bis die Nummer aufgerufen wird<. Das erste Mal holte ich mir einen Vordruck ab, in dem zu lesen war, welche weiteren Belege ich noch vorlegen müsste. Ich musste also eiligst die Unterschrift meiner Frau einholen, und mir die Studienbescheinigung von meinem Jungen heraussuchen. Beim zweiten Besuch im Finanzamt stellte der Sachbearbeiter fest, dass noch eine Verdienstbescheinigung von ihm fehlte. Die ließ ich mir von ihm von jetzt auf gleich per Fax übermitteln und legte sie bei meinem dritten Besuch im Finanzamt vor. Dann informierte mich ein anderer Sachbearbeiter ganz freundlich, dass ich mir das alles hätte sparen können, denn die Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen für meinen Sohn hätte mein Steuerberater ja noch bei der Abgabe der Steuererklärung erwirken können. In mir hatte sich inzwischen ein solcher Ärger angestaut, auch über mich selber, dass ich vor Wut hätte platzen können. Oder dass ich mir selber hätte in den Hintern treten können. Oder aber: ich hätte im Finanzamt eine Bombe zünden und das ganze Gebäude einschließlich aller Aktenschränke und Computer in die Luft sprengen können. Aber das tat ich dann doch nicht, weil ich keinen Zugang zu Sprengstoffen habe, auch keine vertretbaren religiösen oder ideologischen Rechtfertigungen vorbringen kann, und weil mir mein eigenes Leben in Freiheit doch noch lieb und wert ist, ganz abzusehen vom Leben der Finanzsachbearbeiter, gegen die ich keine persönliche Abneigung habe. Ich kenne sie kaum. Und bis zum Abend hatte ich mich wieder beruhigt. Ohnehin war das Ganze nicht der Rede wert, weder der Anlass noch meine Reaktion. Phantasien sind nicht strafbar“. Dieses keineswegs frei erfundene, sondern erfahrungsgesättigte, wenn auch sicher nicht repräsentative Beispiel zeigt eine Vielzahl unterscheidbarer Aspekte von Aggressivität: eine Steigerung von für sich genommen banalen Anlässen, die immerhin verbunden waren durch eine gewisse Hilflosigkeit gegenüber den vermeintlichen Sachzwängen und der anonymen Macht einer Bürokratie, kulminierend in einer völlig unerwarteten, sogar umwerfenden Konfrontation, die wiederum den sich anstauenden Ärger zur Wut steigerte, die aber nicht schon unmittelbar in der belastenden Situation gegenüber den Kontrahenten geäußert werden konnte, sondern sich zunächst gegen das eigene Selbst richtete, und dann um so extremere Rachephantasien aufkommen ließ. Dann meldeten sich doch erste Überlegungen zur Realisierbarkeit, kamen Bedenken zu möglichen Schäden und Opfern auf, und schließlich gelang so etwas wie eine Selbstbesänftigung. Aggressivität kann sicher auch mit vielen anderen Beispielen illustriert werden, aber sie könnten ähnlich komplex sein mit einem Zusammenspiel verschiedenster Faktoren, von den biologisch begründeten bis zur rationalen Verarbeitung, in der Abfolge von spontanen Handlungsansätzen bis zu ihrer Zurücknahme. Einige solcher Aspekte sollen im Text einer eingehenderen Analyse unterzogen werden. Gegenüber der geschilderten Bagatelle ist von großem Gewicht, dass die rücksichtslose Aggressivität von Gewaltherrschern und ihren Mittätern seit jeher und bis heute unermessliches menschliches Leid verursacht hat. Vor allem dies ist das zentrale Thema der folgenden Untersuchung. Zuvor noch einige Bemerkungen zum methodischen Ansatz: Trotz 5 der mit dem Begriff „Aggressivität“ psychologisch anmutenden Thematik soll es in meiner Abhandlung nicht zentral um einen Beitrag zur Psychologie, speziell zur