Freie Universität Berlin, Kunsthistorisches Institut Sommersemester 2020 Semina

Freie Universität Berlin, Kunsthistorisches Institut Sommersemester 2020 Seminar 13407: Mittelalterliche illuminierte Manuskripte Dr. Tina Bawden DER BERNER PHYSIOLOGUS (Bern, Burgerbibliothek, Cod. 318 ) Schriftliche Prüfungsleistung eingereicht von: Niklas Gerber Karl-Liebknecht-Str. 21 10178 Berlin Matr.-Nr.: 5114943 Kunstgeschichte Hauptfach Fachsemester 4 Inhaltsverzeichnis 1. Katalogeintrag: Bern, Burgerbibliothek, Cod. 318 ........................................................ S. 1 1.1 Geschichte 1.2 Beschreibung des Äußeren 1.3 Inhalt 1.4 Ausstattung 2. Schriftanalyse: Text im Berner Physiologus …..................…....................................... S. 3 3. Medienanalyse: Text und Bild im Berner Physiologus.................................................. S. 5 4. Bedeutungsanalyse: Text, Bild und Tier im Berner Physiologus................................... S. 8 Literaturverzeichnis …....................................................................................................... S. 16 Abbildungen …................................................................................…............................... S. 18 Selbstständigkeitserklärung …............................................................................................ S. 25 1. Katalogeintrag:. Bern, Burgerbibliothek, Cod. 318 Sammelband: Physiologus Bernensis et al. Darin (f. 7r–22v): Physiologus latinus 1.1 Geschichte Kloster Hautvillers OSB bei Reims, um 830. Schreibercolophon eines Haecpertus [= Egbert] (f. 130r). Eigentums- und Leservermerke: Petri Danielis Aurel[ii] und Bongarsii (1r); Ce livre appartient a Ragonde Bachelier (f. 131v, frühes 15. Jhdt.). Schenkung Bongars’ Erben Jakob Graviseths 1632 an die Berner Bibliothek. 1946 durch Buchbinder Johann Lindt, Stadtbibliothek Bern, vollständig restauriert (Restaurierungsvermerk auf Spiegelblatt des Hinterdeckels). Die Blätter der zweiten bis vierten Lage (f. 3–26, wesentlich den Physiologus enthaltend) wurden von Lindt herausgelöst und werden seitdem separat aufbewahrt. An ihrer statt nach f. 2 ein Vermerkblatt Lindts zur Herauslösung. 1.2 Äußeres Pergament, teils wasserfleckig und besonders im Bereich des Physiologus stark gebräunt und z.T. Rissig. 131 Blätter, 25,5 x 18 cm, (IV-6)² + 15 IV¹²² + (IV+1)¹³¹. Zwischen fol. 1 und 2 fehlen die inneren drei Doppelblätter der ersten Lage (Textverlust). Einspaltig, Schriftspiegel 18 × 10,5–11 cm, im Physiologus je 23 mit Griffel gezogene Zeilen und seitliche Begrenzung durch vertikale Doppellinien, Zeilenpunktierung am Rand sichtbar. Karolingische Minuskel. Teilweise rubrizierte, teilweise schwarze Unzialis für Werk- und Kapitelüberschriften, z.T. Versalien ebenfalls in schwarzer Unzialis; Capitalis rustica für den Nachtrag (f. 41r), das Explicit (f. 96r, 121v, 123v) .Anm.: Der Katalogeintrag stützt sich auf die Beschreibung nach Steiger, Christoph von / Homburger, Otto: Physiologus Bernensis, Basel 1964. Redigiert und ergänzt von Florian Mittenhuber, Juni 2012. https://www.e- codices.unifr.ch/en/description/bbb/0318/ (abgerufen 23.07.2020) 1 sowie für das Schreiberkolophon (f. 130r). Der ganze Band ist von der Haupthand geschrieben. Drei Einbände sind nachweisbar: Ein mittelalterlicher Einband, auf den durch Rostspuren geschlossen werden kann, ein Einband aus dem frühen 18. Jhdt., auf den J. Lindt im hinteren Spiegelblatt hinweist, und der aktuelle, moderne Einband von der Restaurierung 1946 (Kalbsleder auf Holzdeckel, Messingschließe, ausführliche Rückentitel von J. Lindt). 1.3 Inhalt F. 1r-5r Vita Sancti Symeonis (Textverlust, siehe oben); f. 5r-6v De ortu et orbitu patrum; f. 7r-22v Physiologus latinus; f. 23r-125r Fredegarii Chronicon, mit Einschub f. 41r Dies Aegyptiaci; f.125r Lectio S. Evangelii secundum Matthaeum; f. 125v-130r Sermo S. Effrem monachem in transfigurationem Domini; f. 131v Praecepta medica; f. 131R-v De septem miraculis mundi. 