INARAH Schriften zur frühen Islamgeschichte und zum Koran Hg. von Inarah - Inst
INARAH Schriften zur frühen Islamgeschichte und zum Koran Hg. von Inarah - Institut zur Erforschung der frühen Islamgeschichte und des Koran Verantwortlich: Karl-Heinz Ohlig Markus Groß / Karl-Heinz Ohlig (Hg.) Die Entstehung einer Weltreligion 11 Von der koranischen Bewegung zum Frühislam INARAH Schriften zur frühen Islamgeschichte und zum Koran Band 6 Verlag Hans Schiler 552 Markus Groß rung der a-Deklination) ein, verlor den Dual und alle Genusunter- scheidungen. " Außerdem ist eine Handelsstadt ein zu begrenzter Raum für eine größere Ansammlung kriegerischer Araberstämme, es muss für umgesiedelte ara- bische Wehrdörfer einen größeren Siedlungsraum gegeben haben. An dieser Stelle fällt das Augenmerk automatisch auf das östlich von Merw gespro- chene Sogdische, das u.a. in Bul.J.ära und Samarkand die vorherrschende Sprache war und auf dem östlichen Teil der Seidenstraße als Lingua Franca fungierte. In dieser Sprache wurden sowohl christliche, manichäische als auch buddhistische Texte in jeweils leicht variierenden Dialekten geschrie- ben. Sicherlich wurde es als damalige Weltsprache auch in Merw ebenso gesprochen wie Englisch im heutigen Singapur. Das Sogdische ist nun aber von allen mitteliranischen Sprachen die mit Abstand archaischste und hat em relc es omm eXlOnssystem er ten . h N . alft . hal 120 : Masc. Ntr. Fern. Nom. Sg. -i -u -a Akk. Sg. -u -u -a Gen. Sg. -e "" -e -ya Loc. Sg. -ya -ya -ya AbI. Sg. -a -a -ya Voc. Sg. -a ""-e Nom.- -a -e -e acc.numv. AbI. numv. -ya(?) Sollte sich dies bewahrheiten, würde es bedeuten, dass die besagten ara- bischsprachigen Enklaven vermutlich über einen beträchtlichen Teil der Seidenstraße anzutreffen waren. Die Verbindung zu den Sogdern würde auch die Übernahme von Elementen aus dem Manichäismus und Buddhis- mus erklären. Und schließlich wäre es nicht unmöglich, dass die letzten verbliebenen Sprecher arabischer Dialekte in Zentralasien zumindest zum Teil die Nachfahren der Bewohner dieser alten Enklaven sind. 120 Nicholas Sims-Williams, Sogdian. in: Rüdiger Schmitt (Hrsg.), Compendium linguarum iranicarum, Wiesbaden 1989. S. 173-192, hier S. 183; dane~en: Pe Oktor Skjrerv0, Introduction to Manichaean Sogdian, Online-PublikatIOn au der Homepage der Harvard University unter http://wwwJas.harvard.edu/- iranian/, S. 53 (Lesson 8): Von der aramäischen Lesekultur zur arabischen Schreibkultur 11 Der aramäische Wortschatz des Koran" Ter nagedachtenis aan G. H. A. Juynboll (1935-2010) Robert M. Kerr Wilfrid Laurier University, Waterloo 1. Einleitung Mein Aufsatz im vorigen Inärah-Band war ein Versuch, anhand der Schrif- ten- und Sprachverbreitung im römisch-byzantischen Vorderen Orient (einschließlich Arabiens) zu zeigen, dass der Koran in arabischer Schrift und Sprache nicht in der Gegend von Mekka/Medina hätte entstehen kön- n~n. D~r epigraph ische Kenntnisstand von heute widerspricht dieser her- kommhchen Auffassu~g eindeutig. Vielmehr muss man gen Syrien schauen, etw~ zu den Ghassamden bzw. Lakhmiden oder den Nachfahren der de- portierten Araber im Umkreis"von Merw, wo diese arabische Sprache ge- sprochen wurde und wo der Ubergang von einer aramäischen zur arabi- schen Schrift vollzogen wurde. Wenn man diese Argumente, wie und wo d~r Koran verschriftet wurde, betrachtet, dann wird vieles auch am Inhalt dieses Buches einfacher zu verstehen sein. Das Thema des folgenden Bei- Ich möchte mich an dieser Stelle bei Herrn Prof. Ohlig für seine Geduld und für da~ Verbessern der deutschen Fassung bedanken. Auch gilt mein Dank Herrn T. Mllo (Amsterdam) für seine typographische Hilfe und Herrn Prof. Groß für Korrek.