wissenschaftlichen Erforschung des Aggressionsaspektes von Erleben und Verhalten von Menschen gehen. Es erscheint mir als notwendig, von simplifizierenden Psychologisierungen bzw. Politisierungen der Aggressionsphänomene wegzukommen und sie stattdessen in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen. Mein Anliegen ist insofern ein philosophisches: ich will versuchen, zuvor noch disparate Erkenntnisse aus sehr verschiedenen Wissenschaften und auch persönliche Erfahrungen in einen nicht nur für mich selbst plausiblen Sinnzusammenhang zu bringen. Es soll dabei nicht nur um das Klarstellen der Begriffe und Relationen gehen, um das Entwickeln und Ausformulieren einer in sich stimmigen Theorie, obwohl schon das ein lohnendes Ziel ist, wie schon die Chinesen der frühen Kaiserzeit wussten: „Wenn der Kaiser die Dinge richtig benennt, dann geht auch in seinem Staat alles seinen richtigen Lauf, dann tut jeder von sich aus das Naheliegende und Notwendige“. Mit den letzten Worten dieser Aussage wird ein Weiteres angesprochen, das in den immer noch philosophischen Bereich der Ethik führt: es geht auch um die lebenspraktische und schließlich politische Umsetzung des philosophisch neu strukturierten, aber weiterhin sehr komplexen Ganzen, im einzelnen um Möglichkeiten, den verschiedenen Aspekten menschlicher Aggressivität auf pluralistische Weise zu begegnen. Das klarer Gewusste sollte auch zur besseren Handlungsorientierung dienen können, und nicht nur in einer vagen Zielbestimmung, sondern so, dass die Nahkonsequenzen der Fernziele auch im einzelnen praktiziert und ausprobiert werden können, um herauszufinden, ob sie den Menschen wirklich etwas bringen. Das erinnert an die Frage von W. I. Lenin „Čto delat’?“ („Was tun?“) und an die von Kurt Tucholsky allerdings eher ironisch gemeinte Frage, die ich aber ernst nehmen möchte: „Wo bleibt das Positive?“ Meinem multidimensional metatheoretischen Ansatz entsprechend werde ich mich sowohl mit biologischen und psychosozialen als auch psycholinguistischen und religiös-ideologischen Hintergründen menschlicher Aggressivität befassen. So folgt auf diese Vorbemerkung (5.1.) ein erstes größeres Kapitel (5.2.) mit einer sprachanalytischen Aufgabenstellung, beginnend mit einer Kritik am Missbrauch des Aggressionsbegriffs im „politisch korrekten“ Reden und in der Tabuisierung von vermeintlich schlimm aggressiven „Mord“-Handlungen, fortgesetzt mit einer Untersuchung der sprachlichen Herkunft (Etymologie) aggressionsbezogener Wörter, die zu einem interessanten Teilergebnis führen wird. In einem weiteren Kapitel (5.3.) geht es um (Natur)-Gewalten und wie sie von Menschen erlebt und mythisch-religiös verarbeitet werden. Unabhängig davon, dass Menschen von ihnen Leid und Verderben erfahren können, soll in einem Exkurs der Eigengesetzlichkeit von Katastrophen nachgegangen werden. Im Kapitel 5.4. referiere ich über biologische Vorläufer tierischer und menschlicher Aggressionen. Dabei wird deutlich werden, dass so etwas wie eine orale Einverleibung für das dann einverleibte Objekt nicht nur in der Regel zerstörerisch-maligne, sondern ausnahmsweise auch konstruktiv-benigne Effekte haben kann, was ich an der Endosymbiose und der primären Sexualität zu verdeutlichen versuche. Nach den oralen Vorläufern tierischer Aggressivität wird diese im engeren Sinne als wichtiger Aspekt von Gefahrschutztrieben uploads/Geographie/ aggressiv-it-aet.pdf

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