Ein Grieche betritt in Deutschland eine Bank: «Ich möchte ein Gyros-Konto eröff

Ein Grieche betritt in Deutschland eine Bank: «Ich möchte ein Gyros-Konto eröffnen.» Darauf der Bankangestellte: «Das ist bei uns nicht Ouzo.» Sofern Sprachwitze mit Gleichklängen arbeiten, sind sie im strengen Sinn Kalauer. Viele dieser Witze gelten als «doof», bringen uns aber doch zum Lachen. Andere Sprachwitze machen sich Ironie, Übertreibung, Doppelsinn oder Stil- brüche zunutze. In diesem Band wurden klassische und neue Sprachwitze gesammelt. Ein Vorwort analysiert die gramma- tisch-rhetorischen Techniken dieser Witze und versucht, ohne Pedanterie etwas Klarheit zu schaffen. Hans-Martin Gauger war von 1969 bis 2000 o. Professor für Romanische Sprachwissenschaft an der Universität Frei- burg i. B. Hans-Martin Gauger Das ist bei uns nicht Ouzo! Sprachwitze Verlag C. H. Beck 2.Auflage. 2007 (Limitierte Sonderausgabe) © Verlag C.H.Beck oHG, München 2006 Gesamtherstellung: Druckerei C.H.Beck, Nördlingen Umschlagentwurf: +malsy, Willich Umschlagabbildung: Jussi Steudle, +malsy, Willich Printed in Germany isbn 9783406559631 www.beck.de Dem Andenken an Georg Hensel 1925–1996 gewidmet 1.Auflage. 2006 Was ist das – ein Sprachwitz? Witze-Erzähler sind schrecklich. Oder jedenfalls: sie können es sein. Auch wenn sie ihre Witze gut erzählen. Also sollen in diesem Buch die Leserinnen und Leser keineswegs aufgefor- dert werden, die Witze die hier zusammengestellt sind, zu er- zählen. Sie sollen darüber lachen – oder lächeln. Andererseits kann man niemandem das Weitererzählen verbieten. Wer aber Witze erzählt, muß zumindest zwei Dinge wissen. Erstens ist das Erzählen von Witzen oder Anekdoten, ja, eigentlich das Erzählen überhaupt, immer eine Unterbrechung des Spre- chens. Eine Unterbrechung auch des Sprechens, das einfach auf die Situation geht und nur dem Austausch, der gegenseiti- gen Affirmation dient – ich bin da, du bist da, wir reden mit- einander: «Wer redet, ist nicht tot», wie Gottfried Benn ganz zutreffend sagt. Wer nun aber ‹erzählt›, in dem Sinne also, daß es sich bei dem, was er erzählt, nicht um etwas handelt, das sich auf das Hier und Jetzt des Gesprächs richtet, wer also in dieser abgehobenen Weise (und dies gilt auch schon für Witze) ‹erzählt›, steigt aus und zwingt die Zuhörenden auszusteigen. Dies kann sehr unwillkommen sein. Nicht jede Situation ist dazu geeignet. Man möchte nicht immer aussteigen, sondern in der Situation des Sprechens selbst bleiben. Oder man möchte, wenn es sich um etwas wie ein ‹Arbeitsgespräch› han- delt – und da erst recht –festhalten an dem anvisierten Hand- lungsbezug, ihn allenfalls kurz lockern. Witze sind also nicht nur dann unpassend oder unmöglich, wenn der Ernst der Situation sie verbietet, etwa, um gleich das Paradigma des Ern- sten zu nehmen, bei einem Begräbnis. Zweitens beansprucht der Witze-Erzähler und eigentlich jeder Erzähler etwas wie 5 Herrschaft. Da ist immer etwas wie: «Alle mal herhören: ich erzähle!» Verbale Herrschaft ist auch Herrschaft. Die Wen- dung «Die Witze mache hier ich», die wir aus amerikanischen Filmen kennen, deutet eben darauf. Der Boss – und nur er – hat das Recht, Witze zu machen. So sehen es die Bosse und die anderen, wenn auch vielleicht mit Ingrimm, ebenfalls. So liegt im Erzählen von Witzen