~uren der orientalischen Zitate und die Formatierung. Um die Lesbarkeit zu. erhohen wurden die meisten Beispiele in fremden Schriften (außer Grie- chisch) Umschriften beigefügt. Sie sind als Hilfsmittel gemeint und nicht als exakte phonetische Wiedergabe. 554 Robert M. Kerr trages ist eine Erörterung der theologisch-technischen Lehnwörter im Ko- ran, die deutlich machen, dass man auch unter diesem Gesichtspunkt nach Syrien als Entstehungsort dieses den Muslimen heiligen Buches schauen muss. Ein Leser des Koran wird sehr schnell die biblische Hinterlassenschaft be- merken. Was aber ebenso auffällt, ist die Art und Weise des koran ischen Bibelverständnisses. Dieses angeblich geoffenbarte Buch behauptet, bibli- sche Überlieferungen als historische Gegebenheiten zu vermitteln; wie es manche Christen und Juden auch heute noch für die Bibel annehmen, ver- wechselt der Koran Ojfenbarungswahrheit bzw. biblische Historiographie mit Geschichte. Weil der Koran, wie aus seiner Entstehungszeit zu erwarten ist, die biblische Heilsgeschichte als großenteils historisch versteht, kann diese aber nicht Historizität für sich einfordern. Die historisch-kritische Bi- bel forschung seit etwa zwei Jahrhunderten hat die komplexe, aber noch nicht in allen Einzelheiten geklärte Entstehungsgeschichte der Hebräischen Bibel und des christlichen Neuen Testaments aufgezeigt. Wenn aber die wissenschaftliche Bibelforschung nachweisen kann, dass kaum etwas an der Bibel historisch wahr im modernen Sinne des Wortes ist, gilt dies auch für das Fortleben dieser Erzählungen im Koran. l Hier ist nicht der Ort, um dies eingehend zu behandeln, aber im Vorbeigehen wollen wir hier bloß anmer- ken, dass z.B. die Sintfluterzählung eindeutig einem erzählerischen Topos aus Mesopotamien entstammen muss, wo es regelmäßig Überschwemmun- gen gibt und woher eine sehr frühe literarische Vorlage im (sumerisch-) babylonischen Gilgamesch-Epos stammt. Oder: War Abraham / Ibrahim der erste Monotheist? Das ist auszuschließen. Heutzutage weiß man, dass die Segnung Abrams durch Melchisedek (Gn 14, 19) sich nicht auf einen einzigen Gott bezog, wie es die Einheitsübersetzung, gemäß dem Verständ- nis des Hebräerbriefs, nahelegt ("Gesegnet sei Abram vom Höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde"), sondern auf drei Gottheiten (die korrektere Übersetzung: "Gesegnet sei Abram vom Elyon, EI, [und El] dem Schöpfer des Himmels und der Erde"). Gleiches gilt für Mose. Er kann keinesfalls als Erfinder des israelitischen Monotheismus gelten - dieser hatte eine komplexe Entwicklungsgeschichte, die aber erst Jahrhunderte spät~r anzusetzen ist. Ähnliche Bemerkungen könnte man auch in Bezug auf d~e Engellehre oder die Prophetie machen. So zeigt das koranische Verständnts eher das Ende einer langen Entwicklungsgeschichte an. Der Koran steht der Vgl. hierzu z.B. Sh. Sand, The Invention ofthe Jewish People (London, 2009), S. 64-189 mit Literatur. Der aramäische Wortschatz des Koran 555 Sache nach zu großen Teilen in der Tradition der judäo-christlichen Offenbarung.2 Woher aber stammt dieses allem Anscheine nach biblische monotheis- tische Verständnis des Koran? Bisher wurde häufig, auch in der muslimi- schen Traditionsliteratur, von jüdischen und christlichen arabischen Stäm- men berichtet, deren Einfluß auf den Mul;ammad verschieden gewichtet wurde. Auch einige epigraphische Zeugnisse geben Hinweise auf Juden in Arabien und auf christliche Mission in dieser Region3• Neben Judentum und Christentum gab es natürlich auch den