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CA^' ÜBER DEN GEGENSINN DER URWORTE VON CAEL AEEL, DK. Ph. hl LEIPZI(> 1884 VERLAG VON WILHELM FRIEDRICH KÖNIGL. HOFBUCHHANDLUNG. 'yot/:^/iS 6^mi/e>tA^^.^//kiH L^£<:>eyn^^<r/'y/y'yy ^ ^m a^{^yc^^^/te^/i/cic^/n^ . /A^^ytotk) c^^{'6,^>€6/ 1^, /Ae d(^^>€i.^Ami^ ^(/le . <9f rj:^^e/^uaA^ ytAe^ /^f^X5^^ ÜBER DEN GEGENSINN DER URWORTE CARL ABEL, DR. Ph. LEIPZIG 1884 VERLAG VON WILHELM FRIEDRICH KÖNIGL. HOFBUCHHANDLÜKG. Vorwort. Was ich in meinen Oxforder „Lectures'' über den Gegensinn, zumal im Slavischen, zu sagen Gelegenheit hatte, ist vielfach Gegenstand der Beachtung geworden. Die vorliegende Abhandlung sucht meinen Dank durch eine umfassendere Darstellung abzustatten. Bei der Be- deutung, welche die Frage für die Etymologie haben könnte, sei sie den Lexicographen besonders empfohlen. Berlin, September 1883. Digitized by the Internet Archive in 2010 witin funding from University of Toronto littp://www.archive.org/details/berdengegensinOOabel Ueber den Gregensinn der Urworte. Wäre Jemand tliöricht genug einer jungen Schön- heit zu sagen, dass er sie für ausserordentlich hässlich hielte, so würde ihm ein sarkastisches Lächeln und ein Zweifel an seinem gesunden Gesichtssinn die verdiente Antwort geben. Oder wollte Jemand den Amerikanern weisszumachen suchen, dass er sie für langsam, schläfrig und ununternehmend ansähe, so würde er bei ihnen mehr Heiterkeit, als Widerspruch erregen. Zu verneinen, was jeder sieht; zu leugnen, was alle gemeinsam erkennen, gilt mit Recht als ein Zeichen physischer oder geistiger Blindheit. Die jugendliche Schönheit würde den Men- schen gerade so schön, und Onkel Sam gerade so muthig und erfolgreich erscheinen, wie vorher, ehe der ohn- mächtige Einspruch geschah. Thatsachen sind eben Thatsachen, und können durch blosse Einreden nicht geändert werden. Die Sache scheint so selbstverständhch, Jass man den Gedanken, die Menschen hätten sie jemals anders betrachtet, nicht zu fassen vermag. Es scheint unglaublich, dass es einmal eine Zeit gegeben habe, in welcher ein Mann, im freundlichen Gespräch mit seinem Nachbar, jene blühende junge Dame hässlich, und einen berühmten Recken seiner Gegend einen schwächlichen Feigling ge- nannt haben könne. Es ist ebenso schwer zu verstehen, dass der Nachbar, dem diese ausserordentlichen Meinungen mitgetheilt wurden, sie nicht verlacht, sondern gebilligt und als völlig erwiesen angesehen haben soll. Und es ist sicherlich das Unbegreiflichste von allem, dass wäh- rend die Beiden hässlich nannten, was schön war, und schwach, was stark war, sie eigentlich gar nicht einmal meinten, das Schöne sei hässlich, und das Starke schwach, sondern vielmehr eine ganz richtige Ansicht von den Dingen hegten, und nur im Ausdruck, in der Bezeichnung so sonderbar fehl gingen. Die Sache sieht zu absurd aus, um möglich zu sein. Und dennoch haben wir den vollen geschichtlichen Beweis in Händen, dass es eine Periode gegeben hat, in welcher so wirre Gespräche geführt, und zwar mit allseitiger Zustimmung geführt worden sind. Ich spreche von der Periode, in welcher der Mensch — 3 — seine Begriffe zu bilden begann, von den längst vergange- nen Tagen, in welchen unser Geschlecht mit der Schwierig- keit, seine Gedanken zu fassen und auszudrücken rang. Ich spreche von der Urzeit des Menschengeschlechts, und der allmähligen Schöpfung der Sprache. Die ältesten erhaltenen Proben menschlicher Rede sind uns in den ägyptischen