Peter Pörtner Tractatus obliquo theologicus Moritaten und Graffiti von der Wand

Peter Pörtner Tractatus obliquo theologicus Moritaten und Graffiti von der Wand eines Gedächtnis-Theaters Noch unautorisierte Fassung (Februar 2016) Für Lili Naomi Kirchberger II II Zur Person des Autors: Hier: Peter Pörtner „m., mhd. portenære, portener, spätmhd. portner, pörtner (Lexer 2, 287 und nachträge 341), was pfortner, pförtner 1: du solt unser (des klosters) portner sein. Eulenspiegel 138 neudruck; der portner (des klosters) .. schlosz die porten auf. Wickram rollw. 8, 25; und so si mich für wirdig schetzen, / in einer schûl zur thüren setzen, / und geben iren schlüssel frei, / dasz ich pedell und pörtner sei. Scheidt Grobian. 4898; in ainem closter .. ein portner was, der gewalt und bevelch hat, den armen leuthen das allmôsen auszzuthailen, wie dann noch heüt bei tag in den clöstern und schlössern der brauch ist, das man den portnern solche ämpter gibt. Lindener schwankb. 22 Lichtenstein; esz kam ein alter portner herfir im hembdt, that uns dasz thürlin auf. F. Platter 233b; Reinhart der (anklopfenden) jungfrauwen die thür öffnet, die nicht wenig freude von diesem portner empfahen thet. buch d. liebe 233c; er flohe in desz portners gemach. Polychorius Suet. 77b; portner, der gewalt het einzelassen. Maaler 319b; kärntisch portnar Lexer 36; sonst nur noch in nachahmung alter redeweise gebräuchlich: zum pörtner (des klosters) soll ein weiser greis erwählt werden. Scheffel Ekkeh. 20; das pörtneramt ebenda.“ Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm III III 1. Schmerzen sind eine Art Selbstumklammerung. Vielleicht kein guter Beginn. Aber die Schwelle ist nicht nur der Platz der Erwartung (Goethe). Sie ist auch der Platz der Erinnerung, 1.1 Von Aufmerksamkeit kann keine Rede sein. – Wie denn auch? – So muss auch endlich klar sein, dass es nicht heißen kann: „Ich schreibe über mich.“ – eher ist gerade noch hinzunehmen: „Ich schreibe mich.“ – Quasi als Performanz der Aufmerksamkeit, von der kein Rede sein kann. 1.11 Pli selon pli; zum ersten und als Ausgangs-Falte: Die Explikation vertieft die Implikation. Das heißt: Die Erklärung verklärt die Latenz. Auch umgekehrt. Dies gilt, denke ich, für alles, was folgt. 1.12 Das Maß der Diskontinuität, das Maß ihrer Radikalität, entscheidet darüber, welche Spezies von Metapher, auch eine Art von Faltung, wir vor uns haben. In die Metapher tritt das Bild immer tiefer in den Schatten; und wird heller, bis es überbelichtet zu sein scheint, bis an den Rand der Transparenz. 1.13 Wahrnehmungsformen, alle, wann immer man davon sprechen kann, kon- stituieren ihre eigene Unkenntlichkeit; mittels Wahrnehmung. Je vollkommener sie sind, desto unkenntlicher; desto transparenter für sich selbst. – Vielleicht hatte Hegel eine solche Vorstellung vom vollendeten Begriff. 1.2 Rettung des Sinns kann und sollte, solange Menschen sind, nur Rettung der Transzendenz heißen. In welcher Form und wo auch immer; selbst als Ridikü- lisierung, oder als Anklage oder Überbelichtung. Sinn lebt nur im Element der Transzendenz. - Transzendenz ist Ereignis und Erscheinung; oder sie ist nicht. 1.21 Das Schweigen ist immerhin, und nach allem, ein Schallraum aus Licht. Oder ein der Länge nach halbierter Trichter. Oder einfach nur ein überdrehter Schmetterling. 