1 Techno in der 3. Generation. Eine Musikszene Kölns in kulturwissenschaftliche

1 Techno in der 3. Generation. Eine Musikszene Kölns in kulturwissenschaftlicher Perspektive Techno in der 3. Generation. Eine Musikszene Kölns in kulturwissenschaftlicher Perspektive Magisterarbeit zur Erlangung des Grades einer Magistra Artium M.A. vorgelegt der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn von Naja Aimée Schüller aus Siegburg 2 Techno in der 3. Generation. Eine Musikszene Kölns in kulturwissenschaftlicher Perspektive An Eides statt versichere ich, dass die Arbeit Techno in der 3. Generation. Eine Musikszene Kölns in kulturwissenschaftlicher Perspektive von mir selbst und ohne jede unerlaubte Hilfe angefertigt wurde, dass sie noch keiner ande- ren Stelle zur Prüfung vorgelegen hat und dass sie weder ganz, noch im Auszug veröffent- licht worden ist. Die Stellen der Arbeit – einschließlich Tabellen, Karten, Abbildungen, usw. -, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, habe ich in jedem einzelnen Fall als Entlehnung kenntlich gemacht. 3 Techno in der 3. Generation. Eine Musikszene Kölns in kulturwissenschaftlicher Perspektive Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 1.1. (Musik-)Szenen als volkskundliches Forschungsfeld 1.2. Die Szene: Etymologie und Definition 1.3. Stand der (Techno-)Szenenforschung und Relevanz des Vorhabens 1.4. Aufbau, Quellen und methodische Vorgehensweise der Arbeit 5 7 10 12 16 2. Arbeits- und Freizeitkulturen in Geschichte und Gegenwart 2.1. Vormoderne Lebenswelten 2.2. Arbeit und Freizeit in der industrialisierten Gesellschaft 2.3. Postmoderne Arbeitswelten 2.4. Exkurs: Arbeit und Freizeit als volkskundliche Forschungsfelder 2.5. Postmoderne Freizeitwelten 19 20 23 29 32 33 3. Die Genese einer Musikkultur 3.1. Technologische Grundlagen 3.2. Elektronische (Pop-)Musik im 20. Jahrhundert 3.3. Chicago House und Detroit Techno 3.4. „We Call It Acieeed“ 3.5. Die Anfänge von Techno, Rave und Clubkultur in Deutschland 38 38 41 45 48 50 4. Die Technoszene in wissenschaftlicher Perspektive 4.1. Musik, Tanz, Rave und Party 4.2. DJ, Trance und Ritualismus 4.3. Einstellungen, Analogien und Differenzen 58 58 60 64 5. Empirische Erkundungen in der Kölner (Minimal-)Technoszene 5.1. Elektronische Tanzmusik in Köln: Die Entstehung einer lokalen Musik- szene 5.2. Forschungskonzept und Methodik 5.3. Die Interviewpartner – zwischen Arbeitsalltag und Freizeiterleben 5.3.1. Vijay, Jahrgang 1973: „…ich bin absoluter Musik-Freak“ 5.3.2. Rossky, Jahrgang 1977: „..und am Wochenende eh immer Köln“ 5.3.3. Frank, Jahrgang 1980: „…so ganz bedenkenlos finde ich das nicht“ 5.3.4. Christian, Jahrgang 1969: „…heutzutage habe ich da meinen inne- ren Frieden gefunden“ 5.4. Funktion und Bedeutung einer Musikszene 5.5. Kategorisierungsansätze 69 69 84 88 88 94 97 103 109 119 4 Techno in der 3. Generation. Eine Musikszene Kölns in kulturwissenschaftlicher Perspektive 6. Fazit 122 7. Literatur- und Quellenverzeichnis 7.1. Literatur und wissenschaftliche Online-Publikationen 7.2. Populärwissenschaftliche und belletristische Literatur 7.3. Journalistische Artikel 7.4. Audiovisuelle Medien 7.5. Websites 130 130 138 139 142 142 Anhang Fragebogen Vijay A Interview mit Vijay D Fragebogen Rossky R Interview mit Rossky T Fragebogen Frank BB Interview mit Frank FF Interview mit Christian RR Zusatzfrage CCC Lebenslauf DDD 5 Techno in der 3. Generation. Eine Musikszene Kölns in kulturwissenschaftlicher Perspektive 1. Einleitung „Verpeilt und verschallert, alle verballert, Druff - Druff - Druff - Druff – Druff. Auf geht’s, ab geht’s, drei Tage wach, Nächste Party kommt bestimmt, drei Tage wach, Afterhour vor der Hour, drei Tage wach, Drei Tage wach, jetzt wirst du langsam schwach. [Tobias Lützenkirchen: 3 Tage wach, Polydor (Universal), April 2008] Als