Hans Arnfrid Astel ARCHILOCHOS UND DAS VERLANGEN, DIE NACHTIGALL ANZULANGEN Zwe
Hans Arnfrid Astel ARCHILOCHOS UND DAS VERLANGEN, DIE NACHTIGALL ANZULANGEN Zweiter Teil. Freier Vortrag auf dem Hubert-Fichte- Symposion in Hamburg-Altona am 20. Oktober 1989 Aus: Einhornjagd und Grillenfang. 13 Jahre Saarbrücker Schule, herausgegeben von Klaus Behringer, Angela Fitz und Ralf Peter, Saarbrücken: PoCul-Verlag für Politik & Cultur 1992 ARCHILOCHUS There used to be a poet named Archilochus one of the greatest of them all Oh there’s nothing of his poetry now except some scattered lines I wish we could hear Archilochus play his four-stringed lyre Oh to hear some great poetry to make the world entire Oh I learned from Archilochus about the nightingale Oh I long to hold the nightingale nesting in my hands and I love to spend the Catskill spring the Catskill spring with you and you know that there’s a hunger there to touch the nightingale Oh they talk so elegantly about eternity Oh I sing to you Archilochus to touch the nightingale And you know that there’s a hunger there to touch the nightingale Feel the fluttering wings upon my begging lips »Es gab da mal einen Dichter, Archilochos, einen der größten von allen, aber von seinen Gedichten ist nichts mehr erhalten außer einigen zerstreuten Zeilen. // Ich wollte, wir könnten Archilochos seine Vier- Saiten-Leier spielen hören, ein wenig große Poesie, daß die Welt wie- der ganz wird. // Archilochos hat mich die Nachtigall gelehrt. Ich seh- ne mich danach, ihr Nest in meiner Hand zu tragen, // und ich möchte den Frühling der Catskill-Berge so gerne mit dir erleben. Und du weißt, daß es diesen Hunger gibt, die Nachtigall zu berühren. // Wie reden sie so gewandt von der Ewigkeit, aber ich singe dir den Archilo- chos, um die Nachtigall zu berühren. // Du weißt, daß es diesen Hun- ger gibt, die Nachtigall anzufassen. // Fühl doch die flatternden Flügel auf meinen flehenden Lippen.« Also, das war Ed Sanders. Durch dieses Lied bin ich auf diese Spur gekommen. Es interessierte mich, dem nachzugehen: »to touch the nightingale«, und er sagt, daß ers von Archilochos gelernt hat, und ich habe nun im Schreibheft zum 50. Geburtstag von Hubert Fichte eine 1 http://www.zikaden.de/ hans arnfrid astel, archilochos… (zweiter teil) 2 Recherche gemacht nach diesem Vorkommen der Nachtigall bei Archi- lochos. Das war sehr kompliziert, und das ist dort detailliert darge- stellt. Ich sage Ihnen nur, was dabei herausgekommen ist – sehr müh- sam – nämlich, daß ein Grammatiker, Hesychios, eine Zeile oder eine Metapher von Archilochos überliefert hat, er habe das Geschlecht der Frau »Nachtigalljunges« genannt, und das heißt aädonideús (ηδïνιδεýς) – aädon (ηδþν) ist die Nachtigall, und aädonideús (ηδïνιδεýς) ist das Junge der Nachtigall – und das steht dort bei diesem Grammatiker erklärt, täs gynaikòs aidoion (τς γυναικNς αδï¦ïν), das Geschlecht der Frau, ja? Das klingt alles ganz leicht, war sehr schwer zu finden. Ich habe am Ende dieses Aufsatzes etwas ver- sprochen, nämlich zu sagen, wer eigentlich in diesen Metaphern ver- borgen ist. Archilochos selbst nennt sich eine Zikade, was man im Nor- den gern mit Grille übersetzt. Er wurde eine Wespe genannt, er wurde eine Nachtigall genannt. Und ich habe versprochen etwas sehr Leicht- sinniges: im zweiten Teil dieses Vortrags peinlich genau zu erklären, was was ist. Es gibt auf der griechischen Insel Paros, wo Archilochos die meiste Zeit gelebt hat, wo er herkommt, ein Archilocheion, das teilweise aus- gegraben worden ist. Ein Heiligtum mit Inschriften und Legenden aus seinem Leben. Ich lese eine wichtige und zentrale Legende vor: Man erzählt, daß Archilochos, als er noch recht jugendlich war, von sei- nem Vater Telesikles aufs Land geschickt worden sei, in die Gemar- kung, die Leimones (die Auen) heißt, eine Kuh zum Verkauf (in die Stadt) zu führen, und er sei aufgestanden recht früh bei der Nacht, wäh- rend der Mond schien, und habe die Kuh zur Stadt geführt. Als er aber an den Platz kam, der Lissides (schlüpfrige Stellen) heißt, da habe er eine Schar Frauen zu sehen vermeint. Er sei der Meinung gewesen, sie kehrten von ihrer Arbeit in die Stadt zurück, habe sich ihnen genähert und sie geneckt, sie aber hätten das mit Scherz und Lachen aufgenom- men und ihrerseits gefragt, ob er die Kuh zu Markte führe: Als er das bejahte, hätten sie gesagt, sie würden ihm einen angemessenen Preis zahlen. Kaum war das gesagt, so wären weder sie selbst noch die Kuh zu