2. In der Sprache allerdings, da haust das Sein. Und wie! 2.01 Wogegen vergeht sich das Vergehen? – Gegen seine Angst vor davor, dass sich die Zeit einmal verweigern könnte. IV IV 2.011 Sensibel zu sein – bedeutet, das Leben als einen Rausch der Selbsttrauma- tisierung erfahren zu müssen. Das ist die menschliche Seite des Seins. 2.012 Was kommt, scheint oft eine Rache dessen zu sein, was gegangen ist. 2.0121 Bleib bei mir. – Aussichtslos, diese Forderung an sich selbst zu richten. 2.0122 Als ich darauf gekommen bin, dass die Entscheidung zu einem bewusst opernhaften Dasein eine günstige Alternative ist, war es – für mich – zu spät. 2.0123 Das Lustprinzip ist das alltägliche Parfüm für unsere strukturelle Hilflo- sigkeit. 2.01231 Allgemeine Anthropologie. Der Schlag ins Leere und das Blinzeln des Realen. Das Aufblitzen des Begehrens in der Abwendung. – Nur das Unum- gängliche wird Ereignis. Die seinsschaffende Kollision zweier – sagen wir noch einmal, Abschied nehmend: - Nichtse. 2.0124 Wir sind erkennbar - ich denke: nur - an den Konturen unserer Einsam- keit. Diese sichtbar zu machen, ist eine fast unmögliche Aufgabe (aber für wen?). 2.013 Richtig wäre: „Die Welt ist alles, was der Verfall ist.“ – Wir kommen uns näher. 2.0131 Isomorphie. - Lieber Freund, das Denken ist so unfertig wie die Welt. Die beiden messen sich aneinander. - Andererseits ist es nur das Denken, das uns mit Sinn überraschen kann. Ein Vorgeschmack des Glücks; vielleicht der einzige. 2.014 Jeder Moment des Versagens ist, wie wenn, früher einmal, ein Ackermann kurz zum Himmel, oder den Wolken, aufblickt; bevor er seinen festgefahrenen Pflug aufs Neue richtet. 2.02 Gedanken, die wirken wollen, müssen einen Schein – von Immunität – ausstrahlen. – Nicht im Sinne von Abwehr; eher im Sinne von Nicht-Bereitsein, vielleicht sogar im Sinne von Sterilsein. Nur sterile Gedanken befruchten die Welt. 2.0201 Nimbus und Heiligenschein sind zinsloser Kredit auf Souveränität. 2.021 Ist es nicht die intensivste Art der Menschenverachtung, den Menschen nichts anzutun. V V 2.0211 Noch einmal – und wieder – bei Goethe ansetzen und das Übergängliche (und Milde) als etwas verstehen, das nach der Trennung und Sonderung erst möglich wird. Der Bruch, der Unterschied, die Störung und Zerstörung, die Scheidung - wir sehen die Alchymie salutieren - als Element des Übergängli- chen. 2.0212 Zur Methode Mallarmés. - Indem X imaginäre Räume und Dinge be- schreibt, artikuliert X sich als Produkt der Dinge und Räume, die X beschreibt, als Schnittpunkt zweier Reflexe, von denen keiner als erster da gewesen sein darf. X artikuliert und beschreibt qua/als Reflex des von X Beschriebenen und Artikulierten. - Avec comme pour langage / Rien qu’un battement aux cieux... 2.022 Im besten Fall ist ein Gedicht die Performanz der Erkenntnis. – Wie das Licht nur die Sichtbarkeit seiner selbst bekundet; auch wenn es anderes sichtbar macht. Auch das lumen rationis sieht nur sich selbst; oder – eben – nichts. 