WHITE PAPER JOCHEN SCHWENK DEZEMBER 2011 WWW .DIM-ENSION.DE SEITE 1 Es gibt meh
WHITE PAPER JOCHEN SCHWENK DEZEMBER 2011 WWW .DIM-ENSION.DE SEITE 1 Es gibt mehrere Synonyme für Maverick Buying, die im deutschen Sprachraum verwendet werden: „wilder Einkauf“, „unkontrollierter Einkauf“ oder „eigenmächtiger Einkauf“. Eine Einkaufsorganisation verfügt über verschiedene, effektive Methoden zur strategischen und effizienten Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen. Dazu gehören neben hohem Fachwissen synchronisierte Prozesse, um durch Ausschreibungen, Preisvergleiche, Preis- verhandlungen, Stückzahlen, Bündeleffekte und Preisvorteile durch Rahmenverträge bessere Preise zu erzielen. Auch die Berücksichtigung des TCO- Ansatzes wird von der Einkaufsorganisation geleistet. Diese Leistungen können einzelne Personen in den Fachabteilungen naturgemäß nicht erbringen. Es ist daher nicht im Sinne des Unternehmens, dass einzelne Personen durch eigenständiges Handeln die Einkaufsprozesse umgehen und vermeiden. Etymologie: Maverick-Buying Samuel Augustus Maverick (1803-1870) war ein Texanischer Rechts- gelehrter, Politiker, Großgrundbesitzer und Unterzeichner der T e x a n i s c h e n Unabhängigkeitserklärung. Maverick lehnte es aus T i e r s c h u t z g r ü n d e n kategorisch ab, seine Rinder zu brandmarken - in der damaligen Zeit undenkbar. Obwohl andere Farmer ihm unterstellten, dass er so alle nicht-markierten Rinder einfangen und deren Besitz für sich beanspruchen könnte, konnte er sich durchsetzen. Diese Sturheit sorgte dafür, dass „Maverick“ in den englischen Wortschatz Einzug fand - als Synonym für „nicht gebrandmarkte Tiere“ und u m g a n g s s p r a c h l i c h e n Ausdruck für eine „eigensinnige“, starrköpfige, störrische Unabhängigkeit“. Im Einkauf steht Maverick Buying für die eigenmächtig durchgeführte Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen, ohne die Einkaufsorganisation zu involvieren. Im Direct- und Indirect Procurement ist Maverick Buying das Gegenteil eines strukturierten und effizienten Beschaffungsprozesses und nicht best practice. Intransparenz, persönliche Präferenzen zu Lieferanten, keine strukturierte Selektion der Supplier, Verhandlungen von Personen im Unternehmen mit Suppliern ohne Verhandlungs- kompetenz aus Technik, Finance, Marketing usw., nicht genutzte Rahmenverträge - um nur einige Beispiele zu nennen. In jedem Fall vernichtet Maverick Buying sehr viel Kapital im Unternehmen. ANARCHIE IM EINKAUF Maverick Buying Anarchie im Indirect Procurement WHITE PAPER JOCHEN SCHWENK DEZEMBER 2011 WWW .DIM-ENSION.DE SEITE 2 Auf den ersten Blick hat Maverick Buying durchaus V orteile. Die hohe Flexibilität erlaubt auch kurzfristige Beschaffungsvorgänge. V orteile bei der Geschwindigkeit lassen sich ebenfalls nicht von der Hand weisen, es ist zweifellos schneller, wenn der Mitarbeiter einer Bedarfsstelle einfach zum Telefon greift und eine Dienstleistung beauftragt. Wenn die Rechnung des Dienstleisters eintrifft, wird diese einfach freigezeichnet und zur Zahlung gegeben. Individuelle Wünsche können viel einfacher berücksichtigt werden. Die richtige Frage an dieser Stelle: dient diese Flexibilität dem Unternehmen oder eher den persönlichen Neigungen und Wünschen der Mitarbeiter? Die finanziellen Folgen des Maverick Buying sind massiv. Entgangene Savings durch nicht genutzte Rahmenverträge, höhere Preise durch nicht bzw. unprofessionell geführte Verhandlungen, höhere Preise aufgrund fehlender V olumenbündelung und fehlender Preisvergleich durch die Maverick Buyer sind leicht nachvollziehbar. Die Folgen sind jedoch noch tiefgreifender: für das Unternehmen nachteilige Verträge werden aufgrund fehlender Fachkenntnis und