Einführung in den Spekulativen Non-Buddhismus Glenn Wallis — 12.9.14 Dieser Tex

Einführung in den Spekulativen Non-Buddhismus Glenn Wallis — 12.9.14 Dieser Text ist Teil einer dreiteiligen Publikation des Spekulativen Non- Buddhismus. Die beiden anderen Texte sind die Anleitung zur Benutzung der Heuristik des Spekulativen Non-Buddhismus und Die Heuristik des Spekulativen Non-Buddhismus. In Sum Spekulativer Non-Buddhismus ist eine Versündigung an der buddhistischen Transzendenz – dem abgründigen Verlangen, sich über den Homo sapiens zu erheben und so ungeschoren einer leeren Realität zu entkommen. Der spekulative Non-Buddhismus ermöglicht Einsicht in das, was ein in sich selbst und in den Dharma verliebter buddhistischer Diskurs mit seiner Spiegelfechterei höchst effizient verbirgt. Der spekulative Non-Buddhismus ist der Tod dünkelhafter buddhistischer Eitelkeit. Er blüht über den trüben Wassern der Guten Nachricht vom Dharma und vergeht sich an allem, was die Interessen individualistischer Identität schützen, festigen oder garantieren würde. Die Blossstellung dieses transzendenten Mummenschanzes ist eine befreiende Untat, die Befreiung des zum Narziss verkommenen Menschen von sich selbst, zurück in das blinde, höllische und zügellose Wüten der solaren Fackel. ⸪ „Was wahr ist, kann sich nicht ändern; was sich verändert, ist nicht wahr“ – ist das nicht der erbärmliche Traum, mit dem viel zu viele ihren Witz verwässert haben? – François Laruelle Der spekulative Non-Buddhismus ist eine Art des Denkens und des Sehens, die den Buddhismus als Rohmaterial benutzt. Es ist ein Gedankenexperiment und stellt die Frage: Was bleibt vom Buddhismus übrig, wenn man ihn all seiner transzendentalen Repräsentation beraubt? Spekulativer Non-Buddhismus ist eine krische Praxis. Eine, aus der eine kritisch-konstruktive Methode entstehen könnte. Seine Ideen und seine Praxis allerdings machen den Buddhismus für sich selbst unkenntlich. Spekulativer Non-Buddhismus ist ein bestimmter Ansatz, buddhistische Lehren zu analysieren und zu interpretieren. Dabei münden seine Ergebnisse in für den Buddhismus selbst unhaltbare und sogar unverständliche Theoreme. Während es sich dabei um eine Um- Schreibung des Buddhismus handelt, ist der spekulative Non-Buddhismus aber keine Versuch einer Neuformulierung oder gar Reform, noch ein Versuch der Annäherung des Buddhismus an zeitgenössische, westliche, säkulare Werte. Er hat vor allem drei primäre Funktionen: 1) Aufdecken der syntaktischen Struktur des Buddhismus (die vom Buddhismus selbst nicht gesehen wird); 2) Untersuchung der Bedeutung und Tauglichkeit buddhistischer Sätze; 3) Prüfung aller zeitgenössischen Formen des Buddhismus in Bezug auf ihre Tendenz zum ideologischen Exzess. Da der spekulative Non-Buddhismus eine Praxis ist, die den Korpus eines vorgeblichen Wissens namens „Buddhismus“ zur Grundlage hat, ist es zunächst wichtig, seine ihn konstituierende Methodologie sowie einige ihr zu Grunde liegenden Annahmen aufzuzeigen. Zuvor jedoch wird es für den Leser hilfreich sein, zu erläutern, was es mit den Begriffen „spekulativ“ und „Non-Buddhismus“ auf sich hat. Spekulativ Ironischer Weise wird das Substantiv welches die kritische Praxis beschreibt, um die es hier geht, von einer geistigen Herangehensweise näher bestimmt, die der Buddhismus selbst allgemein scheut (di hi, d i). Das paradigmatische Beispiel ṭṭ ṛṣṭ hierfür findet sich im Culamalukya Sutta. Hier warnt der Buddha vor der Vergeblichkeit der Spekulation über unentscheidbare Fragen und Angelegenheiten, die er, in seiner Weisheit, „nicht erwogen“ hat. So wie ich den Terminus benutze, verweist er daher darauf, daß spekulativer Non-Buddhismus notwendiger