2.023 Was zugrunde liegt, ist das, worüber alles, was ist, ins Sein stolpern musste. Der Anfang ist kein Stein des Anstoßes; und Grundstein kann er nur sein, weil er ein Stolperstein ist. 2.0231 Veuve Clicquot. - Das Sein besteht auf und aus der Kraft, die täglich Nichts genannt wird, um nicht verstanden zu werden. Und während des letzten Atemzugs der Welt, so weit sind wir, ist es – jetzt erst recht – die Aufgabe der Kunst, gleichsam als universale Schaumschlägerin, den Kelch (Vase, Urne) zu füllen, woran wir verdursten. - La pur vase d´aucun breuvage / que l´inexhau- stible veuvage... 2.0232 Schiller schreibt: „Freundlos war der große Weltenmeister, / Fühlte Man- gel – darum schuf er Geister, / Sel'ge Spiegel seiner Seligkeit! / Fand das höch- ste Wesen schon kein gleiches, / Aus dem Kelch des ganzen Seelenreiches / Schäumt ihm – die Unendlichkeit.“ – 2.0233 Hegel verändert dies – übermütig – am Ende seiner „Phänomenologie des Geistes“ zu: „beide zusammen, die begriffne Geschichte, bilden die Erinne- rung und die Schädelstätte des absoluten Geistes, die Wirklichkeit, Wahrheit und Gewißheit seines Throns, ohne den er das leblose Einsame wäre; nur -- aus dem Kelche dieses Geisterreiches / schäumt ihm seine Unendlichkeit.“ 2.02331 Ohne Bassregister. Oder: Von der Sparsamkeit. – Ich habe, um von mir zu reden, und um es so zu sagen, wie Mahler, vor allem im Lied von der Erde, einen Hang; den Hang zur – fast generalisierten – Basslosigkeit. – Zerflatternde, gleichsam züngelnde Melodien lösen sich nach oben hin auf – und lassen den Mangel einer ostinaten – eben basalen – Begründung zurück. – Erübrigt es sich VI VI zu sagen, dass ein Grund immer zu schwer ist, um bereit zu sein, sich nach- oder gar nach oben ziehen zu lassen - ? 2.02332 „Was ist das für eine Welt, welche solche Klänge und Gestalten als Widerhall auswirft? [...] eine brennende Anklage an den Schöpfer.“ (G. Mahler) 2.024 Nur die Latenz kann die Konstanz der Dinge garantieren. Wie ein grund- töniger, aber unhörbarer Liegeton; also als unhörbare Bestätigung des Hörbaren. – Warum findet man, wohin man auch schaut, immer dasselbe Modell? – Nur Schnittmengen. Von Zweien, die sich ausschließen. 2.025 Rien que du blanc à songer. - Stell dir den Moment vor, in dem das Ein- horn das Wissen um seine Nichtexistenz befällt. – Sein verlegener Blick. Sein verlegenes Scharren; kaum mehr ein Scharren. Das Erschrecken vor – seiner Unsterblichkeit. 2.0251 Unicornis captivatur /Aule regum presentatur / Venatorum laqueo / Palo serpens est levatus / Medicatur sauciatus / Veneno vipereo. - Sucht danach! 2.026 Goldaugen-Fondue. - Hier zählt nur Heimtücke; und Katastrophenhuma- nität. 2.027 Aquagraphie. Mit Wasser ins Wasser schreiben. Der Widerspruch, der es mit sich selber treibt; der in sich selber treibt. Vielleicht auch eine Flaschenpost, deren Geheimnis einmal auf dem Etikett stand, wie eine Adresse. Schrift, die jetzt, gelöst, im Wasser treibt. – So weit das Auge reicht. 2.0272 Von Igitur weiß ich, welche Worte ich meiden muss. – Ich nenne sie nicht. – Aber: Igitur: die Überwindung des gewöhnlichen, tri-vialen, Abstiegs und Tods. Durch Imitation. Der Selbst-Mord, der Mord am (amorphen) Selbst; ohne die Gewissheit einer phönixhaften Wiedergeburt. Aber uploads/Geographie/ peter-poertner-tractatus-obliquo-theologicus-moritaten-und-graffiti-von-der-wand-eines-gedaechtnis-theaters.pdf

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