• • Jürgen Udolph Göttingen "Rozprawy Slawistyczne" 6 UMCS, 1993 Die Südslawism

• • Jürgen Udolph Göttingen "Rozprawy Slawistyczne" 6 UMCS, 1993 Die Südslawismen des Slowakischen im Lichte der Onomastik Das in der Slawistik vieldiskutierte Problem der "Südslawismen" oder "Jugoslawismen" im Mittelslowakischen habe ich bereits an anderer Stelle kurz, d.h. nur am Rand einer Kartierung bestimmter slawischer Ortsna­ mentypen, in meinen Studien zu slawischen Gewäsernamen und Ge­ wässer bezeichnungen, Heidelberg 1979, behandelt. Die Thematik der Lubliner Konferenz erlaubt es meines Erachtens, auf dieses Problem mit Hilfe einer neuen Kartierung ausführlicher zurückzukommen. Nach 1. Popovic 1 und R. Krajèovic 2 sind folgende Erscheinungen zu den "Südslawismen" im Slowakischen zu zählen: 1. Vertretung des *ort-, *olt-, *olt-, durch rat-, lat-; 2. Wandel von tl, dl zu 1; 3. Wandel des ursla­ wischen *s (aus ch vor a, i aus oi) zu s (nicht zu s wie im Tschech. und sonst im Westslawischen); 4. übergang von *ǣ' (aus 9 nach der 2. und 3. Palatalisation) nicht du dz, sondern zu z; 5. Wandel von jb- zu i- (nicht zu je-, j- wie im Tschechischen); 6. Entwicklung eines sekundären Vokals in l-Partizipien; 7. Kürzung der akutierten langen Vokale: slowakisch blato gegenüber èechisch bIato; 8. Verlängerung des Vokals im Genitiv pluralis in Fällen wie rip "der Fische" gegenüber cech. ryb; 9. Gebrauch der Suffixe -OVbce gegenüber sonstigem westslawischen -ovice) und -inbce in Ortsnamen, z.B. slowakisch Orechovce, serbokroatisch Banovci gegenüber polnisch Katowice. Bevor ich zu dem Beitrag der Onomastik in dieser Frage komme, will ich in einem knappen Abriß die Geschichte der Forschung darlegen. 1948 hat 1. Kniezsa in einem Aufsatz mit dem Titel Zur Geschichte der Jugoslawismen im Mittelslowakischen 3 auf Seite 140 die bis zu diesem Zeitpunkt vorgetragenen Theorien in zwei Gruppen eingeteilt und wie folgt kurz skizziert: "Nach der einen, [ ... ] sollen die Jugoslawismen einem 1 Geschichte der serbokroatischen Sprache, Wiesba de n 1960, S. 37f . 2 A Historical Phonology of the Slovak Language, Heidelberg 1975, S. 27ff. 3 :Etudes Slaves et Roumai nes 1, 1948, 139-147. in: Gwary mieszane i przejsciowe na terenach slowianskich, Lublin 1993, S. 311-322. Abbildung 1 Vorkommen i Gewässer­ Orts- und Flurnamen • Rostok(a). ROkyta o Rastok(a). Raztok(a) • Rakyta () Beide Va- rianten sind be legt fi ,. , .... .) ./ "- . .... , 10 J o o o if o • o o `o ( .... '1 ·r ./ ( ,... r(f" ..... - I v" I ... . .... ,.. ..... "\- I 10 • • " .1 ./ ! 1..., • - J., I v. ___ • .'1 • .. r° .J /'" ( r .., / , I ( ) r I } r' • o 0 I ,.. " "" .... ¯ '-t 1:: o'il. tI> ::l c:: c.. o 'Ö ::t • • Die Südslawisme n des Sl o w akischen im Lichte der Onomastik 313 südslawischen Substrat entstammen, nach der anderen, [ . .. ] soll es sich hier nur um ein Eindringen gewisser südslawischer Lautformen und Morpheme handeln, aus der Zeit vor der ungarischen Landnahme, als der unmittelbare Kontakt der Südslawen mit den Slowaken noch nicht zerrissen ist. Dieser Kontakt soll nach Stieber an der Donau, am unteren Gran und Eipel bestanden haben, wogegen Stanislav ihn irgendwohin nach Süd-Transdanubien versetzt". 