Weise kein Interesse an dem hat, „was der Buddha sagte“ und sich buddhistischen Werten gegenüber nicht verpflichtet fühlt. Mehr noch und am wichtigsten, er erreicht seine neutrale Haltung gerade durch die Spekulation. Es zeigt sich nämlich, daß spekulativ, wie auch z.B. das über das lateinische specere verwandte perspektivisch, in seiner Etymologie auf das klare, scharfe, intelligente, geistige Durchdringen einer Angelegenheit verweist. Ein solches Sehen setzt ein besonderes Verhältnis zur fraglichen Sache voraus. In unserem Fall handelt es sich dabei um „Die Lehre Buddhas“, „Buddhismus“ oder den „Säkularen Buddhismus“. Eine spekulative Position gegenüber irgend einer Form des Buddhismus lehnt seine Lehrsätze weder ab, noch lässt sie sich von ihnen vereinnahmen. Im Gegenteil, diese Praxis erfordert die volle Akzeptanz des buddhistischen Status quo, so wie er ist – nichts verändert sich. Wäre das nicht so, würden sich die Spekulationen in Aussagen verwandeln, die mit denjenigen konkurrieren, die sie untersucht. Die Spekulation beginnt daher mit einer Befragung. In ihr liegt der Wert der kritischen Methode. Dabei muss man sich auch klar machen, was es mit dem Begriff kritisch auf sich hat. Das Wort entstammt dem griechischen krinein mit der Bedeutung „unterscheiden“, „urteilen“. Der Scheidevorgang, der die Untersuchung des vermeintlich homogenen, statischen Ganzen wesentlich ausmacht, führt zur crisis, d.h. in einen kritischen, instabilen Zustand. Nur solch eine Person, die diese Separation ermöglicht und die crisis entfacht, ist als Richter, krities, qualifiziert. Der Bürge dieser Qualifikation des Richters ist seine Fähigkeit als kritikos – als Person, die unterscheiden kann und eben dadurch fähig ist zu beurteilen. Darüber hinaus beinhaltet der Begriff kritikos eine weitere wichtige Nuance: Die Separation, die Unterscheidung und die Beurteilung finden mit Sorgfalt statt. Ein wichtiger Ansatzpunkt der Kritik des spekulativen Non-Buddhismus ist, daß der „X-Buddhismus“ in seiner ganzen Laufbahn, bis auf den heutigen Tag, nie in der Lage war eine selbstkritische Perspektive einzunehmen. In all seinen dichotomen Varianten, als östlicher- oder westlicher-, ur- oder moderner, konservativer- oder liberaler-, religiöser- oder säkularer Buddhisms; als Zen, Vipassana, MBSR oder einfach als Achtsamkeit – der Buddhismus als X-Buddhismus weigert sich oder ist einfach nicht in der Lage, erwachsen zu werden und diese austauschbaren Versatzstücke in einer Art und Weise einer kritischen Prüfung zu unterziehen, die sie zu mehr machen würden als Formen visionärer Wissens. Das Resultat aus Sicht des Spekulativen Non-Buddhismus ist, daß diese unkritische Borniertheit zu nichts führt als zu einem endlos redundanten, stetigen Kreisen um sich selbst. Spekulation dient dem kritischen Projekt, indem die Fragen die ich im Sinn habe, einen Bruch vorbereiten und schließlich eine Störung auslösen. Das heisst, die Spekulation bricht das geschlossene System, das Eine, das Ganze des Buddhismus auf. Es ist nicht schwierig zu sehen, wie diese Brechung zu einem Halt führt: Seine durch normative Sätze begründete scheinbare Einheitlichkeit und stetige, elegante Bewegung, zum Beispiel als „der Dharma„, bzw. tatsächlich als „der Buddhismus“, wird durch die spekulative Untersuchung zerlegt. Was folgt auf diese Zerlegung? Es könnte der Verlust der Zusammenhänge sein, vielleicht ein Zerfall in disparate Einzelteile, vielleicht eine radikale Umwandlung oder einfach der Untergang. Sicherlich aber bis zu einem gewissen Grad eine Störung – was wir aber nicht wissen werden, solange wir nicht beginnen zu spekulieren. Non-Buddhismus Mein ursprünglicher Impuls für die Formulierung