Hieroglyphen überliefert. Bis zu 3000 Jahren vor Christus zurückgehend, da die ersten historischen Dynastieen das Nilthal beherrschten, geben die Hieroglyphen in Wahrheit eine noch viel ältere Sprache, als diejenige, die zur Zeit der frühesten In- schriften gesprochen wurde. Der Beweis für das höhere Alter ist leicht geführt. Einerseits zeigen die ältesten In- schriften ein völlig ausgebildetes System der Lexicograpliie und Schrift, das zu entwickeln die Arbeit vieler Ge- schlechter gekostet haben muss. Andererseits sehen wir dieses System die Tausende von historischen Jahren, die wir es nachmals beobachten können, in allen wesent- lichen Punkten unverändert erhalten, und als einen heiligen Schatz von einer priesterlichen Generation der anderen überliefert. So sehr die Sprache sich in diesen langen Zeiträumen vermehrte, verklärte und verfestigte, die Ilieroglyphik blieb wesentlich bei ihrem alten Wort- 1* — 4 — vorrath und ihrer alten Grammatik stehen. Wie sie sich vorhistorisch gebildet, so erhielt sie sich in ihren haupt- sächlichen Zügen bis in die spätesten Zeiten, um zuletzt, bei Annahme des Christenthums, allmählig unterzugehen und die mittlerweile stark veränderte Volkssprache zur Schriftsprache werden zu lassen. In der ägyptischen Sprache nun, dieser einzigen Reliquie einer primitiven Welt, findet sich eine ziemliche Anzahl von Worten mit zwei Bedeutungen, deren eine das gerade Gegentheil der anderen besagt. Man denke sich, wenn man solch augenscheinlichen Unsinn zu denken vermag, dass das Wort „stark" in der deutschen Sprache sowohl ,, stark" als „schwach'* bedeute; dass das Nomen „Licht" in Berlin gebraucht werde, um sowohl „Licht" als „Dunkelheit'' zu bezeichnen; dass ein München er Bürger das Bier „Bier" nannte, während ein anderer das- selbe Wort anwendete, wenn er vom Wasser spräche, und man hat die erstaunliche Praxis, welcher sich die alten Aegypter in ihrer Sprache gewohnheitsmässig hin- zugeben pflegten. Wem kann man es verargen, wenn er dazu ungläubig den Kopf schüttelt? Wen kann man ungläubig schelten, wenn er hinter dieser Behauptung eine philologische Paradoxe vermuthet? Indessen es — 5 — giebt bekanntlich mehr Dinj^e zwischen Himmel und Erde, als man sich träumen lässt, und so wird auch die folgende Liste zunächst um geneigtes Gehör bitten dürfen. Sie enthält einige wenige Beispiele von solchen sich selbst widersprechenden Worten, wie sie so häufig in den Inschriften der ägyptischen Tempelgebäude gelesen, und wie sie hier, wahllos entnommen, Belegs halber mit- getheilt werden. Wollten die Aegypter „decken, bedecken, einwickeln" sagen, so sprachen sie iin;f (^^ ) 5 woll- ten sie aber „aufdecken, bioslegen" sagen, so gebrauchten sie denselben Laut (vielleicht mit einer leichten, schwer nachweisbaren phonetischen Modification) unh (, iiiiiini oTttg). Ebenso gebrauchten sie das Wort at (vielleicht in ähnlicher Weise modificirt) für die entgegengesetzten Bedeutungen „hören" und „taub sein" (""^ , s.. . ,it hören H ^ ät, taub); zu der Bedeutung „hören" trat obenein noch die der „gesprochenen Worte", also eine weitere Umkehrung, hinzu. Aehnlich wurde sneh „trennen" (1 ^ 3 ^"^^) ^*^" ^^ I ^—^ s^^^-^ „binden" kaum — 6 — erkeiJiitlich gesondert. Absolut derselbe Laut bezeichnete aber „stark" und „schwach": ken zi *^ ken, stark; A /5A ken, schwach). Ein völhs gleicher Laut diente ebenso dazu „oben" und „unten" auszudrücken: ;(ri (^ \ \ A «!'' aufsteigen; ^ (] (] ^ äri, Boden). Ein