1. Kniezsas eigene Untersuchung schließt nach Vorführung eines reichen Namenmaterials (d a s a l l e r­ d i n g s n ie h t k a r t i e r t w o r d e n i s t) mit der Folgerung: "Auf Grund dieser Angaben glaube ich mit Recht schließen zu können, daß a) die sogenannten ,Jugoslawismen' wirklich aus dem Südslawischen stammen und b) daß sie ein Resultat der überschichtung von südsla­ wischen Elementen auf das Westslawische darstellen" '. Ähnlich hat sich immer wieder 1. Popovic geäußert, so etwa 1960 in seiner großen Geschichte der serbokroatischen Sprache: "Im Falle des Slowakischen handelt es sich ohne jeden Zweifel um eine slawische Sprache, die ihrem Kern ohne weiteres südslawisch war und dann cechisiert, cl.h. westslawisiert wurde. Zu diesem Schluß zwingt uns' [ ... ] eine lange Reihe von Sprachzüngen, die im Slowakischen, vor allem im son. Mittelslow,akischen [ .. . ] vorkommen und nur mit südslawischen Sprachmitteln erklärbar sind" 5. Ganz anders faßt H. Bräuer dieses Problem auf: "Die übereinstim­ mung des Mittelslowakischen ... mit dem Südslawischen beruht wohl auf Parallelentwicklung, die infolge der Nachbarschaft dieser Dialekte im Urslawischen entstanden und eingeleitet worden sein kann" 6. Gern würde man dieser Meinung zustimmen, jedoch wäre vorab zu klären, wo welche urslawischen Dialekte gesprochen worden sind. Ich meine, daß gerade zu diesem Punkt die Onomastik zu befragen ist und werde auf dieses Problem im Zusammenhang mit der Kartierung einzelner Namentypen zurück­ kommen. Die Namen gelten auch bei anderen Forschern als besonders wichtige Zeugen. So heißt es bei G. Y. Sbevelov: ,,[ .. . ] an more ra- forms have been preserved in place-names, conservative by nature" 7, ähnlich betont L. Novak in seinem grundlegenden Werk K najstarsim dejinam sloven­ skeho jazyka den archaischen Charakter der Namen: "Miestne menä za­ chovavaju ocividne starsi stav, lebo vznikli davno" 8. 4 Op. cit., S. 146. 6 1. Pop 0 v i C, Geschichte der serbokroatischen Sprache, Wiesbaden 1960, S. 34. 6 H. B r ä u e r, Slawische Sprachwissenschaft 1, Berlin 1961, S. 84. 1 G. Y. S h e v e I 0 v, A Prehistory of Slavic, Heidelberg 1964, S. 394. B Bratislava 1980, S. 297. 314 Jürge n Udol ph Verbrei tung slavischer Gewässer-, Orts- und Flurnamen Abbildung 2. Entnommen: J. Udolph, Studien zu slavischen Gewässernamen und Gewässerbe­ zeichnungen, Heidelberg 1979, S. 322 Die Bedeutung der Namen hat letzter Zeit auch der deutsche Slawist H. Kunstmann betont. Zur Frage der Südslawismen im Mittelslowakischen heißt es bei ihm: "Wenn [ ... ] illyrische Hydronyme aus dem heutigen Dalmatien in die Slowakei übertragen wurden, dann bestätigt dies nicht allein die These von der slawischen Süd-No:rd-Wanderung, sondern be­ rührt auch in nicht unerheblichem Maße jenes in der slawischen Philo­ logie vieldiskutierte Phänomen der slowakischen Jugoslawismen" 9 • Kunstmann glaubt weiter schließen zu können: "Die Ergebnisse [ ... ] sprechen nun mit einiger Wahrscheinlichkeit dafür, daß sich eben die Sprache jener Slawen, die während der großen slawischen Wanderbe­ wegung aus Dalmatien in die heutige Mittelslowakei gelangten, unter den schon auf dem Balkan einsetzenden, spezifisch südslawischen Be­ dingungen in der neuen Heimat noch einige Zeit weiterentwickelte" 10. Aber auch bei H. Kunstmann fehlt eine Kartierung derjenigen slo­ wakischen Namen, die "südslawische" Elemente in sich tragen sollen. Bevor wir seinen Thesen Vertrauen schenken, wollen wir das Ergebnis der Kartierung abwarten. 