nicht vorhandenem Bewusstsein unterzeichnet, die (Rechts-)Folgen können sehr viel Geld kosten. Die Supplier Base wird aufgebläht, intern entstehen durch Pflegeaufwand etc. hohe T ransaktionskosten pro geführtem Lieferant. Kostentransparenz wird durch Maverick-Buying torpediert. Mitarbeiter in den Fachabteilungen kennen häufig nicht das Gesamtbild und verfügen nicht über die erforderlichen Ressourcen sowie Zahlenmaterial. Der Ansatz des Total Cost of Ownership kann von den Maverick-Buyern im Regelfall nicht sichergestellt werden. Generell lassen sich verschiedene Erscheinungsformen von Maverick-Buying unterscheiden: • unbewusstes Maverick-Buying (z.B. Rahmenverträge im Unternehmen nicht bekannt) • notgedrungenes Maverick-Buying (z.B. Linienleiter in der Nachtschicht beauftragt eigenmächtig einen Servicetechniker um drohenden Produktionsstillstand abzuwenden) • beabsichtigtes Maverick-Buying (z.B. „politische Gründe“ Einzelner im Unternehmen) • kriminelles Maverick-Buying (Bevorzugung bestimmter Lieferanten durch Fachbereich, ggf. unter V orteilsnahme) Die Ursachen für das Maverick-Buying in Unternehmen sind vielschichtig. Im schlechtesten Fall wird Maverick-Buying vom Management nicht unterbunden und die Einkaufsprozesse bzw. Policies nicht entsprechend gestaltet. In diesem Fall hat das Management die Entscheidung getroffen, dass eine Beschaffungsorganisation keinen Platz im Unternehmen hat, das Beschaffungsvolumen intransparent bleibt und keine V orteile einer Beschaffungsorganisation für das Unternehmen genutzt werden sollen. In diesen Unternehmen wird häufig das Rohmaterial für Fertigungsprozesse von einem Materialexperten beschafft, aber der Indirect Spend wird auf Zuruf per Telefon oder Email von jedem Mitarbeiter im Unternehmen platziert, der einen Bedarf zu decken hat. Diese Ausprägung ist häufig bei KMU anzutreffen, häufig sind die Strukturen noch nicht proportional zur Unternehmensgrößen gewachsen. Abhilfe schafft hier letztlich nur die Schaffung einer originären Einkaufsorganisation mit einer entsprechenden Management-Decision. Viele Einkaufsorganisationen nach einer Umstrukturierung haben mit Maverick Buying zu kämpfen. Nach Neuorganisation in getrennte Organisationen Direct Material und Indirect Spend sind die Herausforderungen erfahrungsgemäß am größten. Während die V erantwortung für Direct Material schon lange in der Einkaufsorganisation lag, konnten die Fachbereiche Indirekte Güter und Dienstleistungen selbst beschaffen. Diese Fachabteilungen werden nun per Management Decision quasi „entmündigt“, die Tätigkeit auf die Erstellung einer Bedarfsanforderung im System reduziert. Neben Abteilungsegoismus kommen noch Machtspiele einzelner Personen oder Führungskräfte dazu. Oft sind auch die Beziehungen vom Fachbereich zu einzelnen Lieferanten über Jahre gewachsen. Die Betreuung wird nun auf die Einkaufsorganisation übertragen, im Regelfall wird der Fachbereich im eigenen Unternehmen davon nicht begeistert sein. Auch der Lieferant fürchtet berechtigte Nachteile: Einkäufer werden über die Preise reden wollen oder gar die angebotene Leistung auf dem Markt ausschreiben. WHITE PAPER JOCHEN SCHWENK DEZEMBER 2011 WWW .DIM-ENSION.DE SEITE 3 Der Lieferant fürchtet - nicht ohne Grund - um den Auftrag. Gewiefte Verkäufer werden alle Hebel in Bewegung setzen, um den Einkauf gemeinsam mit der Bedarfsstelle gezielt zu umgehen. In diesem Fall helfen nur klare Entscheidungen und Anweisungen des Management, sinnvoll ist auch die gemeinsame Betreuung des Lieferanten durch den Fachbereich (in fachlichen Fragen) und den Einkauf (alle kaufmännische Fragen). Direkt nach der Transition und Management Decision sind unter den Bedarfsstellen immer wieder Klagen