1.4 Ausstattung Eine Initiale f. 1r (<S>anctus Symeon…); 35 Illustrationen f. 7r-22v im Physiologus latinus. Initiale (f. 1r): Ornamentierte Initiale mit Randbandverflechtung (zwei Cornua, zwei Eckgeflechte), Flächen violett, grün und gelb eingefärbt. In der vom oberen S-Bogen umgebenen Fläche ein späterer schwarzer Stempel BIBLIOTHECA BERNENSIS. Illustrationen (f. 7r-22v): 35 Miniaturen, meist mit rotem und blauem Rahmen umgeben, der teilweise verletzt wird, über den Abschnittsüberschriften jeweils Tiere Pflanzen oder Steine oft in natürlichem Lebensraum abbildend. 2 2. Schriftanalyse: Text im Berner Physiologus (Bern, Burgerbibliothek, Cod. 318, fol. 7r-22v) Der Berner Physiologus, genauso wie die übrigen im Kodex Cod. 318 der Berner Stadtbibliothek enthaltenen Werke, stammen m.E. von einer Hand und sind in einer frühen karolingischen Minuskel verfasst. Lediglich die zum Teil zur Hervorhebung rubrizierten Überschriften und einige Versalien wurden in Auszeichnungsschrift, einer Unziale, niedergeschrieben (vgl. f. 9r). Obwohl der Kodex mit einer Initiale auf f. 1r beginnt, gibt es im ganzen weiteren Verlauf und so auch im Physiologus (f. 7r-22v) keine Illuminationen außer den 35 Abbildungen der Tiere, Pflanzen etc. Es finden sich keine anderen Interpunktionen als Punkte, die die Satzenden markieren. Das Schriftbild, wiewohl gut lesbar, weist einige Unregelmäßigkeiten auf, wie etwa eine teilweise auftretende Kursivität der Schrift, die für eine klassische karolingische Minuskel untypisch ist, da diese sich ja gerade durch zunehmende kalligraphische Ausarbeitung von den älteren Kursiven absetzte. Während sich die Schreiberin/der Schreiber des Physiologus an der linken Reglierung recht genau orientierte, dient die rechte eher der groben Markierung der jeweiligen Zeilenumbrüche, über die gelegentlich weit hinausgeschrieben wird, so etwa im Fließtext f. 15v (Abb. 1) oder sogar in Überschriften, z.B. f. 17v (Abb. 2). - Interessant wird unter diesem Gesichtspunkt auch zum ersten Mal der Zusammenhang zwischen den Illustrationen und dem Textteil: Während die genannten Zeilenüberlängen etwa auf f. 15v (Abb. 1) oder auf f. 8v (Abb. 3) eindeutig um das Bild angeordnet werden und ihm offensichtlich nachträglich sind, erscheinen die Bilder insgesamt in ihrer Verteilung im Schriftspiegel wiederum den Längen der Absätze und den Überschriften präzise angepasst. Dazu mehr im dritten Teil. Der Kodex wird auf ca. 830 nach Christus datiert1 und fällt damit in die Zeit, in der die karolingische Minuskel zunehmend kanonisch wurde,2 auch wenn die Entstehung oder Erfindung der Schrift neueren Forschungen zufolge wohl bereits in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts zu verorten ist.3 Dass es sich bei der Hauptschrift um eine recht frühe Karolingische Minuskel handelt, lässt sich direkt am Schriftbild ablesen. Insgesamt stehen sowohl Wörter als auch Einzelbuchstaben noch relativ dicht beieinander und gehen sogar oft ineinander über. In der Formentwicklung der 1 Vgl. Katalogeintrag: Steiger/Homburger (1964/2012). 2 Clemens, Raymond / Graham, Timothy: Introduction to Manuscript Studies. New York 2007, S. 143 3 Vgl. Licht, Tino: Die älteste karolingische Minuskel. In: Mittellateinisches Jahrbuch. Internationale Zeitschrift für Mediävistik und Humanismusforschung, 47 (2012), S. 337-346 3 karolingischen Minuskel weist dies auf ein relativ frühes Stadium hin, in der auch noch Ligaturen aus früheren Minuskelschriften wiederzufinden sind. Während sich die or-, die st- und die et- Ligatur länger halten, sterben rt-, nt- und ct-Ligatur bald aus,4 die im Physiologus aber alle noch erkennbar sind. Die Abbildungen 4 und 5 zeigen Ausschnitte der Seiten f. 9r und f. 12v mit einigen gekennzeichneten rt-Ligaturen (grün), nt-Ligaturen (rot), ct-Ligaturen (blau) und Transkriptionen. 