Specimina Philologiae Slavicae ∙ Band 98 (eBook - Digi20-Retro) Verlag Otto Sag

Specimina Philologiae Slavicae ∙ Band 98 (eBook - Digi20-Retro) Verlag Otto Sagner München ∙ Berlin ∙ Washington D.C. Digitalisiert im Rahmen der Kooperation mit dem DFG-Projekt „Digi20“ der Bayerischen Staatsbibliothek, München. OCR-Bearbeitung und Erstellung des eBooks durch den Verlag Otto Sagner: http://verlag.kubon-sagner.de © bei Verlag Otto Sagner. Eine Verwertung oder Weitergabe der Texte und Abbildungen, insbesondere durch Vervielfältigung, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlages unzulässig. «Verlag Otto Sagner» ist ein Imprint der Kubon & Sagner GmbH. Ilse Ermen Der obszöne Wortschatz im Russischen Etymologie, Wortbildung, Semantik, Funktionen Ilse Ermen - 978-3-95479-475-1 Downloaded from PubFactory at 05/31/2021 04:54:36PM via free access 00050588 SPECIMINA PHILOLOGIAE SLAVICAE Herausgegeben von Olexa Horbatsch, Gerd Freidhof und Peter Kosta Band 98 Ilse Ermen Der obszöne Wortschatz im Russischen Etymologie ־Wortbildung - Semantik ־Funktionen VERLAG OTTO SAGNER • MÜNCHEN 1993 Ilse Ermen - 978-3-95479-475-1 Downloaded from PubFactory at 05/31/2021 04:54:36PM via free access 00050588 Verlag Otto Sagner, München 1990. Abt. Fa. Kubon und Sagner, München. Druck: DS Druck GmbH, Marburg/Lahn. ISBN 3-87690-543-5 Ilse Ermen - 978-3-95479-475-1 Downloaded from PubFactory at 05/31/2021 04:54:36PM via free access 000Б0588 VORBEMERKUNG "Der obszöne Wortschatz im Russischen" ist die leicht überarbeitete Fassung meiner 1990 an der FU Berlin geschriebenen Magisterarbeit. Wegen der relativ großen Nachfrage habe ich mich entschlossen, sie zu veröffentlichen, obwohl einige Themen bereits an anderer Stelle behandelt wurden. Mein Dank g ilt Herrn Dr. phil. habil. Siegfried Tornow für die konstruktive und humorvolle Betreuung meiner Abschlußarbeit, Herrn Andreas Kellermann für die technische Unterstützung bei der 1. Fassung, dem slavischen Seminar der Universität Basel und, last, but not least, den Informanten und Informantinnen für ihre Geduld, ihre Beispiele, Anek- doten und Witze: Herrn Michail Kostolomov, Herm Leonid Mežibovskij, Herm Dr. Nikita Samikov, D.N., Frau Laura Salina und ganz besonders Frau Varvara Petrowa. • • Uber Anregungen und Kritiken werde ich mich freuen. I Basel, im Februar 1993 Ilse Ermen - 978-3-95479-475-1 Downloaded from PubFactory at 05/31/2021 04:54:36PM via free access 00050588 INHALTSVERZEICHNIS « Vorbemerkung I Inhaltsverzeichnis II Einleitung: Obszön - Tabu - Zensur 1 1. Der zu untersuchende Wortschatz 6 1. 1. Abgrenzung des Wortschatzes 6 1 .2 . Quellen 7 1 . 3. Der Begriff "русский мат" 8 1. 4. Zu den Übersetzungen 10 2. Etymologie 12 2 . 1 . Wörter slavischer Herkunft 13 2 . 2 . Wörter fremsprachlicher Herkunft 15 2 . 3 . Bemerkungen zum Mutterfluch 17 2 .4 . Schlußfolgerung 20 3. Wortbildung 22 3.1. Substantive 24 3.1.1. Suffigierung 24 3.1.2. Analogiebildungen 27 3.1.3. Verballhornungen 28 3.1.4. Komposition 29 3.2. Adjektive 30 3.3. Verben 31 3.3.1. Ableitungen von Primärverben 31 3.3.1.1. Paradigmen der häufigsten Primärverben 32 3.3.1.2. Verballhornungen und Analogiebildungen 34 3.3.2. Denominative Bildungen 34 3.3.2.1. Regelmäßige Bildungen 35 3.3.2.2. Regelwidrige Bildungen 35 3.4. Interjektionen 38 3.5. Adverbien und Partikel 38 4. Semantik 40 4.1. Verben 40 4.1.1. Sexuelles für Nichtsexuelles 40 4.1.1.1. Semantische Interpretation (diffuser Verben) 41 4.1.1.2. Bedeutungsschwerpunkte 43 4.1.1.3. Semantisch eindeutige Verben 48 II Ilse Ermen - 978-3-95479-475-1 Downloaded from PubFactory at 05/31/2021 04:54:36PM via free access 00050588 III 4.1.2. Skatologisches für