zu hören wie z.B. „als wir noch selbst eingekauft haben, war alles viel einfacher“ und ähnliche Aussagen dieser Art. Gerade Fachbereiche, die schlechte Erfahrungen mit der Einkaufsorganisation gesammelt haben, z.B. falsche Ware, nicht angebrachte Arroganz oder behördenähnliche Beschaffungsvorgänge sind besonders motiviert, den Einkauf zu umgehen. Aus menschlicher und fachlicher Sicht durchaus verständlich, in diesem Fall muss schnell durch entsprechende Kompetenzen Abhilfe verschafft werden. Eine Kennzahl kann die Reklamationsquote in der Einkaufsabteilung darstellen. Die Transaktionsprozesse müssen beschleunigt werden, denkbar ist in diesem Fall die Einführung einer Kennzahl zur Darstellung der Zeit von Erstellung der Bedarfsanforderung im System bis zur Übermittlung der Purchase Order an den Lieferanten. Mangelndes V ertrauen in die Einkaufsorganisation und deren bevorzugten Lieferanten muss mit Erfolgen und Leistung ausgeglichen werden. Eine Roadshow der Führungskräfte aus der Einkaufsorganisation verhilft im Unternehmen zu einer Positionierung als kompetenter Dienstleister und schafft das überaus wichtige Netzwerk im Unternehmen. Geht es dem Maverick-Buyer jedoch um Ausübung seiner Macht oder Geltungsbedürfnis, hilft letztlich nur eine klare Manegement Decision. Häufig sind diese Buyer gleichzeitig im Unternehmen unantastbar, aufgrund von Stellung, Leistungen oder Seilschaften. Diese Mitarbeiter sind oft auch Zuträger von Informationen an das Management und genießen einen besonderen Status. In diesem Fall hilft nur Diplomatie und offene Kommunikation. Die mehrfach genannte Management-Decision sollte in jedem Fall mit einer entsprechend gestalteten Einkaufs-Policy in der Praxis umgesetzt werden. Nur so ist jeder Mitarbeiter informiert über Ausschreibungsgrenzen, Einkaufsprozesse und eigene Kompetenzen. Kommunizierte Transparenz und Erfolge der Einkaufsorganisation verhelfen ebenfalls zu höherem V ertrauen. Zur Beschleunigung der T ransaktionsprozesse und Übertragung von Verantwortung auf die Bedarfsstellen kann e-procurement gute Lösungsansätze bieten, in diesem Rahmen können Mitarbeiter in elektronischen Katalogen die definierten Produkte und Dienstleistungen selbst beauftragen. Grundlage für diese Kataloge sind vom Einkauf verhandelte Rahmenverträge. Investitionen in ein e-procurement-System können sich nur bezahlt machen, wenn Skaleneffekte erreicht werden und ein möglichst hohes Bündelungsvolumen erzielt wird. Auch die Beschaffung von Kleinbedarfen bis zu einer definierten Grenze über eine Reisekostenabrechnung oder Firmenkreditkarte kann V orteile bieten: kurzfristige Beschaffungen werden so möglich gemacht, persönliche Befindlichkeiten der einzelnen Mitarbeiter werden berücksichtigt und, besonders entscheidend für das Unternehmen, die T ransaktionskosten werden gesenkt. Einkaufsorganisationen mit hohem Reifegrad streben nach einer Maverickquote, die im Indirect Procurement deutlich unter 3% des gesamten Beschaffungsvolumens liegt. Nur so können die enormen Potenziale durch die strategische Bearbeitung einzelner Kategorien genutzt werden. Viele Unternehmen sind von diesem Wert deutlich entfernt, selbst bei großen mittelständischen Unternehmen sind regelmäßig >30% anzutreffen. Copyright Jochen Schwenk, Partner. 2011. All rights reserved. DIMension Deutsches Institut für den Mittelstand Entwicklung - Sicherung - Organisation - Nachhaltigkeit Magirus-Deutz-Str. 12 89077 Ulm uploads/Management/ white-paper-maverick-buying.pdf
Documents similaires








-
28
-
0
-
0
Licence et utilisation
Gratuit pour un usage personnel Attribution requise- Détails
- Publié le Jul 28, 2021
- Catégorie Management
- Langue French
- Taille du fichier 0.2279MB