der Musiktitel „3 Tage wach“ – initiiert durch das Minor-Label1 Stil vor Talent, später he- rausgegeben durch den Major-Musikkonzern Polydor – des Münchener DJs und Produzen- ten Tobias Lützenkirchen Anfang 2008 die deutschen Hitlisten, Großraumdiskotheken und Klingeltoncharts erobert, reagieren die Medien dankbar auf das sonst wortarme und durch geringen Starkult gekennzeichnete Genre elektronischer Musik.2 Das darin skizzierte Bild einer auf Drogen, Exzess und Genuss reduzierten Techno-Szene, welches Lützenkirchen selbst mal als neutrale Spiegelung, mal als Satire bezeichnet, provoziert ein Wiederaufflam- men der voreingenommenen und überspitzten Berichterstattung außenstehender Reporter der späten 1990er Jahre.3 Partizipierende Journalisten sind die Seltenheit. Als Beispiel sei an dieser Stelle verkürzt die ZEIT wiedergegeben, die im Jahre 1995 die „Techno-Kids“ als sog. „Image-Äffchen, Konsumflittchen und triebverfallene Hedonisten“ charakterisiert.4 Auf Lüt- zenkirchens Erfolg reagiert der Szenekern in mancher Hinsicht amüsiert, andernfalls mah- nend und distanzierend.5 Ironisch bemerkt Sascha Kösch, Redakteur der De:Bug, Magazin für „elektronische Lebensaspekte“: „Die Party-Szene hat wieder einen Star! Wir sind in den Charts. Und natürlich von unserer besten Seite.“6 Inhaltlich handelt es sich allerdings um kein Novum: In einem Track analogen Inhalts, insgesamt allerdings düsterer wirkend, textete die HipHop-Band Lyrical Poetry bereits 1996 die Zeile „48 Stunden außer Pillen nichts ge- gessen“.7 Ungeachtet des Wahrheitsgehalts von „3 Tage wach“ und der tatsächlichen Korre- lation von elektronischer Musik und berauschenden Substanzen hat der Diskurs eine „Etiket- 1 Zur Definiton von Minor- und Major-Labels siehe Fußnote 201. 2 Vgl. Thomas WICKLER : CLUB-HIT « 3 TAGE WACH » Soundtrack zum Suffkoma, auf http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,558735,00.html [Datum des letzten Zugriffs: 1. Oktober 2008]; Kerstin HERING / Stephan DOLCK: 36 Stunden Party ohne Pause, auf http://www.polylog.tv/videothek/videocast/11740/ [Datum des letzten Zugriffs: 23. Juli 2009]; vgl. Christian KEMPER: mapping techno. Jugendliche Mentalitäten der 90er. Frankfurt a. M. (u. a.) 2004, S. 179 – 181; vgl. Mohini KRISCHKE-RAMASWAMY: Populäre Kultur und Alltagskultur. Funktionelle und ästhetische Rezeptionserfahrungen von Fans und Szenegängern. Konstanz 2007, S. 212-218. 3 Tobias Lützenkirchen im Interview bei BR, auf http://www.br-online.de/on3radio/musik/techno-3-tage-wache- luetzenkirchen-ID1204830101403.xml?_requestid=2341789[Datum des letzten Zugriffs: 1. Oktober 2008]; Stim- men eines Techno-Forums auf http://www.techno.de/forum/showthread.php?t=12719 [Datum des letzten Zugriffs: 1. Oktober 2008]; vgl. Gabriela MURI: Aufbruch ins Wunderland? Ethnographische Recherchen in Zürcher Tech- noszenen 1988-1998. Zürich 1999, S. 204-214. 4 Vgl. Gabriele KLEIN: Electronic Vibration. Pop Kultur Theorie. Neuaufl., Wiesbaden 2004, S. 14. 5 Vgl. Tobias RAPP: Lost and Sound. Berlin, Techno und Easyjetset. Frankfurt am Main 2009 , S. 184. 6 Sascha KÖSCH: Lützenkirchen: Der neue Jamba-Frosch. In: De:Bug 123 (Juni 2008), auf http://www.de- bug.de/mag/5678.html [Datum des letzten Zugriffs: 25. Oktober 2008]. 7 Lyrical Poetry, Vom Teufel besessen, Deejay, Mai 1996, auf http://www.youtube.com/watch?v=0vT2K4T1lPM&feature=PlayList&p=1A5486F4413C7F8D&index=31 [Datum des letzten Zugriffs: 20. Oktober 2008]. 