Nichtskatologisches 49 4.2. Substantive 51 4.2.1. Bezeichnung kognitiver Fakten 51 4.2.2. Subjektiv-wertende Bezeichnung 52 4.2.3. Substantive in quasi-pronominaler Funktion 56 4.3. Adjektive und Partizipien 57 4.4. Adverbien und Partikel 59 4.5. Interjektionen und Füllwörter 60 4.6. Feste Wortverbindungen und Redewendungen 61 4.6.1. Feste Wortverbindungen 61 4.6.2. Redewendungen 61 4.6.3. Die Wendung "ёб твою мать" 62 4.7. Zusammenfassung der Charakteristika obszön/nicht- « » _ obszöner Übertragungen 64 4.8. Nichtobszöne Lexeme in obszöner Bedeutung 65 4.8.1. Geschlechtsakt 65 4.8.2. Geschlechtsorgane 68 4.9. Sexualität im Spiegel des russischen obszönen Wort- schatzes 71 5. Funktionen 73 5.1. Benennung sexueller und skatologischer Signifiés 73 5.2. Expressivität 74 5.3. Parodie 76 6. "Кто матом кроет"? 79 Zusammenfassung 86 Abkürzungen 88 Literatur 89 Anhang 94 A. Literatur 95 B. Folklore 102 I. Častuški 102 II. Witze 102 C. Übersicht zur Wortbildung 105 Ilse Ermen - 978-3-95479-475-1 Downloaded from PubFactory at 05/31/2021 04:54:36PM via free access 00050588 "И немедленно выпил" Venedikt Erofeev, "Moskva - Petuški" Ilse Ermen - 978-3-95479-475-1 Downloaded from PubFactory at 05/31/2021 04:54:36PM via free access 00050588 E I N L E I T U N G O b s z ö n - T a b u • Z e n s u r Der Begriff des Obszönen ist relativ. Obszön bedeutet nach Auskunft des Dudens "in das Schamgefühl verletzender Weise auf den Sexual-, Fäkalbereich bezogen; unanständig, schlüpfrig".1 Schamgefühl und Anstand sind wiederum relative Begriffe. W ie die D efinition weiter aussagt, kann das Schamgefühl durch Bezugnahme auf Sexuelles und Skatologisches verletzt werden. Die Abhängigkeit von den moralischen Normen einer bestimmten Kultur wird dabei nicht erwähnt: "There has been little attention to the fact that notions of obscenity (like crime) vary culturally and the obscene behavior is functionally definable only with relation to the culture of which it is part."2 Vorstellungen von Anstand und im Zusammenhang damit von Obszönität sind abhängig von der jeweiligen Gesellschaft, innerhalb dieser meist von Geschlecht, Klasse und Schicht, und immer vom Individuum. In den europäischen und amerika- nischen Industriegesellschaften, gleich welcher politischen Prägung, gelten nahezu alle Körperausscheidungen als das Schamgefühl verletzend, vor allem jedoch anale und genitale. Bereits der Nasenschleim hat etwas Anstößiges, jedoch ist es noch erlaubt, sich in Gesellschaft zu schneuzen. Der Körper sollte möglichst klinisch rein und geruchsfrei sein, olfaktiv » ♦ nicht wahrnehmbar. In der Ö ffentlichkeit urinierende Männer werden gemeinhin toleriert, Frauen, die sich derselben Anstandsvcrlctzung schuldig machen, dagegen nicht. Das Defäkieren sowie die Performation genitalsexueller Handlungen ‘en publique* ist für beide Geschlechter inakzeptabel. Zwischen den moralischen Vorstellungen der einzelnen Industrienationen bestehen graduelle Unterschiede. Gemeinhin gelten jedoch Genital- und Analbereich sowie deren Nennung in nicht-medizi- nischem Zusammenhang als obszön. Dies gilt selbstverständlich auch für die russische Sprachetikette. Der Teil des russischen Wortschatzes, mit dem sich die vorliegende Untersuchung befaßt, steht in inhaltlicher oder formaler Beziehung zu jener verpönten Körperzone und wird folglich als obszön klassifiziert. Die Gegenstände und somit auch deren Namen unterliegen dem Tabu. Tabu und Obszönität stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander. Zuwiderhandlungen gegen bestimmte Taburegeln werden als obszön empfunden, das Obszöne wird tabuiért. Unter Tabu ist zweierlei zu verstehen: zum einen das archaische Tabu, das "Verbot, 1 1 Duden (1989), S. 1093. 