des „Non-Buddhismus“ entstand als ich François Laruelles „A Summary of Non-Philosophy“ las (Pli 8, 1999, S. 138-148; ins Englische übersetzt von Ray Brassier), zusammen mit seinem Dictionary of Non- Philosophy (Paris: Editions Kimé, 1998; ins Englische übersetzt von Taylor Adkins). Laruelle ist gleichzeitig begeisternd und frustrierend. Ich finde nur schon den Versuch, seinen Gedanken zu folgen, anregend. Am interessantesten ist aber, daß er keinen inhaltlich neue Philosophie entwirft, daß er zu keinen spektakulären neuen Durchbrüchen in puncto Sein, Wahrheit oder Wissen käme – den üblichen Besessenheiten der Philosophie (er selbst sieht sein Werk weder als kritisch noch als konstruktiv). Es ist seine Art, im Denken und Schreiben zu agieren, die einen gefangen nimmt. Indem ich versuchte seinem Denken zu folgen und es zu verstehen, wurde mir klar, daß es andere Möglichkeiten gibt, Buddhismus zu denken und über ihn zu schreiben. Gleichzeitig ist Laruelle aber bis zum Überdruss frustrierend. Er denkt und schreibt auf einer Ebene unerhörter Abstraktion. Ray Brassier merkt über diesen Aspekt des Werkes von Laruell an: Diejenigen, die denken, formale Innovation sollte der substanziellen untergeordnet werden, werden unzweifelhaft Laruelles Arbeit abstoßend finden. Diejenigen, die glauben, formale Innovation von den Einschränkungen substantieller Innovation zu entbinden – und dabei letztere zu transformieren – sei ein wichtige philosophische Herausforderung, könnten Laruelles Werk als wichtigen Impuls empfinden. Unabhängig von der Reaktion – ob Abscheu oder Faszination – Laruelle bleibt indifferent. Er ist nur allzu bereit, den Preis der Abstraktion für eine methodologische Innovation zu zahlen, die verspricht, die Möglichkeiten konzeptioneller Erneuerung bis weit jenseits der Grenzen philosophischer Ressourcen zu erweitern. (Axiomatic Heresy: The non-philosophy of François Laruelle, in Radical Philosophie, September/October 2003: 25 f.) Ich sollte hier erwähnen, daß Ray Brassiers Laruelle-Erläuterung im gerade erwähnten Artikel eine dritte unverzichtbare Quelle für meine Begegnung mit Laruelles Gedanken war. Non-Buddhismus ist keine Überführung des Verfahrens der Non-Philosophie zum Verständnis der Natur der Philosophie in eine Untersuchung des Buddhismus. Vielmehr erhielt meine Idee des Non-Buddhismus ihren ersten Impuls von der Non-Philosophie, um dann ihren eigenen Weg zu nehmen. Vier besondere Begriffe waren anfänglich ausschlaggebend: Entscheidung, Auto-Position, Irisation und radikale Immanenz (vgl. Leere Realität). (Aus Platzgründen wird hier zunächst nur der erste Begriff ausführlicher besprochen.) Laruelle deutet diese Konzepte in den folgenden Definitionen an, zunächst für Non-Philosophie an sich, dann für den Gegenstand der Non-Philosophie, der Philosophie. Nach den Definitionen Laruelles werde ich mit der Hilfe Brassiers, Laruelles Konzepte anpassen und verwenden, um zu zeigen, wie sie meine Idee vom Non-Buddhismus stützen. Non-Philosophie arbeitet typischer Weise folgendermaßen: Alles wird dem Verfahren einer Dualität (von Problemen) unterworfen, die weder eine Zwei noch ein Paar konstituiert, und dem einer Identität (von Problemen, und daher einer Lösung), die keine Einheit oder Synthese konstituiert. (François Laruelle, A Summary of Non- Philosophie, 2.1.2) [Philosophie] ist ein Glaube, mit der alleinigen Rechtfertigung durch den Glauben, der von Rechts wegen dazu bestimmt ist, leer zu bleiben, der sich uploads/Litterature/ einfuehrung-in-den-spekulativen-non-buddhismus-wallis.pdf

  • 28
  • 0
  • 0
Afficher les détails des licences
Licence et utilisation
Gratuit pour un usage personnel Attribution requise
Partager