sehen gewesen, zu seinen Füßen aber habe er eine Leier erblickt. Da sei er erschrocken über alle Maßen, aber als er nach einer Weile zu sich kam, habe er begriffen, daß es die Musen waren, die ihm erschienen und die Leier ihm zum Geschenk machten. Er habe die Leier aufgeho- ben und habe den Weg zur Stadt fortgesetzt und dem Vater berichtet, wie ihm geschah. Diese Schilderung hat eine gewisse Parallele zu einer Musenberufung des Dichters, wie sie vorgeprägt ist von Hesiod, aber wie sie vor Hesiod nicht existiert. Mir kommt es darauf an herauszukriegen, auch was die Musen sind in diesem Dreieck Nachtigall – Zikade/Grille – Schwein. Das kommt noch. Hesiods Theogonie beginnt mit einer Schilderung der Musen, mit einer Musenanrufung. Ich lese das vor: … // Diese Göttinnen haben eines Tages / Hesiod schönen Gesang gelehrt, / Wie er die Schafe weidete / Am Hang des gotterfüllten Heli- kon. / Und das war das Wort, das im Anbeginn / Die Göttinnen zu mir sprachen, / Sie, die Musen des Olymp, des Aigisherren Töchter: / »Ihr Hirten, unbehauste, traurige Gesellen, / Nichts als Bäuche, / Wir wis- sen trügenden Schein in Fülle zu sagen, / Dem Wirklichen ähnlich, / Wir wissen aber auch, wvnn es uns beliebt, / Wahres zu künden.« / So sprachen des großen Zeus Töchter / Die über das rechte Wort verfügen, / Und gaben mir den Stab des Sprechers, / Des starksprossenden Lor- beers Zweig, / Ihn mir zu brechen, den bewunderten, / Und hauchten mir Stimme ein, göttliche, / Auf daß ich rühme, was sein wird / Und was vorher gewesen, / Und sie hießen mich preisen der Seligen Ge- schlecht, / Der fort und fort Seienden, / Sie selber aber zuerst und zuletzt alle Zeit zu singen. // Aber wozu erzähl ich das, / Geschichten 3 http://www.zikaden.de/ hans arnfrid astel, archilochos… (zweiter teil) 4 vom Baum oder Fels? / … / Und ihre Stimmen erklingen wie eine. / Und ihnen strömt ohne Ermatten die Stimme / Hervor aus dem Mun- de, süß. / Es lacht das Haus des Vaters, / Des machtvoll donnernden Zeus, / Wenn der Göttinnen lilienklarer Schall sich ausbreitet; / Es hal- len wider die Gipfel des schneeigen Olymp / Und die Wohnstätten der Unsterblichen. / Sie aber senden aus die Botschaft unvergänglicher Rede / Und rühmen zuerst in ihrem Sang / Der Götter ehrwürdiges Geschlecht von Anbeginn an, / Die Kinder waren der Erde und des wei- ten Himmels, / Und die von diesen Sprossen entstammen, / Die Götter, Spender der Güter. // … // Wahrlich, zuallererst entstand / Die gähnen- de Lere (Chaos), / Alsdann aber die Erde (Gaia) mit ihrer breiten Brust, / Fort und fort sicherer Sitz von allen, / Und Eros (das Liebes- begehren), der der schönste ist / Unter den todfreien Göttern, der Glie- derlösende, / Aller Götter und aller Menschen / Sinn und verständige Absicht / Bezwingt er in ihrer Brust. // … / Die Erde (Gaia) aber brach- te zuerst hervor / Gleich weit wie sie selber / Den Himmel (Uranos), den gestirnten, / Daß er sie überall einhülle, / Auf daß er sei den seligen Göttern / Fort und fort Sitz ohne Wanken. / Und sie gebar die weiten Berge, / Der Göttinnen reizvolle Behausungen, der Nymphen, / Die in den schluchtenreichen Bergen wohnen. / Sie gebar auch das unfrucht- bare breite Wasser, / Das im Wogenschwall stürmt, das Meer (Pontos), / Ohne verlangende Liebe. / Aber darauf hielt sie Beilager mit dem Himmel / Und gebar den Okeanos, ihn mit seinen tiefen Wirbeln, / … // Sie gebar auch die Kyklopen, / … // All die Söhne also, / Die Erde und Himmel entsprossen, / Waren die gewaltigsten Kinder, / Verhaßt waren sie ihrem eigenen Vater, / Von Anbeginn an. / Und sogleich, wenn einer von ihnen geboren war, / Verbarg er sie einen um den ande- ren / Und ließ sie nicht empor zum Licht, / In der tiefen Höhlung der Erde, / Und es hatte seine Freude am schlimmen Tun der Himmel. / Sie aber stöhnte in ihrem Innern, / Die ungeheure Erde, bedrängt; / Einen listigen, schlimmen Kunstgriff / Dachte sie sich aus. / Und sogleich schuf sie die Sippschaft / Des grauen Adamas (Unbezwingbar) Das ist der Feuerstein, nämlich der graue, unbezwingliche Adamas. Der – wie sagt man hier? Flint. Flint sagt man hier. Fertigte draus eine riesige Sichel / Und wandte sich an ihre Kinder; / Und, ihren Mut zu erregen, sprach sie, / Unwillig in ihrem Herzen: / »Ihr meine Kinder, Kinder eines ruchlosen Vaters, / Vielleicht, daß ihr gewillt seid, mir zu folgen, / Laßt uns vergelten des Vaters uploads/Geographie/ arnfried-astel-archilochos-2.pdf
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