4 Schneider, Karin: Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. 3. Aufl., Berlin 2014, S. 21 4 3. Medienanalyse: Text und Bild im Berner Physiologus (Bern, Burgerbibliothek, Cod. 318, fol. 7r-22v) Bei Cod. 318 handelt es sich um die älteste erhaltene Handschrift des Physiologus, die mit Illustrationen versehen ist.5 Insgesamt werden die 35 Miniaturen, die Abschnitt für Abschnitt begleiten, stilistisch als typisch für die karolingische Buchmalerei, besonders um die Gegend von Reims, angesehen.6 Helen Woodruff vermutete darüber hinaus inhaltliche und stilistische Anlehnungen an illuminierte Manuskripte aus dem vierten Jhdt. n. Chr., der Zeit, in der man die ersten Übersetzungen des Physiologus aus dem Griechischen vermutet, und verfolgte diese Spur weiter bis zu Vergleichen mit möglichen Vorbildern alexandrinischer Illumination, also aus dem mutmaßlichen Entstehungsraum der ursprünglichen Textgrundlage.7 Ein anderes Erbe meinte später Dimitri Tselos in den Miniaturen des Cod. 318 zu erkennen, nämlich stilistische Einflüsse griechisch-italienischer Malerei, die über Rom in den karolingischen nordalpinen Raum gelangt und in illuminierten Manuskripten wie dem Utrecht Psalter wiederzufinden seien, der ebenfalls der Reimser Schule zugeordnet wird und dem Berner Physiologus in vielerlei Hinsicht ähnelt.8 Auffällig fallen die Berner Miniaturen in zwei wenn auch nicht stilistisch unterschiedene Malweisen, so doch unterschiedliche Illustrationsweisen des Textes: Während die meisten der Abbildungen in breiten rot-blauen Rahmen, die ganzfläch in pastoser Farbtechnik ausgefüllt sind, den Schriftspiegel über den Überschriftszeilen der Kapitel (manchmal auf der vorhergehenden Seite) vollständig unterbrechen, finden sich auf einigen Seiten (f.11v, 12v, 13r, 17v, 18r und 21r) freie, fast zeichnerisch anmutende Miniaturen mitten im Textraum. Diese zweite Gruppe ähnelt eher Illuminationen, die älteren Techniken entsprechen, welche Beschreibstoffe wie Papyrusrollen nötig machten, auf denen dicke Farbschichten und -flächen durch Material und Aufbewahrungsform brüchig geworden wären.9 5 Hassig, Debra: Beauty in the Beasts A Study of Medieval Aesthetics. In: Anthropology and Aesthetics, 1990/1991, No. 19/20, Chicago, 1990/1991. S. 137-161, hier: S. 140 6 Woodruff, Helen: The Physiologus of Bern. A Survival of Alexandrian Style in a Ninth Century Manuscript, In: The Art Bulletin, Bd. 12. New York, 1930, S. 226-254, hier: S. 230 7 Ebd., S. 237-238; – Vgl. McCulloch, Florence: Mediaeval Latin and French Bestiaries. Chapel Hill, 1962, S. 21, 24 und Henkel, Nikolaus: Studien zum Physiologus im Mittelalter. (Hermea: N.F. ; Bd. 38), Tübingen, 1976, S. 14 und S. 22 ff. 8 Tselos, Dimitri: A Greco-Italian School of Illuminators and Fresco Painters. Its Relation to the Principal Reims Manuscripts and to the Greek Frescoes in Rome and Castelseprio. In: The Art Bulletin, Bd. 38. New York 1956, S. 1-30, hier: S. 4-6 9 Vgl. Gebert, Bent: Der Satyr im Bad. Textsinn und Bildsinn in der Physiologus-Handschrift Cod. Bongarsianus 318 der Burgerbibliothek Bern. In: Mittellateinisches Jahrbuch, Bd. 45. Suttgart, 2010, S. 353-403, hier: S. 355 und 5 In den Libri Carolini (ca. 790-792), sozusagen der karolingischen Stellungnahme zum Zweiten Konzil von Nicaea, das die Bilderverehrung wieder einführte, wurde eindeutig die moderate Haltung zum Bilderstreit eingenommen, dass Bilder zwar als Ornamente oder Erklärungen einen Wert hätten, aber niemals angebetet werden dürften.10 Eine gewisse Bilder- oder Medienskepsis lässt sich also auch für den Berner Physiologus erwarten, besonders wenn wir von uploads/Geographie/ der-berner-physiologus.pdf

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