6 Techno in der 3. Generation. Eine Musikszene Kölns in kulturwissenschaftlicher Perspektive tierung und Stigmatisierung der Techno-Anhänger [zur Folge, da] ein Drogenmissbrauch in vielen Fällen in ihre alltägliche Praxis impliziert wird,…“.8 Ortswechsel: Wir befinden uns auf dem Gelände des Ateliers von Odo Rumpf, kurz ODO- NIEN, einem schrottplatzähnlich anmutendem Areal jenseits des blau emporragenden Bor- dells Pascha im Kölner Norden. Eine Nacht im September 2008: Das Label Treibstoff Rec. feiert sein elfjähriges Bestehen. Ausgenommen des Einzelfalls von zwei 14- und 17-jährigen Freundinnen, die selbstgewiss ihrem doppelt so alten und fassungslosen Gesprächspartner ihre Personalausweise entgegenstrecken, liegt das Durchschnittsalter der Anwesenden bei geschätzten 25 Jahren. Berufstätige Szenegänger jenseits von Jugendlichkeit und Postado- leszenz (Definition siehe Punkt 1.3.) wie Fachkräfte aus Finanz und Wirtschaft, Ingenieure und Pädagogen im Alter von 30plus sind ebenso keine Besonderheit. Ein Gymnasiallehrer und späterer Interviewpartner berichtet von seiner ständigen Sorge, seinen Schülern in die- sem Kontext zu begegnen. Welche Konsequenzen hätte ein solches Treffen für Personen, die als intellektuell und kultiviert gelten, mehr noch, denen eine Vorbildfunktion auferlegt wird? Würde man ihnen im Beruf weiterhin mit Respekt und Anerkennung gegenüber treten? Wäre ihr Image bei Schülern und / oder Kollegen beschädigt? Oder könnte die Freizeitge- staltung im Umfeld einer derart stigmatisierten Musikszene sogar zur Entlassung mit nach- haltigen Konsequenzen führen? Diesem fortwährenden Balanceakt der Technoiden, zwischen „logisch oft nicht miteinander zu vereinbarende[n]“ Identifikationsangeboten und der Herausbildung sog. Patchwork- Identitäten9 in der Interaktion mit anderen, soll sich diese Magisterarbeit widmen.10 Ziel ist es, im Sinne der qualitativ arbeitenden Kulturwissenschaft mikrologisch die aktive Gestaltung subjektiver Lebenswelt im Spannungsverhältnis von rationalistisch, obligatorisch und leis- tungsbewusst bestimmtem Berufsalltag und intrinsisch-orientiertem, absolutem Freizeiterle- ben zu beleuchten. Es stellt sich die zentrale Frage, welche Bedeutung und Funktion erlan- gen die Faktoren Arbeit und Techno im Lebensstil der Szenegänger? Mit Gerd-Günter Voß Worten gesprochen: „Es geht [in der Studie] um das individuelle ͵Arrangement der verschie- denen sozialen Arrangementsʹ von Personen“ in der postmodernen Gesellschaft.11 Aus dem Forschungsanliegen ergeben sich folgende Unterfragen: Wie gestalten sich der Arbeits- und Freizeitalltag der Peripheren? Wie lässt sich die aktive Teilhabe an der Szene mit einem 8 KEMPER, techno, 2004, S. 136. 9 „Unsere Identität und unser Selbstbewusstsein entwickelt sich in der Interaktion mit den Anderen. Meine Identi- tätsformel dafür heißt: Sich Erkennen, Erkannt- und Anerkanntwerden […] . In diese Formel ist Gegenseitigkeit eingeschlossen. Die Art dieser Gegenseitigkeit ist – und damit auch diejenige unserer je Selbstwerdung – ist ein kulturelles Konstrukt. Wir haben kein »natürliches« Verhältnis zu Identität als einem »Ich bin«.“ Ina-Maria GRE- VERUS: Die Anderen und ich: Anthropologie und die Frage nach dem Selbst. In: DIES. (Hrsg.): Die Anderen und Ich: vom Sich Erkennen, Erkannt- und Anerkanntwerden, Kulturanthropologische Texte. Darmstadt 1995, S. 1-25, hier S. 1. 10 Lothar KRAPPMANN, zitiert n. Hermann BAUSINGER: Zur kulturalen Dimension von Identität. In: Zeitschrift für Volkskunde 73 (1977), S. 210-215, hier S. 212. 11 GERD-GÜNTER VOSS: Beruf und alltägliche Lebensführung – zwei subjektnahe Instanzen der Vermittlung von Individuum und Gesellschaft. In: DERS. / Ulrich BECK / Karl Martin BOLTE (Hrsg.): Subjektorientierte Sozio- logie. Opladen 1997, S. 201-222, hier S. 211. 7 Techno in der 3. Generation. Eine Musikszene Kölns in kulturwissenschaftlicher Perspektive normativen Arbeitsumfeld kombinieren? Ist die Teilnahme ein temporäres Ausbrechen aus dem Alltag, ein erlebnisorientiertes Kontrastprogramm zur rationalisierten Arbeitswelt mit dem Wunsch nach Wiederverzauberung uploads/Litterature/ schueller-techno-2009.pdf

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