2 Honigmann (1978), S.31. Ilse Ermen - 978-3-95479-475-1 Downloaded from PubFactory at 05/31/2021 04:54:36PM via free access bestimmte Handlungen auszuführen, besonders geheiligte Personen oder Gegenstände zu berühren, anzublicken, zu nennen, bestimmte Speisen zu genießen"1 - ein Verbot, welches so stark ist, daß eine Zuwiderhandlung beim Täter selbst starke psychische Störungen hervorrufen kann, die nur m ittels Magie behoben werden können2 - und zum ändern das gesellschaftliche Tabu, ein "ungeschriebenes Gesetz, das aufgrund bestimmter Anschauungen innerhalb einer Gesellschaft verbietet, bestimmte Dinge zu tun".3 Bei dem Tabu, dem der obszöne Wortschatz unterliegt, handelt es sich um das zweite, gesellschaftliche. Die Tabuierung des Geschlechtlichen und Skatologischen ist wahrscheinlich in einer späteren historischen Entwicklungsphase anzusetzen als die in prim itiven Gesellschaften verbreitete Tabuierung von Jagd- und Totemtieren, Nahrungsmitteln, Kultgegenständen.4 Eins der beliebtesten Beispiele für das archaische Sprachtabu ist ‘der Bär im Indoeuropäischen’. Die einschlägige Literatur erwähnt zwar Körperteile betreffende Tabus, doch beziehen sich diese in erster Linie auf Hand und Zunge, sowie gelegentlich auf Füße und Eingeweide.5 In Analogie zum Tabu für Extremitäten (Hand, Fuß) und andere Körperteile (Zunge), denen eine vom menschlichen W illen unabhängige Kraft zugesprochen wurde, ist anzunehmen, daß zumindest das männliche Geschlechtsorgan, wenn nicht in seiner Funktion als Zeugungsorgan, so doch als Extremität tabuiért wurde - nicht umsonst heißt es in mehreren indoeuropäischen Sprachen ‘das Glied’, also die F.xtremität an sich. F,s ist nicht auseeschlossen. daß sich die Sprachwissenschaftler in dieser Hinsicht selbst ein Tabu auferlegt haben. Die Geschichte des Nennungsverbotes sexueller Signifiés zurück- zuverfolgen ist daher anhand des bisher vorliegenden Forschungs- materials kaum möglich. Euphemismen für ‘obszöne’ Inhalte werden auch im Europa des 20. Jh. nach denselben Prinzipien gebildet wie verhüllende Wörter für tabuierte Gegenstände in prähistorischer Zeit (Umschreibung, Metapher, stell­ 1 Duden (1989), S. 1507, Hervorhebung von mir. 2 Zu den Auswirkungen des archaischen Tabus vgl. J.G. Frazer The Golden Bough, Part II, "Taboo and the Perils of the Soul", London 1914: "The transgression of taboos affects the soul of the transgressor, becoming attached to it and making him sick. If the attachement is not removed by the wizard, the man will die." S.212, s.a. ebd. S.135f., S.165. 3 Ebd., S. 1507. 4 Vgl. v.a. Meillet (1926), z. d. Slavcn Zelenin (1929/30) I, Zelenin unterscheidet aus- drücklich zwischen einem "табу приличия и нравственности" und einem "табу верования", ebd. S.l*2. 5 Vgl. Havers (1946), S.55-64. Ilse Ermen - 978-3-95479-475-1 Downloaded from PubFactory at 05/31/2021 04:54:36PM via free access ОООВО588 vertretendes Pronomen, lautliche Veränderung).1 Auch heute noch kann das Aussprechen eines tabuierten Wortes heftigste Reaktionen hervorrufen. Im Unterschied zum archaischen Tabu kann eine Zuwiderhandlung gegen ein gesellschaftliches Tabu willentlich vorgenommen werden. Die Ahn- dung eines solchen Verstoßes erfolgt von außen, durch die Gemeinschaft. Eine scharfe Grenzlinie zwischen archaischem und gesellschaftlichem Tabu zu ziehen ist jedoch kaum möglich. Zensur ist der autoritäre Eingriff von seiten einer übergeordneten Instanz, das Verbot, etwas zu sagen oder zu schreiben. Was als unaussprechlich gilt, uploads/Geographie/ der-obszoene-wortschatz-im-russischen-ilse-ermen 1 .pdf

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