auch immer etwas wie Anmaßung. Die anderen müssen sich dies gefallen lassen. Sie müssen damit einverstanden sein. Wenn sie es sind, geht es, geht es unter Umständen sogar gut. Aber wenn es geht, kommt schnell der Punkt, wo sie die Witze allenfalls noch höflich tolerieren. Nun gibt es allerdings Situationen, in denen man für Witze dankbar ist. Eben weil sie unterbrechen, weil sie auflockern, und in die- sem Fall haben sie auch sozial-psychisch eine genaue Funk- tion, einen «Sitz im Leben». So wurde, hörten wir, bei den Ge- sprächen zur Bildung der Großen Koalition, Oktober 2005, zu Beginn einer Sitzung Peer Steinbrück eigens gebeten, zur «Auflockerung», hieß es, erst einmal einige seiner Witze zu erzählen. Offenbar ist er dafür bekannt. Auch wissen zum Beispiel viele Redner, daß selbst ein ernsthaftes Publikum, so- gar bei ernsthaftem Thema nicht undankbar ist für einen gele- gentlichen Scherz. Nur muß dieser einigermaßen gut sein. Sonst wäre er besser unterblieben. Merke: Wenn dir nichts wirklich Witziges einfällt, ernst bleiben! Nun also Sprachwitze! Sie sind eine besondere Art von Wit- zen, denn offensichtlich gibt es viele Witze, die keine Sprach- witze sind. Ein Beispiel. Nehmen wir den Witz mit dem blin- den Bettler in Jerusalem. Jemand gibt dem Mann etwas, weil er gerade in guter Stimmung ist oder der Mann ihm leid tut (oder weil beides zusammenkommt), und er gibt ihm etwas mehr als üblich und geht zufrieden weiter. Eine Stunde später geht er ins Kino und sieht, indem er sich hinsetzt, den Blinden neben sich. In diesem Augenblick wendet sich dieser an ihn und 6 fragt: «Bin ich hier richtig im Bus nach Tel Aviv?» Das ist ein Witz, in dem Sprache nicht vorkommt, genauer: der an keiner Stelle auf Sprachliches rekurriert. Also kein Sprachwitz. Ein weiteres Beispiel – und nun ein typisch jüdischer und sehr alter, ja historischer Witz. Sachlich gehört er zur Gruppe der «Bade-Witze» (so nennt sie Freud), die alle mit einer gewissen Wasser-Scheuheit zu tun haben. Ein Jude (aus dem Osten) zögert vor der Rezeption eines Hotels. Er kann sich nicht ent- schließen, ob er einziehen soll oder nicht. Man redet ihm zu, empfiehlt das Haus. «Wir haben fließendes Wasser», sagt man ihm. Darauf der Zögernde (typisch auch die Form der Frage als Antwort): «Bin ich a Forell?» Das ist auch kein Sprachwitz, aber etwas Sprachliches mag hier hereinspielen, denn zur Be- deutung «Forelle» gehört ja das doch auch sprachliche Wissen, daß eine Forelle fließendes Wasser braucht oder liebt – «In einem Bächlein helle,/Da schwamm in froher Eil» usw. Das kennt man, es gehört zum allgemeinen Wissen und somit, kann oder muß man sagen, auch zur Sprache. Denn in einer Sprache, in ihrem Wortschatz, ist das sozusagen allgemeine Wissen einer Gemeinschaft enthalten, das Wissen also (dies wäre das Kriterium), das im Sprechen jeder bei jedem ohne weiteres voraussetzt. Da kann man sich nun in einem Einzel- fall wie hier fragen, ob das Wissen «fließendes Wasser» bei «Forelle» zu diesem fest Voraussetzbaren gehört. Die Lingui- sten allerdings streiten sich prinzipieller: darum nämlich, ob solchein Element ein «außersprachliches», also sozusagen rein «enzyklopädisches» Wissen ist oder ob, wie eben gesagt, die- ses Wissen, denn ein Wissen ist es ja ohne Zweifel, zur Sprache selbst gehört. Doch