einheimischen traditionellen semitischen Glauben verschiedener Stämme, gegen welche der Koran eine sehr unpräzise Polemik betreibt. Einige Hinweise auf diese Religionsformen finden sich auch auf Inschriften, hauptsächlich aber für das im heutigen Jemen zu verortende Sabäerreich. Sehr aussagekräftig aber sind die sabäi- schen Zeugnisse nicht. Die nordarabischen Inschriften sind großenteils eher als ,Graffiti' zu bewerten und meistens eher unergiebig, abgesehen von etwaigen theophoren Elementen in den Personennamen. Obwohl es durch- aus denkbar ist, dass ein heidnischer Mubammad jüdische und christliche Lehrer gehabt haben könnte und so Auskünfte über das Alte und Neue Testament und jüdische sowie christliche Lehren hätte empfangen können, um einen selbstständigen neuen Gottesdienst zu erschaffen, habe ich mit dieser Interpretation meine Bedenken. Obwohl für die archäologische Erforschung Arabiens noch viel zu leis- ten ist, gibt es aus den bisherigen Funden einfach nicht genug Hinweise auf Judentum und Christentum, um ein Szenario einer direkten Übernahme plausibel zu machen. Dies betrifft deutlich das Christentum, was m.E. aus- schlaggebend für die Entstehung des Koran war. Es gibt nichts in dem hei- ligen Buch des Islam, was ausschließlich jüdisch zu bewerten wäre, also Überlieferungen, die spezifisch dem (rabbinischen) Judentum zugerechnet werden müssten. Der koranische Erzählstoff aus der hebräischen Bibel kann durchaus einer christlichen Quelle wie z.B. einer aramäischen Bibel- übersetzung entstammen. Wenn man sich aber genauer den etwaigen Quellen des Koran nähern möchte, gilt es, den Text selber zu untersuchen. Ein großes Problem bei 2 Hier ist kein Platz, diese Fragen ausgiebig zu behandeln. Ich verweise auf die Diskussion in M. S. Smith, God in Translation (Tübingen, 2008) und die dort aufgeführten Literaturangaben. 3 Vgl. jetzt F. Briquel Chatonnet ,L'expansion du christianisme en Arabie: l'apport des sources syriaques', Semitica et Classica 3(2010). 556 Robert M. Kerr einem solchen Unterfangen, wie immer wieder angemerkt werden muss, ist das Fehlen einer kritischen Ausgabe des koranischen Textes - also ein roher Konsonantentext (~.J - rasm) ohne diakritischen Zeichen (I"~l - i'gäm) usw. - und eines diachronen etymologischen Wörterbuchs des Arabischen. Der heutige Stand der arabischen Textforschung, wobei man den Kairoer Koran als textuelle Basis annimmt, bedeutet eigentlich, dass sich die textkri- tische Erforschung auf der Entwicklungsstufe der Bibelforschung des sieb- zehnten Jahrhunderts befindet, die Zeit also, in der ein Streit wütete, ob die masoretische Punktation gleich am Berge Sinai mitgeoffenbart worden sei oder nicht. Manche jüdische Gelehrte wie Eben Ezra hatten schon früher darauf hingewiesen, dass die Vokalisierung erst später, im frühen Mittel! alter, von den tiberischen Masoreten stammen müsse. Diese These erreichte größere Bekanntheit unter christlichen Gelehrten im sechzehnten Jahrhun- dert durch Elias Levita, war aber heiß umstritten, besonders durch die Buxdorfs. Erst Louis Cappel hat in seiner anonym durch den Leidener Pro- fessor Thomas Erpenius 1624 herausgegebenen Schrift Arcanum Puncta- tionis Revelatum diese wissenschaftlich nachgewiesen. Seitdem, aber eigent- lich schon vorher, sind die Texte der hebräischen Bibel- was ebenso für das christliche Neue Testament gilt uploads/Litterature/ kerr-robert-der-aramaeische-wortschatz-des-koran-pdf.pdf
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- Publié le Jan 21, 2021
- Catégorie Literature / Litté...
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