und dasselbe Wort an ((j /www an) besagte „weg- bringen", „wegnehmen" oder „hinbringen", „geleiten", ohne jede lautliche Unterscheidung beider Bedeutungen. Eine andere merkwürdige Vocabel dieser Art tem hiess sowohl „einschliessen" (s= ^^ ^) als „ausschliessen" ';w-Tr ^v^'^^^j' ohne dass die wichtige Differenz dieser Bedeutungen in der Aussprache irgendwie markirt wurde. Ja, dieselbe geistige Eigenschaft, welche diese wider- sprüchlichen Vocabeln schuf, und welche wir auf der gegenwärtigen Stufe unserer Kenntniss nur als eine heil- lose Confusion bezeichnen können, erreicht eine solche Höhe, dass der Laut hr (§>) ununterschieden angewendet wurde, um sowohl „zu'' als „von" auszudrücken. Ein anderes hr hatte die nicht minder irreführende Eigen- thümlichkeit einmal „mit" (*=¥> hr) und ein anderesmal „ohne" ( ' ^') zu bedeuten, und es dem Hürer zu überlassen, das Richtige in jedem einzelnen Falle heraus- zufinden. In späteren Zeiten wurde der Laut u als un- bestimmter Artikel „ein" dem Hauptwort vorgesetzt; nachgesetzt bildete derselbe Laut den Plural; ein Beispiel, welches indess durch die Verschiedenheit der Stellung sowie aus anderen Gründen nicht genau in die Kate- gorie der vorhergehenden fällt. Angesichts dieserund vieler ähnlicher Fälle antithetischer Bedeutung (siehe Anhang) kann es keinemZweifel unterliegen, dass es in einer Sprache wenigstens eine Fülle von Worten gegeben hat, welche ein Ding, und das Gegentheil dieses Dinges gleichzeitig bezeichneten. Wie erstaunlich es sei, wir stehen vor der Thatsache, und haben damit zu rechnen. Oder ist es vielleicht nur zufälliger Gleichlaut? Könnten nicht in einer Sprache, in der es so viele andere Homonymen giebt, deren Bedeutungen nichts miteinander zu schaffen haben, zwei Worte von völlig entgegenge- setztem Sinne sich zufällig in demselben Laut begegnet haben? Die Möglichkeit ist nicht zu leugnen; die Wahr- — 8 — scheinliclikeit indess von vornherein eine geringe. Man stelle sich vor, ein und dasselbe Wort habe, wie es that- sächlich bis in die spätesten Zeiten der ägyptischen Sprache mit hön (gcon) der Fall war, von Ungefähr „ge- horchen" und „befehlen" bedeutet. Oder vielmehr, was bei der angenommenen Hypothese die richtigere Auf- fassung sein würde, für die genannten beiden Begriffe wäre von ungefähr, und ohne irgend eine absichtliche Uebereinstimmung, der gleiche Laut hön gewählt worden. Man denke sich desgleichen, derselbe sonderbare Zufall hätte für die entgegengesetzten Präpositionen „mit" und „ohne" ein und denselben Laut her, und ebenso für die nicht minder verschiedenen „von" und „zu" ein und dieselbe Silbe her bestimmt. Würde man in einem solchen Fall die Homonymie entgegengesetzter Begriffe nicht als eine unerträgliche Verwirrung empfunden haben ? Würde man, wenn die entgegengesetzten Bedeutungen desselben Lautes nichts mit einander zu thun hatten, nicht für die eine von beiden irgend einen anderen Laut gewählt haben, um den Verwechslungen und Missver- ständnissen zu entgehen, welche die zufällige Homonymie solcher Gegenfüssler im Gefolge haben musste? Würde dieses bereite Mittel nicht zumal in einer Sprache ergriffen worden sein, welche in ihrer ältesten erkennbaren Periode für fast joden Begriff eine gro.sse Anzahl von Worten besass, und somit leicht diejenigen Vocabeln, die aus irgend einem Grunde unbequem wurden, uploads/Litterature/ abel-u-ber-den-gegensinn-der-urworte.pdf

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