9 Die Welt der Slawe n 33, 1988, 401. 10 Op. cU. • • • Die Südslawismen des Slo wakischen im Lichte der Onomastik 31" Ein weiteres Problem ist die Frage, mit welchen südslawischen Dialekten die mittelslowakischen Mundarten Kontakt gehabt haben sollen. Auch dazu liegen bereits Ansichten vor. So äußert 1. Popovic: "Dieses südslawische Idiom (des Mittelslowakischen, J.U.) war jedoch keinesfalls slowenisch, wie man gewöhnlich annimmt..., sonderen es weist ohne jeden Zweifel eine östlichere südslawische Prägung auf. Und da bulgarische Herkunft nicht annehmbar ist ... , so bleibt nur noch die Möglichkeit, es auf das Serbokroatische zurückzuführen" 11. Wir werden diese Auffassung mit der Kartierung der mittelslowa­ kischen Toponyme "südslawischer" Herkunft konfrontieren. Erst dann werden wir entscheiden können, ob den bislang vorgebrachten Thesen zuzustimmen ist. Zusammenfassend kann gesagt werden: Gegen südslawische Herkunft der auffälligen mittelslowakischen Erscheinungen haben sich ausgespro­ chen M. Malecki, S. Mladenov, E. Pauliny, Z. Stieber, F. Trävnicek, dafür I. Kniezsa, J. Stanislav, J. ZubatY.12 Wie von verschiedenen Forschern betont worden ist, liegt in der Frage, ob die "Südslawismen" des Slowakischen auch im Namenbestand nachgewiesen werden können, ein besonderes Gewicht. Es ist dabei notwendig, möglichst alle erreichbaren Quellen zur Kartierung heranzu­ ziehen. Der Hinweis auf einzelne Namen, die diese Erscheinung enthalten, führt noch nicht zu neuen und entscheidenden Erkenntnissen. Ich habe daher versucht, dieses durch eine möglichst vollständige Kartierung von zwei Appellativen und deren Auftreten im slavischen Namenbestand zu erreichen. Ausgewählt wurden die slawischen Namen um rostok(a)/ra­ stok(a) und rokytajrakyta. 1. Rostok(a)/Rastok(a) Dieses Appellativum habe ich in den bereits erwähnten Studien zu slawischen Gewässernamen und Gewässerbezeichnungen schon früher behandelt.13 Es ist in der Bedeutung "Stelle, wo sich ein Gewässer trennt oder vereinigt" im Slawischen weit verbreitet. Daneben tritt dialektal auch die Bedeutung "Wasserscheide" auf. Entsprechungen lassen sich in fast allen slawischen Sprachen belegen, auch die Etymologie ist nicht umstritten. In aller Kürze nenne ich hier russisch rast6k "Teilung in zwei Ströme, Arme", ukrainisch rozt6ka, r6ztik, "Flußgabelung, Flußarm, Bacharm", tschechisch, slowakisch roztok, roztoka, raztoka, "Stelle, wo sich ein Gewässerlauf trennt, Seiten-, Ableitungskanal", polnisch roztok, rozto- 11 1. Po p 0 v i C, ap. cit., S. 39. 12 Die entsprechenden Arbeiten sind im L iteraturver zeichnis am Ende dieses Beitrages genannt. 13 J. Ud 0 1 p h, Studien ... , S. 232-239 mit Karte 23, Heidelberg 1979. 316 Jürgen Udolph ka "Flußgabelung, größerer Bach", "Stelle, wo sich zwei Gewässer trennen und nach verschiedenen Richtungen fließen", serbokroatisch rastoc, ra­ stok, rastoka, "Ort, wo sich irgendwelche Gewässer teilen, Delta, uploads/Litterature/ udolph-die-suedslavismen-des-slovakischen-im-lichte-der-onomastik-1993.pdf

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