wie immer: Man wird sagen müssen, daß es sich bei dem Forellen-Witz nicht um einen Sprachwitz, son- dern um einen Sachwitz handelt. Übrigens hat Salcia Land- mann in ihrer schönen Sammlung «Jüdische Witze» (1963) gerade diesen Witz dadurch erheblich verdorben (und es ist 7 gar nicht leicht zu sagen, warum das so ist), weil sie den Mann fragen läßt: «Bin ich ein Fisch?» Sicher ist «Forelle» hier viel besser – eben wegen der konkreten Assoziation «fließendes Wasser»; «Fisch» assoziiert eben nur «Wasser». Wer auch nur einmal den Witz mit «Forelle» gehört hat, wird also unver- meidlich «Fisch» weit schwächer finden. Immer, zumindest fast immer, ist das Konkretere besser. Und nun ein Witz aus dem Südwesten Deutschlands, aus dem südlichen Baden, wo noch immer viel Irritation gegen- über den Schwaben zu finden ist. Besser wäre es, nebenbei, «Württemberger» zu sagen, weil es Schwaben auch in Bayern gibt und im nördlichen Württemberg auch Franken. Wenn man ‹Schwaben› sagt, meint man praktisch die Württember- ger, besonders die nördlich der Schwäbischen Alb. Übrigens ist jene Irritation ganz einseitig: es gibt in Württemberg keine Badener-Witze, während in Baden oder jedenfalls in dessen südlichem Teil, denn im nördlichen Baden ist diese Irritation weitgeringer,überallSchwaben-Witzekursieren. Noch immer sind sie dort die erfolgreichsten Witze. Also: Wie kann man auf dem Bodensee ein schwäbisches Schiff sogleich von einem badischen unterscheiden? Antwort: Hinter dem schwäbischen fliegen keine Möwen (da wirft nämlich niemand irgendetwas raus). Auch dies ist ein reiner Sachwitz. Das mit den Möwen hat ja nun wirklich mit Sprache nichts zu tun. Freilich: wieder muß man zum Verständnis wissen (und weiß es), daß den Schiffen Möwen folgen. Nun aber ein sprachlicher Schwabenwitz, der, vermuten wir, ehervondenSchwabenselbststammt, denn die Schwaben wie- derholen in ihren Witzen, auf erheblich niedrigerem Niveau, verstehtsich,einesderKennzeichen des alten jüdischen Witzes – sie machen sich selbst zum Gegenstand ihrer Witze, machen sich also lustig über sich selbst. Das ist bemerkenswert, denn dies tun unter den deutschen ‹Stämmen› allenfalls, aber nicht 8 so durchgehend, die den Schwaben auch sonst nicht unähn- lichen Sachsen. Anderswo, in Bayern, in Berlin, in Köln ge- schieht dies so gut wie nie. Auch der wahrhaft große Humor Karl Valentins zielt nicht, auch nicht am Rande, gegen die Bayern. Nun also der Witz. Ein schwäbischer Minister aus Stuttgart (denn es gibt dort auch nicht-schwäbische, etwa ba- dische) geht in Tübingen in die Buchhandlung «Osiander» und will sich Mörikes Werke kaufen; «Ja, welche Ausgabe?», fragt die Buchhändlerin. Der Minister mißversteht die Frage nun aber als Ausruf und sagt nach kurzem Zögern: «Ja, da ha- ben Sie eigentlich ganz recht. Vielen Dank!» Und verläßt die Buchhandlung. Dieser Witz, mit seinem starken Überra- schungseffekt, rekurriert auf zwei verschiedene Bedeutungen des Wortes «Ausgabe», ja, er stößt den Hörer darauf. Er ist somit ganz klar ein Sprachwitz – er arbeitet, neben der als bekannt vorausgesetzten Knickerigkeit der Schwaben (das ist der sachliche Hintergrund), ausschließlich mit einem Element derSprache,eben mit den zwei uploads/Litterature/ sprachwitze.pdf

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